Berlin schützt kritische Exporte Die Iran-Connection

Die internationale Gemeinschaft warnt vor Irans atomaren Ambitionen und versucht mit strikten Sanktionen das Regime zum Einlenken zu zwingen. In Deutschland stellt sich das für die Sanktionen zuständige Wirtschaftsministerium hingegen taub.

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Das Logo der Hansa Group an einem Werk. Quelle: dpa/picture alliance

Berlin/Tel Aviv Seit Monaten liefern sich Iran und der Westen einen heftigen Schlagabtausch wegen des Atomprogramms des Nahoststaates. Die EU plant sämtliche Öl-Importe aus Iran stoppen. Teheran droht seinerseits, die für internationale Öltransporte wichtige Seestraße von Hormus zu blockieren, sollten die Europäer ernst machen. Nur Berlin versucht sich rauszuhalten. Hier überwiegt offenbar die Furcht, die Exportwirtschaft gegen sich aufzubringen.

Das vom FDP-Chef Philipp Rösler geführte Bundeswirtschaftsministerium, das die EU-Sanktionen gegen Iran durchsetzen und durch seine ihm untergeordnete Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), kontrollieren soll, legt seit Monaten schützend die Hände über die iranischen Exportgeschäfte der Unternehmer.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) wurde zuletzt so deutlich wie nie zuvor: Nach Überzeugung der IAEA-Mitglieder, zu denen neben Frankreich und Großbritannien auch Deutschland gehört, verletzen die einschlägigen Aktivitäten Teherans den Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen. Teheran verfolge mit seinem Atomprogramm nicht nur zivile Zwecke, sondern strebe auch nach Atomwaffen, gab sich die Behörde überzeugt.

In Deutschlands Exportwirtschaft hinterlassen diese Warnungen aber nur schwache Bremsspuren: Zwar wurden im ersten Halbjahr 2011 insgesamt Güter mit einem Gesamtwert von 1,5 Milliarden Euro nach Iran exportiert, auf das Gesamtjahr würde das einen Rückgang um 17 Prozent bedeuten. Dennoch bleibt Deutschland nach den Vereinigten Arabischen Emiraten weiterhin Irans zweitwichtigster Handelspartner. 

Und damit nicht genug: Der prekärste Teil der deutschen Iran-Exporte, die Ausfuhr von Gütern mit potentiellem militärischem Verwendungszweck, hat in den vergangenen Monaten nach Informationen von Handelsblatt Online sogar zugelegt. Wurden im Gesamtjahr 2010 vom BAFA noch Ausfuhrgenehmigungen für sogenannte Dual-Use-Güter im Wert von 32 Millionen Euro erteilt, überstieg die Zahl der erteilten Genehmigungen die Marke bereits in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres (34 Millionen Euro).

In Uno-Diplomatenkreisen ist man von Berlins Zögerlichkeit mittlerweile genervt: Die Deutschen ließen sich von Iran hinhalten: "Egal, was das iranische Regime Berlin verspricht, man will es in Deutschland nur zu gerne glauben, um die eigene Wirtschaft zu schützen. Auf Dauer funktioniert das aber nicht, Berlin muss jetzt handeln."


BAFA hüllt sich in Schweigen

Doch die Behörde hält sich bedeckt, was ihre Vergabepolitik bei Ausfuhrgenehmigungen angeht. Gegenüber Handelsblatt Online verweigerte das BAFA die Auskunft darüber, welche Unternehmen bei der Behörde eine Ausfuhrgenehmigung beantragt haben. Begründet wird die Geheimniskrämerei damit, dass den Unternehmen auf internationaler Ebene Sanktionsmaßnahmen anderer Staaten drohen könnten, die es mit den Iran-Sanktionen etwas genauer nehmen als Röslers Ministerium.

Dennoch lassen sich deutsche Unternehmen finden, die den Iran zu ihrem Exportpartner erkoren haben. Das Chemieunternehmen Hansa Group aus Duisburg ist so eines. Vor drei Wochen berichtete das Wall Street Journal, dass die Nordrhein-Westfalen ihre Geschäfte auf Anweisung des BAFA im April 2010 vorläufig stoppen mussten. Das Unternehmen hatten mehrere hochdotierte Lieferverträge mit der iranischen Firma Sepanir abgeschlossen, die von den Deutschen technische Ausrüstung für die Erschließung eines Gasfeldes kaufen wollte.

Sepanir wird durch die Sepha, die iranischen Revolutionsgarden kontrolliert. Die paramilitärische Organisation, die für zahlreiche Terroranschläge im Ausland verantwortlich gemacht wird und als treibende Kraft hinter Irans Nuklearprogramm steht, wurde von internationalen Organisationen wie UN und EU wirtschaftlichen Sanktionen unterworfen.

Der Handelsstopp für die Duisburger währte gleichwohl nur kurz, bereits im Dezember 2010 sprach die Hansa Group erneut beim BAFA wegen Ausfuhrgenehmigungen nach Iran vor. Die zu exportierenden Güter waren dabei beinahe identisch mit denen, die zuvor an Sepanir geliefert werden sollten. Als neuer Geschäftspartner wurde jedoch nun eine Firma mit dem Namen Petrokish benannt. Wie aus Dokumenten hervorgeht, die Handelsblatt Online vorliegen, war das eher ein Täuschungsmanöver: So drängte eine Mitarbeiterin der Hansa Group im Juni 2010 in einer Mail an einen Zwischenhändler darauf, dass in sämtlichen Unterlagen die Nennung der sanktionierten Sepanier zur unterlassen sei.

Damit nicht genug: Als die Behörde im August durch einen Informanten auf das Täuschungsmanöver hingewiesen wurde, versprach eine BAFA-Mitarbeiterin zwar die Überprüfung der Verbindung zwischen den beiden iranischen Unternehmen, wie aus dem Schriftverkehr hervorgeht, der Handelsblatt Online vorliegt. Geschehen ist freilich wenig: Noch bis November 2011 wurden Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von 150 Millionen Euro für Lieferungen an Petrokish erteilt, so das Wall Street Journal. Erst dann wurde die Hansa Group von der Behörde dazu aufgefordert, die Geschäftbeziehung mit der iranischen Tarnfirma fortan einzustellen.


Hansa Group weist jedes Täuschungsmanöver zurück

Ihrerseits schiebt die Behörde die Verantwortung den Unternehmen zu: Die Beachtung der Verbote des Iran-Embargos sei von den Unternehmen "eigenverantwortlich zu prüfen und sicherzustellen", heißt in einer Stellungsnahme gegenüber Handelsblatt Online aus dem Ministerium. Inwiefern das BAFA ihre Aufsichtspflichten im konkreten Fall der Hansa Group verletzt habe, wollte Röslers Ministerium nicht beantworten, wegen des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen beteiligter Unternehmen könne man zu konkreten Exportgeschäften keine Stellung nehmen. 

Die Hansa Group weist ihrerseits jedes Täuschungsmanöver zurück: Vor jedem Ausfuhrgeschäft würden die in ein Geschäft involvierten Geschäftspartner auf den einschlägigen EU-Sanktionslisten geprüft. "Unsere Überprüfung hat jedoch ergeben, das die Firma Petrokish auf keiner der Sanktionslisten aufgeführt war und ist", heißt es in einer Stellungsnahme von Unternehmens-Vorstand Zolfaghar Alambeigi gegenüber Handelsblatt Online. Stattdessen spielt Hansa Group den Ball wieder zurück zur Behörde: Man sei hier auf die Angaben der Behörden angewiesen, heißt es.

Dieses Pingpong-Spiel geht meistens so lange gut, bis es sich nicht mehr unter der Decke halten lässt. Wie im vergangenen Jahr bei der Europäisch-Iranischen Handelsbank (EIHB). Da hatte Röslers Vorgänger im Amt, Rainer Brüderle, über Monate hinweg Forderungen aus den USA und der EU ignoriert, die Bank, die ein deutsches Geldinstitut im iranischen Staatsbesitz ist, auf die EU-Sanktionsliste zu setzen. Dabei lagen Brüderle Warnungen aus den Partnerstaaten vor, die nahelegten, dass die Bank in das iranische Nuklearprogramm verstrickt sei.

Erst als im März letzten Jahres ein iranischer Öldeal mit Milliardenvolumen für Schlagzeilen sorgte, der über das Hamburger Institut abgewickelt werden sollte, stimmte die Bundesregierung Anfang Mai einer Sanktionierung der Bank zu. Der Versuch der EIHB, die Sanktionierung per Schnellantrag im EU-Rat noch aufzuheben, ist mittlerweile gescheitert - wie der EU-Rat Handelsblatt Online bestätigte, wurde der Einspruch des Instituts vom EU-Rat abgelehnt. Die Finanzmittel der EIHB bleiben weiter eingefroren. Um den florierenden deutschen Iran-Handel aufzuhalten, reicht das aber offenbar nicht aus.

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