Berliner Flughafen BER „Unkontrolliert ins Chaos“

Was sind die Gründe für die geplatzte BER-Eröffnung und wer ist für das Chaos verantwortlich? Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses soll Anfang Juni vorgelegt werden – doch die Grünen preschen schon mal vor.

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Der Bericht der Aufklärer wird voraussichtlich am 3. Juni mit rot-schwarzer Koalitionsmehrheit beschlossen ¬ die Grünen finden sich darin jedoch nur bedingt wieder und legten darum jetzt einen eigenen 64-seitigen Bericht „Unkontrolliert ins Chaos“ vor. Quelle: dpa

Berlin Alles hätte so schön werden sollen. Die pompöse Eröffnungsfeier für den neuen Hauptstadtflughafen BER war minutiös geplant worden, Geschäftsführung und Aufsichtsräte hatten das Menü besprochen und den Sitzplatz für die Kanzlerin festgelegt. Ein riesige Party sollte es geben, heißt es im Abschlussbericht der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum BER-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses.

Doch aus der Party wurde bekanntlich nichts: der Start am 3. Juni 2012 wurde wegen Problemen an der Brandschutzanlage wieder und wieder verschoben. Bis heute ist der neue Hauptstadtflughafen nicht eröffnet.

„Vier Jahre und kein Ende des Debakels“, kritisierte am Mittwoch Ramona Pop, Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen. „Wir gehen davon aus, dass der Start im zweiten Halbjahr 2017 nicht zu halten sein wird.“ Im Fokus der Grünen am Mittwoch standen allerdings die vergangenen Jahre. Der Untersuchungsausschuss BER, den die Grünen 2012 mit anderen Oppositionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus beantragt hatten, steht kurz vor dem Abschluss.

Der Bericht der Aufklärer wird voraussichtlich am 3. Juni mit rot-schwarzer Koalitionsmehrheit beschlossen ¬ die Grünen finden sich darin jedoch nur bedingt wieder und legten darum jetzt einen eigenen 64-seitigen Bericht „Unkontrolliert ins Chaos“ vor.

Das habe vor allem zwei Gründe, sagte Andreas Otto, neben Harald Moritz einer der beiden Grünen-Aufklärer im Ausschuss. Erstens würden die Verantwortlichkeiten für das BER-Debakel und insbesondere die Rolle der Berliner Vertreter in Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft nur unzureichend berücksichtigt. Die SPD/CDU-Koalition verfolge eher das Ziel, Berliner Regierungsmitglieder von Fehlhandlungen freizusprechen.

Zweitens sei die Ausschussarbeit durch die Geheimhaltungspolitik des Berliner Senats – vor allem der Senatskanzlei – und der Flughafengesellschaft massiv behindert worden. Schon während der Ausschussarbeit seien die meisten Dokumente als vertraulich eingestuft worden. Jetzt bestehe die Gefahr, dass wichtige Dokumente aus Geheimhaltungsgründen nicht in den Bericht aufgenommen würden.


Die Suche nach den Verantwortlichen ist schwierig

Viele der Erkenntnisse dürften sich jedoch mit anderen Ausschussmitgliedern decken, die in mehr als 60 Sitzungen rund 70 Zeugen befragt und 1.650 Akten unter die Lupe nahmen. „Wir haben festgestellt“, heißt es bei den Grünen, „dass die Flughafengesellschaft insgesamt die Bauherrenfunktion für ein Großbauprojekt nicht leisten konnte und dass sowohl die Gesellschafter als auch der Aufsichtsrat schwere Fehler gemacht haben.“

Die Organisation von Gesellschafterversammlung über Aufsichtsrat bis zur Geschäftsführung der Flughafengesellschaft habe qualitativ nicht ausgereicht, ein Großbauprojekt zu stemmen. „Weder die Berliner Aufsichtsräte noch die Senatsvertreter in der Gesellschafterversammlung hatten Erfahrungen mit Großbauprojekten oder gar Krisenmanagement.“

In der Kritik steht zudem der „Experimentalcharakter des Terminals“ mit einer komplexen, schwierigen und teuren Brandschutztechnik“. Die Flughafengesellschaft habe mangels eigener Kenntnis nicht auf einfachen Lösungen bestanden, sondern sich auf die Installation besonders komplexer Anlagen eingelassen, die nicht erprobt waren.

Zu Schwierigkeiten hätten auch die massenhaften Änderungen im laufenden Planungs- und Bauprozess geführt. Die Tinte unter dem ersten Bauantrag 2006 sei noch nicht trocken gewesen, da setzte eine Änderungswelle ein, die eine geordnete und sichere Fertigstellung 2012 verhinderte.

Als im Dezember 2011 die Probleme mit der Entrauchungstechnik den Aufsichtsrat erreichten, habe der – so der Vorwurf – nicht reagiert, sondern sich auf April 2012 vertagt. Auch bei den Genehmigungen hakte es: Bei einzelnen Personen habe der Wunsch bestanden, „politisch nachzuhelfen“. Das hat offenkundig nicht funktioniert: „Die Bauordnungsbehörde im Landkreis bestand jederzeit auf vollständigen, prüfbaren Unterlagen.“

Die Suche nach den Verantwortlichen ist schwierig: „Im Untersuchungsausschuss“, heißt es in dem Bericht, „machten sich einige Zeugen gegenseitig für Versäumnisse oder hilfsweise ungünstige Umstände für die Probleme beim BER verantwortlich, keiner hatte Fehler einzuräumen.“ Ob trotzdem jemand für Fehlentscheidungen der Vergangenheit haftbar gemacht werden könne, das müsse von unabhängiger Seite geprüft werden, so die Grünen.

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