Bestechungsskandal um Odebrecht Die Jagd nach „Dicken Fischen“

Ein Ex-Präsident auf der Flucht, ein Friedensnobelpreisträger unter Druck, Verwerfungen von Panama über Kolumbien und Brasilien bis Peru. Das weite Ausmaß eines zwölf Länder umfassenden Korruptionsskandals wird sichtbar.

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Weil die Justiz in Südamerika kein Pardon kennt, nimmt die Korruption in Südamerika ein unkontrolliertes Ausmaß an. Quelle: Reuters

Rio de Janeiro/Lima Alejandro Toledo wird als der „dicke Fisch“ in einem Korruptionsskandal bezeichnet, der epische Ausmaße annimmt. Aber dieser Fisch ist entwischt. Der Ex-Präsident Perus, der vom Schuhputzer zum ersten Mann im Staate aufgestiegen war, soll bis zu 20 Millionen US-Dollar Bestechungsgeld kassiert haben. Für den Bau einer Straße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Es gibt Hinweise, dass Toledo damit mehrere teure Immobilien finanziert hat.

Alejandro Toledo ist längst nicht der einzige Spitzenpolitiker in Lateinamerika, der in einen der größten Schmiergeldskandale der Welt verwickelt ist. Seit Tagen gibt es um ihn ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Justiz in Peru hat einen internationalen Haftbefehl beantragt. Erst war er in Frankreich, dann wurde er mit seiner Frau in den USA gesichtet.

Toledo wollte von dort weiter nach Israel, wo er und seine Frau Eliane Karp, die auch die israelische Staatsbürgerschaft haben soll, bestens vernetzt sind. Die Regierung Israels verlangt aber, dass er erst seine Affäre regelt, um diplomatische Spannungen zu vermeiden.

So ist er wohl weiterhin in den USA. Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski, in Toledos Amtszeit (2001-2006) Wirtschaftsminister, hat daher in einem Telefonat nun US-Präsident Donald Trump um Hilfe bei einer Auslieferung gebeten. Toledo spricht via Facebook von einer „Hexenjagd“. Er, der sich als Kämpfer gegen Korruption inszenierte, weist alle Vorwürfe zurück.

Wie ein Schneeball, der immer größer wird, erfasst der Skandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht von Brasilien ausgehend immer mehr Länder der Region. Vor allem, weil Behörden in Brasilien, den USA und der Schweiz knallhart ermitteln.

Bis zu Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos reicht die Liste der ins Zwielicht Geratenen. Kolumbiens Präsident pocht auf eine rasche Aufklärung durch die nationale Wahlbehörde zu Vorwürfen, wonach Odebrecht 2014 eine Million Dollar für seine Kampagne gezahlt haben soll. „Der Schaden ist schon da“, kritisiert Santos. Er vertraue der Aussage seines Wahlkampfchefs Roberto Prieto, der alle Vorwürfe bestreitet.

Genauso bestreitet Panamas Präsident Juan Carlos Varela, Spenden von Odebrecht bekommen zu haben. Pikant: Er war vom einstigen Vertrauten Ramón Fonseca Mora belastet worden. Fonseca ist Partner der Kanzlei Mossack Fonseca, die zahlreichen Politikern und anderen Promis beim Ausnutzen von Steuerschlupflöchern half und durch die „Panama Papers“ ins Zwielicht geriet. Fonseca und sein Partner Jürgen Mossack wurden wegen angeblicher Verstrickung in den Odebrecht-Skandal festgenommen.


Die nächste „Bombe“

Angefangen hat das „Odebrecht-Beben“ in Brasilien mit dem „Lava Jato“-Skandal („Autowäsche“) um Schmiergelder bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Petrobras-Konzerns. Politiker erhielten eine satte „Provision“, wenn sie beim Zuschlag halfen, etwa für den Bau von Bohrplattformen. Nach und nach kam ein System systematischer Bestechung in mehreren Ländern ans Licht. Odebrecht „refinanzierte“ die Kosten offensichtlich dadurch, dass Bauprojekte am Ende viel teurer waren - so kostete der Ausbau der Interoceánica in Peru am Ende statt der geplanten 850 Millionen US-Dollar 2,1 Milliarden.

Insgesamt sollen 785 Millionen Dollar (734 Mio Euro) Schmiergelder in zwölf Ländern geflossen sein. Es soll im Konzern extra eine eigene „Bestechungsabteilung“ gegeben haben. Mehrere Manager hatten durch ihre Aussagen die Ausmaße des Skandals ans Licht gebracht. Sie hoffen auf eine gnädige Kronzeugenregelung, nachdem der langjährige Chef Marcelo Odebrecht zu mehr als 19 Jahren Haft verurteilt worden war.

Vor Weihnachten willigten der von Nachfahren deutscher Einwanderer gegründete Odebrecht-Konzern und das Chemie-Unternehmen Braskem, an dem Odebrecht beteiligt ist, in einen historischen Vergleich ein: 3,5 Milliarden US-Dollar (3,3 Mrd Euro) sollen über mehrere Jahre gezahlt werden. Es ist nach Angaben des US-Justizministeriums die größte Strafsumme, auf die sich die Beteiligten je in einem Korruptionsfall geeinigt haben.

In Brasilien wird in Kürze die nächste „Bombe“ erwartet. Der Justiz liegen zahlreiche brisante, noch unter Verschluss gehaltene Aussagen von Odebrecht-Managern vor, die die Regierung von Präsident Michel Temer erschüttern könnten. Unter dubiosen Umständen kam der in der Affäre ohne Rücksicht ermittelnde Richter am Obersten Gerichtshof, Teori Zavascki, am 19. Januar bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Es gibt starken Druck, trotzdem die Aussagen ans Licht zu bringen - für viele Bürger hat der Skandal sogar etwas Gutes: Die Jagd auch nach „dicken Fischen“ könnte die Korruption eindämmen, die Justiz gilt als Gewinner: In Brasilien wird der „Lava-Jato“-Richter Sérgio Moro, der auch Konzernchef Marcelo Odebrecht hinter Gitter gebracht hat, für 2018 schon als Präsidentschaftskandidat gehandelt.

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