Bettina Röhl direkt

Die kopflose Ägyptenpolitik des Westens

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Der gefährliche Anti-Amerikanismus

Unternehmen ziehen Konsequenzen
Ägypten versinkt erneut in Chaos und Gewalt: Zwei Tage nachdem die Polizei und Militär die Lager von Anhängern des gestürzten islamistischen Präsident Mohammed Mursi gilt in der Hauptstadt Kairo noch immer der Notstand. Über 500 Menschen sind nach offiziellen Angaben bei den Ausschreitungen ums Leben gekommen, die islamistische Muslimbruderschaft sprach sogar von 2000 Toten - und ein Ende der Kämpfe ist noch nicht absehbar. Deutsche Unternehmen sorgen sich um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter im Land, viele haben bereits ihre Produktion in Ägypten gestoppt. Andere hoffen, dass sich die Lage bald wieder beruhigt. Quelle: dpa
Der deutsche Großhandelskonzern Metro hat bereits Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: „Als vorsorgliche Maßnahme wurde das Headquarter der Metro in Kairo vorübergehend geschlossen“, sagte eine Sprecherin. Auch auf die Ausgangssperre in Kairo hat das Unternehmen reagiert: Zwei Kaufhäuser in Kairo werden „voraussichtlich zwischen 16 und 17 Uhr schließen, so dass die Mitarbeiter ausreichend Zeit haben, vor der offiziellen Ausgangssperre nach Hause zu kommen", sagte die Sprecherin. Mitarbeitern würden Shuttle-Busse zur Verfügung gestellt, mit denen sie nach Hause gebracht werden. Quelle: REUTERS
Die Opel-Muttergesellschaft General Motors hielt die Produktion in ihrem Werk nahe der Hauptstadt Kairo bis auf Weiteres an. „Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist von größter Bedeutung für uns", erklärte ein Sprecher des Unternehmens. In der Fabrik nahe Kairo fabriziert GM Nutzfahrzeuge und Autos. 1400 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen am Standort. Quelle: AP
Auch der Haushaltsgeräte-Hersteller Electrolux schickte seine Arbeiter nach Hause. „Wir beobachten die Sicherheitslage und werden dann entscheiden, ob die Leute wieder arbeiten gehen sollen", sagte ein Sprecher. Samstag will das Unternehmen erneut prüfen, ob die Produktion in Ägypten wieder aufgenommen werden kann. Die Muttergesellschaft des Haushaltsspezialisten AEG beschäftigt rund 7000 Mitarbeiter in Ägypten. 2012 machte das Unternehmen über 230 Millionen Umsatz in dem Land. Der Umsatz im gesamten Konzern liegt bei 13 Milliarden Euro. Quelle: AP
Auch die Öl-Branche ist von den Unruhen betroffen: Der britische Ölriese Royal Dutch Shell teilte mit, die Büros des Konzerns in Ägypten blieben mindestens bis zum Wochenende geschlossen. „Wir beobachten die Situation in Ägypten", sagte der Sprecher. Quelle: REUTERS
Der deutsche Konzern Dea, eine Tochter des Energieunternehmens RWE, hat hingegen noch keine Maßnahmen ergriffen. Man beobachte die Lage jedoch sehr intensiv und sei vorbereitet alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn sie nötig würden, sagte eine Sprecherin. Über Tochterunternehmen beschäftigt Dea knapp 1200 Mitarbeiter in Ägypten. Der Konzern ist bereits seit über 40 Jahren in Ägypten aktiv und ist an der Ölforderung im Golf von Suez und bei der Erschließung von Gaßfeldern im Nil-Delta und an der Küste beteiligt. (Bild: Dea-Ölplattform in der Ostsee) Quelle: dpa
Insbesondere der Suez-Kanal (Foto), der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, gilt als enorm wichtig für Öltransporte. Die Unruhen in Ägypten treibe deshalb den Öl-Preis nach oben, sagen viele Händler. Mit 111 US-Dollar je Barrel stieg der Rohölprei für die Sorte Brent am Donnerstag auf den höchsten Stand seit vier Monaten. Am Freitagmorgen lag der Preis bei 109,78 US-Dollar. Quelle: dpa

Bis Obama die politische Bühne betrat, war die Welt noch ganz ordentlich in schwarz-weiß eingeteilt. Der Anti-Amerikanismus gehörte zum guten Ton. Er war Mainstream und es gab einen "Teufel" und der hieß USA und der wurde von einem "Oberteufel" regiert und der hieß George W. Bush.

Und weil dieses Hassobjekt Bush jr. von ihm ausgemachte Schurkenstaaten bekämpfte, gab es bei den Bush-Hassern plötzlich sozusagen keine Schurkenstaaten mehr, sondern nur einen Schurken, wie eben Bush Junior, wie er genannt wurde, selbst. Es gab Zeiten, da wurde Bush jr. auch in den deutschen Medien so offen und so stark verteufelt, dass man den Eindruck hatte, als gäbe es daneben gar kein relevantes politisches Thema mehr. Mehr als einmal fielen in der deutschen Politik (Herta Däubler-Gmelin) und in den Medien (Ulrich Wickert) Vergleiche zwischen Bush und dem weltweit meist gesuchten Terroristen Osama Bin Laden. Solcherlei Stimmen gibt es bis heute in den Medien.

Und dann kam Obama, der nach der Lesart der Demokraten, der Linksliberalen, der Westlinken die Welt retten und paradiesisch verwandeln sollte. Und der reiste, weniger Monate im Amt, nach Ägypten und hielt an der Universität in Kairo in seiner in Wahrheit aufpeitschenden Art und Weise seine im Wahlkampf bereits angekündigte Grundsatzrede zu einem neuen Verhältnis zwischen den USA und dem Islam und den islamischen Ländern. Obama war offenbar im Rausch, denn er war scheinbar davon überzeugt, dass er die Welt mit ein paar Wörtern aus seinem Munde erneuern könnte und müsste.

Obamas präsidiale Stümperei

Einfach so nur um der schönen Rede willen, in höchstem Maße populistisch Außenpolitik und Religion in eine verpflichtende Korrelation zu setzen und dies ohne Konzept, ohne Anfang, ohne Ende, ohne Ziel, muss man als präsidiale Stümperei bezeichnen. Nach dem Motto: Liebe Welt, hör her, ich will, dass die Welt gut wird. Liebe Leute, hört her, ich will, dass ihr euch alle lieb habt - das ist nicht ehrenwerte Politik, sondern das ist eine traumtänzerische Sonntagsrede, mit denen Obama die Welt schon reichlich überflutet hat.

Der Libyen-Krieg, dem sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle gegen aggressive rot-grüne Anfeindungen auch aus den Medien widersetzte, erfüllte zwar den Zweck, dass Obama, wie jeder Präsident vor ihm, endlich auch seinen Krieg hatte, aber der Krieg war historisch gesehen kontraproduktiv. Er war falsch.

Bush hatte wenige Jahre zuvor einen menschenverachtenden Diktator, Saddam Hussein, entmachtet, aber ihm fehlte jedes Konzept für die Zeit nach der Entmachtung. Das scheint ein typisch amerikanisches Phänomen zu sein. Kriege kann man noch gewinnen, aber politisch versagen die Vereinigten Staaten regelmäßig. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein vergleichsweise positiver Modellfall dafür, dass eine Nachkriegsordnung, an deren Herstellung die USA wesentlich beteiligt war, auch gut ausgeführt werden kann.

Die vergessene grüne Revolution

Die anti-islamistische Revolution junger, demokratischer, aufgeklärter, meist städtischer Kreise im Iran im  Frühsommer 2009 hat Obama mit Sicherheit mit seiner ägyptischen Rede beflügelt, aber dann bekanntlich lieblos im Stich gelassen. Die bunten, die blumigen Revolutionen wie die orangene Revolution in der Ukraine oder die Jasmin-Revolutionen in Tunesien und eben Ägypten, seien, wie der Spiegel 2005 berichtete und wie man auch in der Wikipedia nachlesen kann, zum Teil von US-amerikanischen Stellen oder auch NGO's aus Amerika und Europa oder auch von Organisationen, die der Börsenspekulant George Soros mit seinen kruden politischen Vorstellungen finanziert und inspiriert, in einzelnen arabischen Ländern mit Geld, Logistik und einem regelrechten Revolutionsplan von innen heraus mindestens mit initiiert worden.

Unten wühlten also die Revolutionsromantiker und oben befeuerte Obama himself das sogenannte Revolutionsgeschehen. Allerdings wird die niedergeschlagene, sogenannte grüne Revolution 2009 im Iran in dem Artikel auf Wikipedia, und das ist symptomatisch, über die farbigen Revolutionen nicht einmal mehr erwähnt.

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