Bettina Röhl direkt

Das Ende der Demokratie am Beispiel der Krim

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Zweifelhafte Neuwahlen

Soldaten besetzen die Krim
Militärisches Personal, vermutlich russische Streitkräfte, außerhalb ukrainischen Territoriums Quelle: REUTERS
Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow hat von einer Invasion und Besetzung durch russische Soldaten gesprochen. 6000 russische Soldaten befinden sich mittlerweile in der Ukraine. Die Regierung in Moskau hat sich im jüngsten ukrainischen Machtkampf auf die Seite des inzwischen abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch gestellt, der sich gegenwärtig in Russland aufhält. Quelle: REUTERS
Doch stehen die Ukrainer nicht geschlossen gegen die russische Invasion. Auf der Krim gibt es eine bedeutsame pro-russische Bewegung. Das Parlament in Kiew hatte vor kurzen ein Sprachengesetz abgeschafft, das besonders die russische Minderheit - auch auf der Krim - geschützt habe, so Russlands Außenminister Tschurkin. Quelle: REUTERS
Die Ukraine hat die Streitkräfte auf der Halbinsel Krim in Alarmbereitschaft versetzt. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk erklärte aber, sein Land werde sich nicht durch russische Provokationen in einen militärischen Konflikt ziehen lassen. Quelle: AP
Trotz der Militär-Invasion geht das Leben in der Krim aber weiter. Vor einer Lenin-Statue küsste sich heute ein frisch-vermähltes Paar. Quelle: REUTERS
Truppen in nicht gekennzeichneten Uniformen stehen vor einer Behörde in der Kleinstadt Balaklava vor den Toren Sevastopols. Lediglich ein Enblem auf einem der Fahrzeuge zeigt, dass es sich um Mitglieder des russischen Militärs handelt. Quelle: AP
Die Lage auf der Krim ist trotz diplomatischer Bemühungen auch am Sonntagmorgen weiter angespannt. Barack Obama hat in der Nacht eineinhalb Stunden mit Putin telefoniert und zum Truppenabzug aufgefordert. Doch der russische Präsident hält weiter Stellung auf der Krim. Quelle: AP

Das Amtsenthebungsverfahren gegen den geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch, das hoffentlich rechtsstaatlich durchgeführt werden wird, ist weit von einem befriedigenden Abschluss entfernt. Deswegen sind auch die angesetzten Neuwahlen, zu denen es keine Alternative gibt, von rechtlichen und ethischen Zweifeln überschattet.

Jedenfalls ist die Tatsache, dass der Westen jetzt zu einem nur noch Gebrüll zu nennenden Gedrohe und Geschimpfe und Geschnaube angesetzt hat, vordergründig peinlich. Die Krim, mehrheitlich von Russen oder russisch stämmigen Bürgern bewohnt, hat am 16.3.2014 eine demokratisch machtvolle Revolution erlebt. In dem kurzfristig anberaumten Referendum entschieden sich deutlich über 95 Prozent der wahlberechtigten Bürger für einen Anschluss der Ukraine an Russland. Die Wahlbeteiligung lag bei demokratisch hohen 80 Prozent.

Nun hat nicht die Ukraine als Ganze über die Abspaltung der Krim demokratisch entschieden, sondern es haben nur die betroffenen Bürger der Krim für eine Loslösung von der Ukraine votiert, aber was soll ein Staatsvolk, das sein Staatsgebiet kraft seines Staatswillens für selbstständig erklären möchte anderes tun, als den Separationswillen auf höchst demokratische Weise zum Ausdruck zu bringen?

Völkerrecht ist keine absolute Institution

Um auf das Gebrüll zurück zu kommen: Von Obama bis zu allen EU-Regierungschefs tönt es im Brustton der Überzeugung: Völkerrechtswidrig, völkerrechtswidrig, völkerrechtswidrig! Das viel gequälte Völkerrecht hört allerdings ohnehin in seiner Bedeutung auf, wo Staaten Atomwaffen haben und ergo machen, was sie wollen und es hört da auf, wo die großen Rohstoffvorräte beginnen. Nein, das Völkerrecht ist, wie jedes Recht keine absolute Institution, sondern ein Machtfaktor der Auslegung. Und der Westen hat sich zu der Auslegung des Völkerrechts zusammen gefunden, dass das vom russischen Regierungschef Putin anberaumte Referendum auf der Krim völkerrechtswidrig wäre. Na bitte!

Die militärische Einmischung des Westens 1998 im untergegangenen Jugoslawien war nach allgemeiner Einschätzung völkerrechtswidrig. Aber nach ebenso allgemeiner Auffassung war diese durch die höhere Menschlichkeit des konkreten Militäreinsatzes, der die Menschenrechtsverletzungen in Jugoslawien beenden sollte, legitimiert.

Obama ist gescheitert

Obamas Nahostpolitik darf man, milde ausgedrückt, als gescheitert bezeichnen und dies von Anbeginn seiner ersten Amtszeit an. Der von ihm angeführte Militärschlag gegen Libyen ist nicht einmal durch Opportunitätsgesichtspunkte zu rechtfertigen gewesen. Und übrigens: Nicht alles, was die Uno oder der Uno-Sicherheitsrat beschließen, ist deswegen substanziell völkerrechtskonform, allenfalls formaljuristisch. Wer sich anschaut wie Uno-Beschlüsse zustande kommen, der kommt schnell ins Grübeln. Handelt es sich vielleicht um Völkerrecht a la Carte?  

Sanktionen und noch ne Sanktion sollen jetzt her, um Russland in die Knie zu zwingen und das Referendum auf der Krim zu ignorieren, so will es die Öffentlichkeit.

Wie kann es nur angehen, wo es doch im Westen inzwischen Konsens ist Putin für einen Wiedergänger des Teufels zu erachten, dass zwei Millionen Krimbürger ihre Stimme für Putin abgegeben haben? Die Krimbürger müssen völkerrechtswidrig sein! In toto! Von oben bis unten! Sonst hätten sie doch gewusst, dass das nun gar nicht geht.

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