Beziehung zu Russland Die EU in der Sanktionszwickmühle

Russland ist ein wichtiger Exportpartner für die EU, allen voran für Deutschland. Trotzdem hat die Bundesregierung den Ton verschärft. Auf dem Baltikum ist man längst bereit, wirtschaftliche Einbußen in Kauf zu nehmen.

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Nach dem Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine über der Ost-Ukraine, hat sich der Ton zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin wieder verschärft. Dabei exportiert Deutschland EU-weit die meisten Waren ins größte Land der Welt. Quelle: dpa

Brüssel Für jeden der 28 EU-Staaten steht etwas anderes auf dem Spiel, wenn es um harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland geht. Insgesamt exportierte die EU im vergangenen Jahr Waren im Wert von 120 Milliarden Euro gen Osten. Der Löwenanteil entfiel davon mit rund 36 Milliarden Euro auf Deutschland. Trotzdem hat die Bundesregierung nach dem mutmaßlichen Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs über der Ostukraine den Ton gegenüber der Regierung in Moskau deutlich verschärft..

Für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau spielt Russland eine wichtige Rolle. Auch hiesige Autos und Chemie-Produkte stehen bei russischen Kunden ganz oben auf der Hitliste. Rund 300.000 deutsche Arbeitsplätze sind vom Handel mit Russland abhängig, rechnet der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft vor. Russland wiederum exportiert nach Deutschland vor allem Rohstoffe und petrochemische Produkte. Bisher hatte Deutschland im Chor der 28 EU-Staaten eher eine Vermittlerrolle eingenommen, doch trotz der wirtschaftlichen Risiken scheint es damit nun vorbei zu sein.

Am lautesten haben sich Großbritannien, Polen und Schweden für harte Strafmaßnahmen gegen Russland eingesetzt. Die drei Länder exportieren zusammen weniger nach Russland als Deutschland, wären also von Sanktionen in geringerem Maße betroffen. In Großbritannien zog Premierminister David Cameron zuletzt Kritik auf sich, weil er sich für ein EU-Waffenembargo gegen Russland stark machte, seine Regierung aber zahlreiche Waffengeschäfte mit Russland genehmigte.

Die Angelegenheit ist für Cameron auch deshalb delikat, weil er Anfang der Woche den milliardenschweren Verkauf von Kriegsschiffen aus Frankreich nach Russland scharf verurteilt hatte. Die französische Regierung wiederum beharrt darauf, zumindest einen fertiggestellten Hubschrauberträger wie vertraglich vereinbart nach Russland zu liefern. Für Frankreich kommt es nun darauf an, wie ein mögliches Waffenembargo der EU ausgestaltet wird.


Baltische Staaten nehmen Verluste in Kauf

Eine Sonderrolle nehmen die baltischen Staaten ein, in denen die Erinnerung an die Sowjet-Herrschaft noch besonders präsent ist. Litauen, Estland und Lettland pochen besonders hartnäckig auf Sanktionen, obwohl ihre Handelsbeziehungen zu Russland eng sind. Fast drei Viertel der Getränke- und Tabak-Exporte aus Lettland gehen nach Russland, während Litauen ein Drittel seiner produzierten Lebensmittel und Nutztiere ins Nachbarland liefert. Doch die baltischen Staaten wollen sich auch wirtschaftlich schon länger unabhängiger von Moskau machen. Die Hinwendung zum Westen untermauert Litauen im kommenden Jahr, wenn es Estland und Lettland in die Eurozone folgt.

Auf der anderen Seite standen bisher Staaten wie Italien, die mit den Folgen der Euro-Schuldenkrise kämpfen. Nach Deutschland liefert Italien die meisten Waren gen Russland, 2013 waren es fast elf Milliarden Euro. Das südeuropäische Land verkauft vor allem Industriegüter und chemische Erzeugnisse - also solche Produkte, die von der auf Rohstoffe fokussierten russischen Wirtschaft besonders dringend gebraucht werden.

Auch die Niederlande, deren Exporte acht Milliarden Euro umfassen, standen lange auf der Bremse, wenn es um eine härtere Gangart gegenüber Moskau ging. Nach dem Tod von 193 Niederländern bei der Flugzeug-Katastrophe in der Ukraine und dem Verhalten der prorussischen Separatisten hat sich die Haltung der Regierung in Den Haag aber geändert.

Zypern ist wie Italien nicht glücklich über die härtere Haltung der EU. Von den 94 Milliarden Dollar, die Russen 2013 außerhalb des Landes investiert haben, landeten nach UN-Angaben elf Milliarden Dollar auf Zypern. Im vergangenen Jahr mussten auch reiche Russen Verluste hinnehmen, als die Eurozone Anleger mit großem Guthaben bei zyprischen Banken für das milliardenschwere Hilfspaket für das Euro-Land zur Kasse bat. Noch mehr Geld als auf Zypern landete von reichen Russen allerdings auf den britischen Jungferninseln: Vergangenes Jahr waren es 61,7 Milliarden Dollar.

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