Bilanz des US-Präsidenten "Obama hat sich selbst überschätzt"

Die Bilanz des US-Präsidenten zum Ende der Amtszeit? Durchwachsen, findet US-Experte Martin Thunert - und kritisiert auch Obamas Untätigkeit in Syrien und gegenüber dem IS. Ein Interview über seine Stärken und Schwächen.

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Quelle: Bloomberg

WirtschaftsWoche Online: Herr Thunert, Sie und Tobias Endler schildern in Ihrem neuen Buch, wie Obama einst seine Prioritäten in der Außenpolitik in nur wenigen Worten beschrieb: „Bloß keinen Mist bauen.“ Ist ihm das gelungen?

Herr Martin Thunert: Obama hat zumindest immer sehr vorsichtig agiert. Nach den acht Jahren unter George W. Bush, seinem Vorgänger, ist das auch verständlich gewesen. Ein Großteil der US-Amerikaner hatte genug vom Irakkrieg. Obama wurde schließlich auch für sein Versprechen gewählt, nicht nur den Irak-, sondern auch den Afghanistaneinsatz zu beenden. Deswegen ist der Ansatz der Schadensbegrenzung nachvollziehbar. Das Problem aber ist: In der Außenpolitik kann Nicht-Handeln auch Mist verursachen…

… und zur Eskalation des Syrien-Krieges und dem Aufstieg von Terroristen, wie dem IS, führen.

Richtig. Das ist sicherlich die größte Kritik, die sich Obama gefallen lassen muss. Nicht nur von den politischen Gegnern, sondern auch aus dem eigenen Lager. Hillary Clinton oder Ex-Verteidigungsminister Leon Panetta haben angedeutet, dass sie mehr Führungsstärke in einer frühen Phasen des Syrien-Konflikts von Obama erwartet hätten. Zum Verhängnis ist dem US-Präsidenten geworden, dass er rote Linien gezogen hat – aber nicht reagiert hat, als der syrische Präsident Baschar al-Assad diese überschritten hat. Das hat ihn Glaubwürdigkeit gekostet.

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Barack Obama ist – obwohl er 2009 den Friedensnobelpreis erhalten hat – nun wahrlich kein Pazifist. In Afghanistan hat er die Truppen zeitweise aufgestockt, den Drohnenkrieg seines Vorgängers hat er weitergeführt und ausgeweitet. Warum war er ausgerechnet im Nahen Osten so zurückhaltend?

Zwei Antworten: der Nahe Osten als Erdöllieferant ist für die USA heute aufgrund der Eigenproduktion weniger wichtig als vor 10 oder 20 Jahren. Noch wichtiger: Die Obama-Regierung hatte zu Beginn der Präsidentschaft ganz klar das Ziel, sich nicht in neue Konflikte hineindrängen zu lassen. Man wollte nicht länger Weltpolizist sein und den Krisen und Konflikten hinterhereilen. Stattdessen wollten der Präsident und seine Mannschaft eine konstruktive Außenpolitik machen. Sie wollten etwas Neues und Nachhaltiges schaffen. Etwa Frieden zwischen Israel und Palästina. Das sah 2009 auch vielversprechend aus, ist später aber gescheitert. Dennoch: mit dem Iran-Nuklearabkommen, dem Schwenk nach Asien, dem transpazifischen Handelsabkommen und dem Ende des Kuba-Boycotts ist man in diese konstruktive Richtung gegangen.

„Entzauberung: Skizzen und Ansichten zu den USA in der Ära Obama“ Quelle: PR

In Erinnerung bleibt eine Rede von Obama an der Universität von Kairo, als er auf die muslimische Welt zugegangen ist. Hat der US-Präsident das Image seines Landes nachhaltig verbessern können?

Ja, ich denke schon, dass Obama das Ansehen der USA in vielen Teilen der Welt – mit Ausnahme des Nahen Ostens und Russlands – verbessert hat. Obama hat sich sehr bemüht, die Wogen insbesondere zu den muslimischen Ländern zu glätten und das Schwarz-Weiß-Denken seines Vorgängers zu beenden. Unter Bush waren die USA nur noch in ganz wenigen Ländern der Welt gut angesehen. Mir fallen spontan Israel und Indien als enge Freunde ein. Aber sonst? Inzwischen wird Amerika in vielen Ländern eher wieder positiv gesehen.

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