Bildungspleite Amerikas Studenten stehen vor dem kollektiven Bankrott

Schon jetzt stecken die US-Studenten tiefer in den roten Zahlen als alle Kreditkarteninhaber des Landes zusammen. Anbieter von Studienkrediten profitieren. Droht nach der Immobilien- nun die Bildungsblase zu platzen?

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Als weltweit renommierte Universität ist Georgetown ein teures Pflaster.

Washington Es sind noch eineinhalb Jahre, drei Semester: Dann wird Brian Hurd eines der begehrten Abschlusszeugnisse der Eliteuniversität Georgetown in den Händen halten – und eine höfliche Aufforderung von Amerikas größtem Studienkreditgeber Sallie Mae doch bitte seine 124.256 Dollar Schulden plus Zinsen möglichst bald zurückzuzahlen. Gleich drei verschiedene Kredite hat Hurd aufgenommen, um Studium und Leben in der US-Hauptstadt Washington D.C. finanzieren zu können. Der höchste Zinssatz beträgt acht Prozent. „Natürlich hängen meine Studienkredite immer wie ein Damoklesschwert über mir. Das erhöht den Druck“, sagt der 27-Jährige auf dem Weg in die Bibliothek. „Ich bin nicht die Ausnahme. Fast jeder hier auf dem Campus ist bis über beide Ohren verschuldet.“

Bis Ende dieses Jahres, so verkünden Wirtschaftsexperten der New Yorker Notenbank, werden die Schulden aus Studienkrediten die Schwelle von einer Billionen Dollar überschreiten. Schon jetzt haben amerikanische Studenten mehr Schulden als alle Kreditkarteninhaber ihres Landes zusammen. Laut US-Bildungsministerium verlassen zwei von drei US-Absolventen ihre Universität mit Schulden – von durchschnittlich 24.000 Dollar.

„Hinter diesen Zahlen lauern eine ganze Reihe von konkreten Problemen“, sagt Tim Ranzetta, der Gründer eines unabhängigen Beratungsunternehmens für Studienkredite. Da immer mehr Studenten nach dem Abschluss keinen Job finden, kann inzwischen jeder dritte seine Kredite nicht mehr abbezahlen.

Studenten werden so zu schlechten Schuldner, mit dramatischen Folgen: Sie können keinen Wohnungen anmieten, keine Kreditkarten beantragen und oft auch keinen neuen Job finden – denn für all das braucht man in den USA eine gute „credit history“. „Unsere Mission ist es daher, Studenten bereits früh über die Konsequenzen ihrer finanziellen Entscheidungen aufzuklären“, erklärt Ranzetta.

Inzwischen hat sich Unmut über die hohen Studiengebühren und das undurchsichtige Studienkreditsystem unter jungen Erwachsenen und in den Medien verbreitet. Mitglieder der Protestbewegung Occupy forderten einen US-weiten Rückzahlungsstreik. Ein Collegeabsolvent ließ sogar seine Rechnungen unter dem Jubel von Studenten vor laufenden Fernsehkameras in Flammen aufgehen.


Wann platzt die Bildungsblase?

Unterdessen warnen Wirtschaftsexperten vor einer Bildungsblase und der Chronicle titelte: „Ist die Bildungsblase, die nächste die platzt?“ Eine Analogie zur Immobilienkrise liegt nahe. In beiden Branchen, Immobilien und Bildung, sind die Preise schneller gestiegen als Inflation und Einkommen. Beide profitieren von Subventionen der Regierung. Und in beiden Fällen ermöglichen billige Kredite und Subventionen auch denjenigen Häuser und Abschlüsse, die es sich eigentlich nicht leisten können.

Um den Zorn der jungen Akademiker zu dämpfen, will US-Präsident Barack Obama jetzt Uni-Absolventen entlasten: Nur maximal zehn Prozent ihres verfügbaren Einkommens sollen sie zurückzahlen und das höchstens 20 Jahre lang. Zurzeit sind es noch 15 Prozent und 25 Jahre. Außerdem will das Büro für Verbraucherschutz nun private Anbieter von Studienkrediten durchleuchten. Das helfe nicht nur Studenten und Kreditgebern, sondern auch dem Markt insgesamt, sagte der Vorsitzende Raj Date.

Trotz seiner Schulden, die sich schon jetzt auf 30.000 Dollar belaufen, zweifelt Hurd nicht an seiner Entscheidung in Washington D.C. seinen Masterabschluss zu machen. Georgetown ist weltweit eine der renommiertesten Universitäten für sein Studienfach Internationale Beziehungen. Dafür zahlen die Studenten 63.000 Dollar im Jahr.

Das Netzwerk, das er in den nächsten Semestern aufbauen will, werde ihm helfen nach seinem Abschluss einen gut bezahlten Job zu finden, glaubt Hurd: „Notfalls muss ich eben in Krisengebiete wie Afghanistan oder Jemen, da wird besser bezahlt.“ Noch nimmt der Student seine Schulden mit Humor, es müsse eben an anderen Ecken gespart werden: „Ich gehe oft zu Vorträgen bei der Denkfabrik Brookings. Die haben mit Abstand die besten Kekse und können so manche Mahlzeit ersetzen.“

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