Doch diese Einnahmen brechen ein, denn die Wirtschaft dürfte auch dieses Jahr schrumpfen, um bis zu drei Prozent. Seit mittlerweile vier Jahren halten sich brasilianische Unternehmer mit Investitionen zurück – und Gleiches gilt längst auch für die Konsumenten, die oft gewaltige Schulden vor sich her schieben.
So hoch ist die Inflationsrate gestiegen (Schätzung für Ende 2015: 9,1 Prozent), dass die Zentralbank gerade erneut die Zinsen erhöhte – auf 14,25 Prozent, ein weltweiter Rekord. Knappes Geld aber würgt die Konjunktur noch weiter ab. Auch Brasiliens Exporteinnahmen sinken, weil die Rohstoffpreise weltweit fallen und insbesondere China immer weniger einkauft.
Brasilien hat sich einen Teil seiner Schwäche selbst zuzuschreiben. Als die Exporteinnahmen für Erze oder Soja wegen der hohen Preise noch sprudelten, erhöhte die Regierung den Mindestlohn drastisch, weit über Inflationsniveau. Seit den Achtzigerjahren aber ist der durchschnittliche brasilianische Arbeitnehmer kaum produktiver geworden. Bislang konnte das Land dies meist kaschieren, weil viele junge Menschen in den Arbeitsmarkt einstiegen. Doch Brasiliens Gesellschaft altert rapide, das Durchschnittsalter liegt nun bei 31 Jahren – rund zehn Jahre höher als noch vor drei Jahrzehnten.
Staatsausgaben steigen weiter
Zwar hat die Präsidentin zum Jahresbeginn die Führung von Wirtschaft und Finanzen dem Ex-Banker Joaquim Levy übertragen, der früher bei der privaten Banco Bradesco 130 Milliarden Dollar Finanzeinlagen verwaltet hat. Doch auch unter ihm steigen die Staatsausgaben munter weiter.
Rousseff, die als Dissidentin während der brasilianischen Militärdiktatur gefoltert wurde, betont zwar stets, sie sei in ihrem Leben schon mit größeren Herausforderungen fertig geworden. Doch sie ist politisch schwer angeschlagen, schon wegen der sogenannten „Petrobras-Affäre“.
So heißt der Staatskonzern, aus dem bis zu zwei Milliarden Dollar an Politiker und Unternehmer geflossen sein sollen. Rund zwei Dutzend hohe Funktionäre der Rousseff-Partei sitzen deswegen in Haft oder tragen elektronische Fußfesseln. Noch ist die Präsidentin selbst nicht angeklagt – aber als Energieministerin und Aufsichtsratsvorsitzende kontrollierte sie Petrobras in den Jahren, als Milliarden verschwanden.
Kanzlerin Merkel wird bei ihren Konsultationen zu diesen Problemen wohl höflich schweigen. Dennoch könnten die Probleme rasch auf die Tagesordnung kommen. Mit deutscher Hilfe entstand rund 190 Kilometer südwestlich von Rio de Janeiro nämlich ein großes Atomkraftwerk, das nun für rund vier Milliarden Euro einen weiteren Reaktor erhalten soll.
Dieser entspricht vom Typ dem bayrischen Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, im Energiewende-Land Deutschland ist das längst abgeschaltet. Merkel wird ihrer Gastgeberin also erklären müssen, warum das so ist – und Rousseff wird sich Fragen gefallen lassen müssen, weshalb es seit Kurzem auch wieder massive Korruptionsvorwürfe rund um den Reaktorbau gibt.