Brasilien Wie ein Fleischkonzern eine Staatskrise auslöste

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In nur zehn Jahren an die Weltspitze

Bei JBS ist der Aufstieg noch erstaunlicher: Denn die drei Brüder Júnior, Joesley und Wesley bauten in nur zehn Jahren den Provinzschlachthof des Vaters zum größten Privatkonzern Brasiliens auf: JBS verkauft jährlich Steaks, Hühnerschlegel und Schweinerippen für 50 Milliarden Dollar. Die 200.000 Mitarbeiter verarbeiten täglich allein mehr als 50.000 Rinder in 150 Schlachthäusern weltweit.

Dass es dabei mitunter dubios zugehen könnte, hatte die WirtschaftsWoche bereits vor einem Jahr berichtet. Seinerzeit ging es unter anderem um Bilanzmanipulation. Der Justiziar des brasilianischen Fleischkonzerns beschwerte sich darauf per Brief, dass sein Klient zu Unrecht beschuldigt werde, „Beamten, Politikern und Managern Schmiergelder zu bezahlen und unlauter Kredit zu nehmen“. In dem Artikel stand davon kein Wort. Doch die dünnhäutige Reaktion ist aus heutiger Sicht verständlich: JBS verdankt seinen Aufstieg zum weltgrößten Fleischkonzern nach den jetzt bekannt gewordenen Details offenbar genau diesen illegalen Aktivitäten, die es vor einem Jahr noch vehement abstritt. Auch der Justiziar sagt jetzt als Kronzeuge aus.

Mehr als 80 Prozent ihres Umsatzes machen die Batistas inzwischen im Ausland. In den USA gehören ihnen die Traditionskonzerne Swift und Pilgrim’s Pride. In Russland ist JBS der größte Zulieferer für McDonald’s. In Australien kontrolliert der Konzern den Rindfleischmarkt und beliefert von dort China, Südkorea und Japan.

Die Arbeitsteilung zwischen den Brüdern verlief immer nach klaren Regeln: Wesley sondiert, Júnior verhandelt, und Joesley bezahlt. Bisher wunderte sich die Finanzelite in São Paulo, dass es dem Schulabbrecher Joesley gelang, mit dem Börsengang 2007 die finanzielle Basis für die Expansion der Gruppe ins Ausland zu legen.

Doch offenbar nutzte Joesley die Kontakte in die Politik, um in andere Branchen zu expandieren: Heute gehört der Gruppe J&F neben dem Fleischgeschäft eine Bank, ein Stromkonzern, ein Zelluloseproduzent, ein Milchprodukteverarbeiter, ein Reinigungsmittelhersteller – alles Konzerne mit Dutzenden starker Marken. Als jetzt Protestler in den sozialen Medien zum Boykott gegen JBS aufriefen, listeten sie minutenlang Markenamen auf, die man künftig nicht mehr kaufen soll – was bei der Marktdominanz gar nicht so einfach ist. Auch industrielle Abnehmer wie McDonald’s oder Burger King stehen nun vor dem Problem, wie sie ihren korrupten Zulieferer ersetzen sollen.

Die Brüder haben auch mit der Staatsanwaltschaft ihr Verhandlungsgeschick bewiesen: Joesley konnte mit seiner Gattin, einer bekannten Fernsehmoderatorin, und seinem Clan in die USA ausreisen, wo er künftig leben will. Die Brüder haben zugesagt, umgerechnet rund 60 Millionen Dollar zu zahlen, und sind frei. „Das bezahlen die aus der Portokasse“, lauten die Kommentare in São Paulo. Sie müssen nicht einen Tag in Untersuchungshaft, bekommen keine elektronischen Fußfesseln. Marcelo Odebrecht, André Esteves, Eike Batista – alle anderen prominenten Unternehmer saßen oder sitzen seit Jahren oder über Monate im Knast.

Umgerechnet 3,2 Milliarden Dollar zahlen sie als Strafe für ihren Konzern – über 25 Jahre und wertberichtigt mit der Inflation. Es ist die größte Entschädigungssumme, die je ein Konzern wegen Korruption weltweit bezahlt hat. Aber es sind auch nur 5,6 Prozent des JBS-Umsatzes des letzten Jahres. Kein Zweifel: Auch mit der Justiz haben die Batista-Brüder Verhandlungsgeschick gezeigt.

Finanziell haben Joesley und Co. vorgesorgt: Kurz bevor sein Gespräch mit dem Präsidenten veröffentlicht wurde, kaufte JBS in der Landeswährung Real eine Milliarde Dollar auf den Terminmärkten, um am Absturz der brasilianischen Währung zu verdienen. Und während der Kronzeugenverhandlungen verkauften die Batistas Aktien ihres Unternehmens, bevor diese abstürzten. Geschätzter Gewinn aus den zwei Transaktionen: 300 Millionen Dollar. Vermutlich brauchen die Batistas nicht einmal in die Portokasse zu greifen für ihre individuellen Entschädigungszahlungen.

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