Brasilien Millionen protestieren gegen Präsidentin Rousseff

Wirtschaftskrise, Korruptionsvorwürfe, obskure Wahlkampffinanzierung: Viele Brasilianer wenden sich mit Grauen von ihrer Regierung ab - und von der gesamten politischen Klasse.

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Viele Brasilianer wenden sich mit Grauen von ihrer Regierung ab. Quelle: REUTERS

Massive regierungskritische Straßenproteste in Brasilien haben den Druck auf Präsidentin Dilma Rousseff erhöht. In 200 Städten des Landes gingen nach Schätzungen der Polizei rund drei Millionen Menschen auf die Straße. Sie forderten Rousseffs Rücktritt wegen Korruptionsermittlungen und der schwersten Rezession seit Jahren.
Gegen die seit dem Jahr 2011 amtierende Staatschefin läuft ein Amtsenthebungsverfahren. Hintergrund sind Vorwürfe finanziellen Missmanagements in einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten. Außerdem ist Rousseff angezählt wegen des Korruptionsskandals um den staatlichen Ölkonzern Petrobras. Das Oberste Wahlgericht untersucht Unregelmäßigkeiten bei der Finanzierung ihres Wahlkampfes. Das könnte dazu führen, dass Rousseffs Wiederwahl von 2014 für ungültig erklärt wird.
Rousseff hat aber bereits erklärt, sie werde nicht zurücktreten. Wer nicht konkret nachweisen könne, dass ein gewähltes Staatsoberhaupt die Verfassung verletzt habe, solle auch nicht nach dessen Amtsverzicht rufen, sagte sie. Einige Experten meinen dennoch, weil sie so isoliert sei, werde sie wohl kaum bis zum Ende ihrer zweiten Amtszeit Ende 2018 im Amt bleiben.

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Die Demonstranten machten deutlich, dass sich ihr Ärger nicht nur gegen Rousseff und ihre Arbeiterpartei richtet, sondern gegen die gesamte politische Klasse an sich. „Natürlich will ich, dass Rousseff rausgeschmissen wird“, sagte die 75-jährige Demonstrantin Maria de Lima Pimenta in Rio, wo laut den Organisatoren allein rund eine Million Menschen protestierten. „Aber dann kommt das Problem, wer wird sie ersetzen? Sie sind alle Gauner“, fügte sie hinzu.
Rousseff würdigte in einer Stellungnahme den „friedlichen Charakter“ der Demonstrationen vom Sonntag. Dies zeuge von der Reife eines Landes, das es verstehe, mit verschiedenen Meinungen umzugehen und Gesetze und Institutionen zu respektieren, erklärte sie.

Die Organisatoren des Protests betonten, dass die Bewegung nicht mit den Oppositionsparteien in Verbindung stehe. Dennoch nahmen mehrere Spitzenpolitiker teil, darunter Aecio Neves, der Rousseff bei der jüngsten Wahl knapp unterlegen war, und der Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin. Gegen sie wurden Buhrufe laut. Der Petrobras-Skandal hat mehrere Politiker der Arbeiterpartei erfasst, darunter auch Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva. Dieser war vor Tagen kurz festgenommen und verhört worden. In einem anderen Fall war am Mittwoch Anklage wegen Geldwäsche gegen Lula erhoben worden.

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