Brasilien Das Denkmal Lula bröckelt

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„So fangen die Staatsstreiche an“

Dann überschlugen sich seit Mittwoch die Ereignisse in Brasilien. Ein Telefon-Mitschnitt eines Gesprächs zwischen Rousseff und Lula wurde an die Medien durchgestochen, er legt nahe, dass Lula nicht nur der Regierung beim Überwinden der Rezession helfen, sondern vor allem vor Attacken der Justiz geschützt werden soll. Denn als Minister hat er das Privileg, dass nicht mehr sein Gegner Moro, sondern nur der oberste Justizgerichtshof für das weitere Vorgehen zuständig wäre.

Ein Bundesrichter - der in Opposition zur Regierung steht - stoppte per Eilentscheidung vorläufig den Wechsel in das sicherere Terrain der Regierung. Die Regierung legte Berufung ein - ein Schwebezustand.

Einmal superreich, heute pleite: Diese Milliardäre stehen in Brasilien für Aufstieg und Fall

Symptomatisch in diesen Tagen, wo alles möglich scheint. „So fangen die Staatsstreiche an“, meint Rousseff mit Blick auf das Durchstechen des Telefonats. Lula sagt darin am Ende: „Tschau Querida“, „Ciao, meine Liebe“. Die beiden sind in ihrem Schicksal aneinander gekettet - dem schwer in die Krise geratenen Projekt einer Regierung, die die Armut von Millionen Menschen verringert, droht ein bitteres Finale. Die Menschen gehen auf die Straße und rufen beiden zu: Weg mit Euch.

Es ist auch ein bedrohlicher Konflikt der Gewalten: Hier die Judikative, da die Exekutive. Vizepräsident Michel Temer vom wichtigsten Koalitionspartner, der Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB), blieb Lulas Ernennung fern, viele rechnen mit einem baldigen Koalitionsbruch. Und im Abgeordnetenhaus hat sich eine 65-köpfige Sonderkommission für eine Amtsenthebung der bis 2018 gewählten Rousseff gebildet, darin sitzen auch Abgeordnete, die auch unter Korruptionsverdacht stehen.

Regiert wird kaum noch, dabei ist die Wirtschaft 2015 um 3,8 Prozent eingebrochen, es gibt über 9,1 Millionen Arbeitslose, Staatsanleihen werden von den Ratingagenturen nur noch auf Ramschniveau bewertet - das Ausfallrisiko ist also groß.

Dann ist da noch die mysteriöse Zika-Epidemie und im August finden in Rio die ersten Olympische Spiele Südamerikas statt. Interessant: Die Börse in São Paulo verzeichnete am Donnerstag den stärksten Anstieg seit sieben Jahren - weil ein Ende der Regierung erwartet wird? Es ist aber längst nicht nur eine Krise der PT, der Präsident des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha von der PMDB, soll fünf Millionen Dollar Schmiergeld kassiert und in der Schweiz gebunkert haben.

Aber Lula hatte nun mal hohe moralische Ansprüche. Es findet derzeit eine massive Vorverurteilung statt - daher wandte sich Lula nun verzweifelt mit einem offenen Brief an das Volk: Seine Privatsphäre, die seiner Frau, der Kinder sei durch illegal weitergegebene Informationen verletzt worden. „Ich erwarte lediglich Gerechtigkeit.“

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