Brexit Die teuerste Scheidung der Welt

Nach dem britischen Schatzkanzler Osborne und US-Präsident Obama warnt nun auch die Industrieländer-Organisation OECD vor den finanziellen Folgen eines möglichen Brexit: Jeden Briten könnte dies ein Monatsgehalt kosten.

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Würde der Brexit zur teuersten Scheidung der Welt? Folgt man den Argumenten der Ökonomen, lässt dieser Eindruck kaum mehr vermeiden. Quelle: dpa

London Es ist ein Weckruf, der eigentlich nicht zu überhören ist. Denn die Zahl der Mahner ist ebenso lang wie prominent. Großbritannien werde im Falle eines EU-Austritts „dauerhaft ärmer“, warnte erst vor gut einer Woche der britische Finanzminister George Osborne. Dann folgte ein beherztes Plädoyer von US-Präsident Barack Obama für den Verbleib Großbritanniens in der EU – und nun schlägt auch die Industrieländerorganisation OECD in diese Kerbe.

Ein „Brexit“ wäre ein „schwerer negativer Schock“ für die britische Wirtschaft mit Folgen für Europa und die anderen OECD-Staaten, warnte am Mittwoch OECD-Generalsekretär Angel Gurria dem britischen BBC-Radio. Ein Brexit ist wie „eine Steuer.“ Die Auswirkungen entsprächen dem Verlust eines Monatsgehalts über vier Jahre gerechnet. „Anschließend geht es genauso weiter. Es gibt einen konstanten Verlust.“

Wird der Brexit zur teuersten Scheidung der Welt? Folgt man den Argumenten der Ökonomen, lässt dieser Eindruck kaum mehr vermeiden. Seit Wochen schon beschäftigen sich britische Ökonomen mit nicht viel anderem als den möglichen Folgen eines britischen Austritts aus der Europäischen Union.

Der Großteil kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Ein britischer aus der EU wäre mit schweren wirtschaftlichen Schäden für das Vereinigte Königreich verbunden. Der Handel, der Immobilienmarkt und auch der Bankenstandort London wären stark betroffen. Die OECD-Warnung ähnelt den Zahlen, die der britische Schatzkanzler Osborne erst vor wenigen Tagen in einer 200-seitigen Analyse zu den möglichen Folgen eines Brexit vorgestellt hatte. Tritt Großbritannien tatsächlich aus der EU aus, wird die Wirtschaft des Landes den Prognosen des Schatzkanzlers zufolge bis 2030 um rund sechs Prozent schrumpfen, britische Familien hätten in diesem Fall im Schnitt jährlich rund 4300 Pfund, rund 5400 Euro, weniger Einkommen zur Verfügung.

Die Antwort der Brexit-Befürworter auf den jüngsten Vorstoß der OECD ließ nicht lange auf sich warten. Sie taten die Berechnungen ab, wie die auch die übrigen Prognose gerne vom Tisch wischen: als reine Angstmacherei. So nannten die Brexit-Befürworter die OECD-Prognose prompt „fadenscheinig“. Doch die Debatte um einen EU-Austritt von Großbritannien gewinnt neun Wochen vor dem wichtigen Referendum allmählich an Fahrt – und an Schärfe.

Am 23. Juni entscheiden die Briten, ob sie der EU weiterhin angehören möchten. Der Ausgang dieses sowohl für Großbritannien wie Europas existenziellen Votums ist allerdings weiter ungewiss. Das Land ist in dieser wichtigen Frage tief gespalten. Brexit-Befürworter und – Gegner liegen Kopf-an-Kopf, bei noch rund 10 bis 20 Prozent Unentschlossenen – die die Abstimmung letztlich entscheiden können.

Doch ganz spurlos scheint der Auftritt der prominenten Mahner vor einem Verlassen der EU nicht an der britischen Bevölkerung vorbei zu gehen. Zumindest bei den britischen Buchmachern gilt ein Austritt Großbritanniens aus der EU derzeit als so unwahrscheinlich wie lange nicht mehr.

Wer gegen den Brexit wettet, dem bietet die Online-Wettbörse Betfair derzeit eine Quote von 3 für 10: Für einen Einsatz von zehn Pfund erhält man im Gewinnfall 13 Pfund zurück – vor wenigen Wochen war die Gewinnchance noch deutlich besser. Der britische Premierminister David Cameron, dessen politisches Schicksal mit der Abstimmung verbunden ist, wird das sicher nicht ungerne hören. Wetten, dass?

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