Brexit-Gespräche EU-Außenminister mahnen zur Eile

Ein Jahr nach dem Brexit-Votum der Briten haben die Gespräche über den EU-Ausstieg Großbritanniens begonnen. Bis 2019 soll eine Vereinbarung unter Dach und Fach sein. London geht geschwächt in die Verhandlungen.

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EU-Chefunterhändler Michel Barnier (r) und der britische Brexit-Minister David Davis geben am 19.06.2017 bei ihrer Ankunft in Brüssel Statements ab. Ein Jahr nach dem Brexit-Votum beginnen in Brüssel die Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Brüssel Erstmals verhandelt die Europäische Union über den Austritt eines Landes aus der Staatengemeinschaft. EU-Chefunterhändler Michel Barnier und der britische Brexit-Minister David Davis begannen ihre Gespräche am Montagvormittag in der Brüsseler Zentrale der EU-Kommission. Barnier sagte, er hoffe, in der ersten Verhandlungsrunde einen Zeitplan für die weiteren Gespräche zu erarbeiten, um den EU-Rat Ende dieser Woche darüber informieren zu können. Ziel sei es zudem, die Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen, die sich durch den Brexit ergeben hätten.

Davis erklärte, seine Regierung strebe eine neue, tiefe und besondere Partnerschaft mit der EU an. „Es gibt mehr, was uns verbindet, als uns trennt.“ Man werde alles für eine Einigung tun, die im besten Interesse aller Bürger sei, sowie in positiver und konstruktiver Art und Weise miteinander reden. Am Abend wollen Davis und Barnier eine gemeinsame Pressekonferenz geben.

Bis Ende März 2019 sollen eine Vereinbarung über die Trennung und Eckpunkte für die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU unter Dach und Fach sein. Die britische Regierung geht nach der Wahlschlappe der Konservativen von Premierministerin Theresa May geschwächt in die Verhandlungen. Spekulationen über eine Neuausrichtung der Brexit-Politik erteilte London aber eine Absage. May will ihr Land nicht nur aus der EU, sondern auch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion führen und stattdessen ein besonderes Freihandelsabkommen abschließen.

Unmittelbar vor Beginn der Verhandlungen hatten mehrere EU-Außenminister zur Eile in den Gesprächen aufgerufen. „Es ist jetzt ein Jahr, dass dieses Referendum stattgefunden hat“, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn mit Blick auf die britische Entscheidung für einen EU-Austritt im Juni 2016. „Die Zeit läuft davon.“ Man müsse den in den EU-Verträgen festgesetzten Tag des Brexits Ende März 2019 im Blick haben. Bei der ersten Verhandlungsrunde am Montag in Brüssel werde es nach seiner Einschätzung zunächst nur ein Abtasten beider Seiten geben.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte vor dem regulären Treffen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg: „Man darf diesen Zustand, der im Moment herrscht, nicht ewig in die Länge ziehen, sondern der Brexit muss abgewickelt werden.“ Er werde sich für eine Lösung einsetzen, die es weniger attraktiv mache, außerhalb der EU zu sein als innerhalb.

Der britische Außenminister Boris Johnson, der vehement für den Abschied seines Landes aus der EU geworben hatte, sagte, man müsse in die Zukunft schauen. Es gehe um „die tiefe und besondere Partnerschaft, die wir mit unseren Freunden bilden wollen“.

Derweil warnen Experten Großbritannien davor, dass der Brexit die Wirtschaft des Königreichs ausbremsen könnte. Wenn die Freizügigkeit der Arbeitnehmer wegfalle und es keinen Plan für einen Ersatz geben, könnte niedrig- und hochqualifiziertes Personal knapp werden, betonten das Nationale Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR) und das auf Personalentwicklung spezialisierte CIPD-Institut.

„Wenn die Regierung kein nutzerfreundliches, flexibles und bezahlbares Einwanderungssystem für EU-Bürger nach dem Brexit anbietet, ... dürfte eine bedeutende Zahl von Arbeitgebern gezwungen sein, ihren Firmensitz zu verlagern oder sich auf künftiges Wachstum außerhalb Großbritanniens zu fokussieren“, sagte CIPD-Arbeitsmarktexperte Gerwyn Davies. Mit Beginn der Brexit-Verhandlungen am Vormittag sei noch immer ziemlich unklar, wie das britische Immigrationssystem nach einem EU-Austritt aussehen werde.

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