Brexit Schottlands zweiter Versuch

Die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon droht seit dem Brexit-Votum mit einem erneuten Unabhängigkeitsreferendum. Jetzt fällt der Startschuss dafür. Die Abstimmung könnte frühestens im Herbst 2018 anstehen.

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Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon strebt wegen des Brexits ein neues Referendum über die Unabhängigkeit von Großbritannien an. Quelle: dpa

Edinburgh Ihre Stimme klingt bei weitem nicht so sicher wie sonst. Die Nervosität lässt sich nicht verhehlen, als Nicola Sturgeon am Montag eine der wohl wichtigsten Reden in ihrer politischen Karriere hält. „Es ist wichtig, dass Schottland mit Blick auf seiner Zukunft die Wahl hat“, sagt die schottische Ministerpräsidentin „und das zu einem Zeitpunkt, wo die Optionen klarer sind als jetzt, es aber noch nicht zu spät ist zu entscheiden, welchen Weg man einschlägt.“

Deshalb will Sturgeon jetzt die Vorbereitungen für ein erneutes Referendum in Schottland in Gang setzen – mit einem klaren Ziel: Die Menschen im Norden der Insel sollen zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 über ihre Unabhängigkeit entscheiden, kurz vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU. In einem ersten Schritt will Sturgeon sich nächste Woche das grüne Licht des schottischen Parlaments für ihre Pläne holen.

Dies wäre die zweite Volksabstimmung über Schottlands Zukunft im Königreich innerhalb von knapp fünf Jahren. Beim dem Referendum im Herbst 2014 haben 55 Prozent der Schotten für den Status quo gestimmt. Die schottische Ministerpräsidentin hat nach dem Brexit-Votum im Sommer 2016 eine erneute Abstimmung über die Unabhängigkeit der Region in die Debatte gebracht. Sie hat dieser Drohung in den vergangenen Wochen mehr Nachdruck verliehen, seitdem Großbritanniens Premierministerin Theresa May ihren Brexit-Kurs klarer festgelegt hat. Der sieht vor, dass die Scheidung von der EU mit einem Austritt aus der Zollunion und dem Europäischen Binnenmarkt einhergeht.

Ein solcher harter Brexit geht Schottland zu weit. Sturgeon will den Zugang zum Binnenmarkt behalten. Alles andere würde inakzeptable wirtschaftliche Folgen mit sich bringen und Arbeitsplätze kosten, sagte die schottische Ministerpräsidentin bereits vor einigen Monaten. Beim Brexit-Votum haben mehr als 60 Prozent der Schotten für Europa gestimmt.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May will bis Ende März das offizielle Austrittsgesuch Großbritanniens in Brüssel einreichen. Dann beginnen die auf zwei Jahre angelegten Scheidungsgespräche, so dass das Land im Frühjahr 2019 die EU verlassen könnte.

Der Brexit bedrohe die schottische Wirtschaft, betonte Sturgeon in ihrer Rede am Montag. Und sie werde nicht einfach tatenlos zusehen. „Jetzt nichts zu tun und auf das Beste zu hoffen, ist nicht die richtige Option“, sagte sie – zumal sich May in keiner Form kompromissbereit zeige und nicht signalisiere, dass sie die schottischen Interessen berücksichtigen werde. Daher sei es wichtig, einen Plan zu haben und über sein eigenes Schicksal entscheiden zu können.

Schottland braucht für ein erneutes Referendum aber die grundsätzliche Zustimmung der britischen Regierung. Diese wollte sich dazu am Montag nicht eindeutig äußern, nur so viel: Die britische Regierung wolle in Gesprächen mit der EU eine Lösung finden, die für ganz Großbritannien funktionieren werde und man werde die Interessen aller Landesteile berücksichtigen, hieß es in einer Stellungnahme. Und weiter: Ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum in Schottland wäre polarisierend und würde große wirtschaftliche Unsicherheit zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt erzeugen.

Beobachter gehen davon ab, dass May den Schotten grünes Licht für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum geben, aber versuchen wird, dieses hinauszuschieben. Sturgeon gab sich gestern zuversichtlich, dass bei einer erneuten Abstimmung, eine Mehrheit der Bürger die Abspaltung Schottlands vom Rest des Königreichs gutheißen würde. Die Umfragen dazu sind derzeit allerdings nicht so eindeutig. Bei einer Umfrage, deren Ergebnisse am Montag vorgelegt wurden, sprachen sich 52 Prozent der Schotten für den Verbleib im Königreich aus und 48 Prozent dagegen.

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