Brexit-Streit um Gibraltar „Da hat jemand die Nerven verloren“

Großbritannien ist erbost über den Vorschlag, Spanien ein Vetorecht bei Entscheidungen über Gibraltar einzuräumen. Eine bizarre Folge des Brexits – ein Ex-Vorsitzender der Tories sieht gar Parallelen zum Falkland-Krieg.

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Das britische Überseegebiet Gibraltar wird erneut zum Streitpunkt zwischen Spanien und Großbritannien. Quelle: dpa

London Nicht einmal eine Woche ist es her, dass die britische Premierministerin Theresa May offiziell den Austritt aus der Europäischen Union (EU) angekündigt hat. Nun wird diskutiert, ob man gegen ein anderes EU-Mitglied in den Krieg ziehen würde. Es geht um Gibraltar, einen gerade einmal 6,5 Quadratkilometer großen Felsen an der Spitze der iberischen Halbinsel, um den sich England und Spanien schon jahrhundertelang streiten.

Vor dem Wochenende hatte die EU einen Entwurf für die Verhandlungsleitlinien an die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten verschickt. Darin steht der Passus: „Wenn das Vereinigte Königreich die Union verlässt, darf kein Abkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich ohne Einverständnis zwischen dem Königreich Spanien und dem Vereinigten Königreich auf das Gebiet von Gibraltar angewandt werden.“ Spanien würde so ein Vetorecht erhalten.

Das sei eine „Intrige“ Spaniens, echauffierte sich Gibraltars Regierungschef Fabián Picardo daraufhin, und ein „schändlicher Versuch Spaniens“, die EU für ihre eigenen Interessen zu nutzen. Die Obsession Spaniens, in Gibraltars wieder das Sagen zu haben, sei einer der Gründe, weswegen die Bevölkerung der britischen Exklave mit so überwältigender Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt habe.

Tatsächlich hatten im vergangenen Juni bei dem EU-Referendum 96 Prozent der Wähler in Gibraltar für „Remain“ gestimmt, gerade einmal 823 der rund 30.000 Einwohner waren für den Austritt aus der EU. Es wäre undenkbar, dass Spanien die Hoheit über Gibraltar erhalte, legte Picardo am Montagmorgen im britischen Fernsehen nach: „Das wäre, als ob man den Finanzdistrikt von London an Deutschland übergäbe.“

In London steht man hinter ihm: „Wir werden niemals Vereinbarungen treffen, denen zufolge die Bevölkerung von Gibraltar gegen ihren freien und demokratisch geäußerten Willen unter die Herrschaft eines anderen Landes gestellt“ werde, erklärte die britische Premierministerin Theresa May postwendend. Auch Außenminister Boris Johnson betonte die Souveränität des Felsen und die „felsenfeste Unterstützung für Gibraltar“. Und das, stellte Verteidigungsminister Michael Fallon klar, bedeute, dass man das Territorium schützen werde, mit allen Mitteln.


Spanien ist pikiert – und provoziert

Für Aufsehen sorgte jedoch vor allem die Erklärung von Michael Howard, einem Politiker aus Mays Tory-Partei, der bis 2005 Vorsitzender der britischen Konservativen war. Der 75-Jährige zog angesichts der aktuellen Situation Parallelen zum Falkland-Krieg, der am 2. April 1982 begonnen hatte und bei dem 900 argentinische und britische Soldaten starben.

Auch da ging es um eine kleine Insel mit 3.000 Einwohnern. „Ist es nicht ein bemerkenswertes Zusammentreffen, dass vor 35 Jahren eine andere Premierministerin eine Einsatztruppe um die halbe Welt geschickt hat, um die Freiheit einer anderen kleinen Gruppe von Briten zu verteidigen gegen ein anderes spanisch sprechendes Land?“, sagte Howard im britischen Fernsehen. „Ich bin absolut sicher: Unsere jetzige Premierministerin wird die gleiche Entschlossenheit zeigen, um den Einwohnern von Gibraltar beizustehen.“

Der damalige Schattenminister von Howard, Labour-Politiker Jack Straw, wies die darauf kursierenden Spekulationen um einen bevorstehenden Krieg jedoch zurück. Die Äußerungen von Howard seien „absurd“, sagte er im britischen Fernsehen. Und auch Politik-Professor Wyn Grant von der Universität von Warwick beruhigt. „Es wird nicht zum Krieg kommen“, sagt er im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Es wird Verhandlungen geben, die werden nicht einfach – aber Krieg? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen“. Die Situation, die zum Falkland-Krieg geführt habe, sei vollkommen anders gewesen. Die Gemüter würden sich wieder beruhigen, prognostiziert er.

In Spanien zeigte man sich am Montag pikiert. Er sei überrascht über den Ton, den einige Briten angeschlagen hätten, sagte der spanische Außenminister Alfonso Dastis vor Journalisten. „Ich denke, da hat jemand in Großbritannien die Nerven verloren. Dafür gibt es aber keinen Grund.“

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