Brexit Verhärtete Fronten

Vor dem Beginn der Brexit-Verhandlungen präsentiert die EU ihre Forderungen selbstbewusst und klar formuliert. Drei Punkte will sie in der ersten Phase der Verhandlungen durchsetzen.

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Der Beauftragte der EU-Kommission für die Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich gibt sich bei Kernthemen der EU undiplomatisch. Quelle: dpa

Brüssel EU-Chefverhandler Michel Barnier beginnt in englischer Sprache, doch das ist die einzige Konzession, die er an das Vereinigte Königreich macht an diesem Vormittag in Brüssel. „Großbritannien wird sehr viel Energie aufwenden müssen, um drei Probleme zu lösen“, warnt der Franzose.

Erstens: Die Rechte der auf der britischen Insel lebenden EU-Bürger. Sie müssten ihre derzeitigen Rechte – Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Bildungs- und Gesundheitssystem – auch nach dem Brexit lebenslang behalten.

Zweitens: Die Finanzen. Großbritannien müsse „allen finanziellen Verpflichtungen, die es als EU-Mitglied eingegangen ist, nachkommen“.

Drittens: Die Schlichtungsinstanz. Wenn es nach dem Brexit zum Streit über Bürgerrechte oder britische Zahlungen kommen sollte, soll der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden und die Briten müssten dessen Urteil akzeptieren.

Barnier wiederholt damit Forderungen, welche die EU-27 bereits seit Monaten stellt. Aber er tut nicht nur das: Stellvertretend für die EU erhöht er den Druck. Inzwischen verlangt sie, dass die Briten nach dem Brexit bis zu 100 Milliarden Euro in den EU-Haushalt einzahlen. Bislang war von bis zu 60 Milliarden die Rede gewesen. Barnier selbst nennt die Zahl 100 zwar nicht, dementiert sie aber auch nicht. Die EU und Großbritannien müssen sich über einen Fälligkeitsplan für die Zahlungen einigen, und zwar unwiderruflich. Erst wenn das geschehen sei, werde man mit den Briten über ein neues Freihandelsabkommen sprechen, so Barnier.

Die Botschaft trägt er sehr nachdrücklich vor. Schließlich will die britische Premierministerin Theresa May davon bislang gar nichts wissen. Großbritannien schulde dem Rest der EU nichts, sagte die Regierungschefin bei einem inzwischen berühmt gewordenen Abendessen vergangene Woche in London. Anwesend waren neben May ihr Brexit-Minister David Davis, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, sein Chefverhandler Barnier sowie einige wenige Spitzenbeamte, darunter Junckers Kabinettschef Martin Selmayr. Es spricht viel dafür, dass letzterer pikante Details dieses Abends an die Presse durchgestochen hat – aus britischer Sicht keine vertrauensfördernde Maßnahme.

So spielen beide Seiten ihre Rolle hart. Kurz vor Beginn der Verhandlungen ist die Atmosphäre angespannt, die Nervosität wächst. Es komme jetzt darauf an, mit „kühlem Kopf“ nach Lösungen zu suchen, zumal für die Verhandlungen nur noch 16 Monate Zeit blieben, warnt Barnier. Man gewinnt den Eindruck, dass sich diese Mahnung auch an die eigenen Leute richtet. Denn egal ob ein Vertrag zustande kommt oder nicht: Das Vereinigte Königreich verlässt die EU auf jeden Fall am 29. März 2019. Im Moment könnte man meinen, dass beide Seiten den wilden Brexit sehenden Auges in Kauf nehmen – mit allen dramatischen negativen Konsequenzen für Menschen und Unternehmen. Die deutsche Wirtschaft macht sich darüber inzwischen große Sorgen – zu Recht.

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