Britische Premier May auf Tory-Parteitag Versprechen, vertrösten und versöhnen

Der B-Day rückt näher: Premierministerin Theresa May will die offiziellen Brexit-Gespräche mit der EU bis Ende März in Gang zu setzen. Wichtige Fragen bleiben beim Parteitag der Konservativen aber weiterhin offen.

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May über den Brexit: „Es wird keine unnötigen Verzögerungen geben“ Quelle: Reuters

London Ganz ohne die inzwischen so wohlbekannte Formel, mit der Theresa May all ihre Reden der vergangenen knapp drei Monate würzt, ist sie auch dieses Mal nicht ausgekommen: Brexit heißt Brexit, rief Großbritanniens Premierministerin der Menge beim Parteitag der Konservativen in Birmingham am Anfang ihrer mit Spannung erwarteten Rede zu. Doch dieses Mal legte sie mehr nach als sonst.

Das Land werde nicht später als im März 2017 die offiziellen Austrittsgespräche mit der EU in Gang setzen, kündigte sie an. „Es wird keine unnötigen Verzögerungen geben“, versprach sie und setzte ihre Ankündigungen sogleich fort: Man werde EU-Recht auf der Insel aufheben. „Die Gültigkeit dieser Vorschriften wird enden.“ Und man werde Brexit zu einem Erfolg machen, versprach sie. Die Parteimitglieder quittierten das mit lang anhaltendem Applaus.

Gerade mal zehn Minuten dauerte diese Rede. May bestätigte darin den groben Brexit-Zeitplan, den sie bereits wenige Stunden zuvor in Medieninterviews enthüllt hatte. Damit nimmt Großbritanniens Abschied aus der EU jetzt konkretere Formen an: Geht alles nach dem von May skizzierten Plan, könnte das Land im Frühjahr 2019 der Staatengemeinschaft den Rücken kehren.

Schon bald will May zudem ein Gesetz ins Parlament einbringen, durch das EU-Recht auf der Insel aufgehoben werden soll. Auch das stellte sie am Sonntag in Aussicht. Dieses Gesetz soll im Frühjahr nächsten Jahres bei der Thronrede der Queen vorgestellt werden und dann zur Abstimmung ins Parlament gehen. In Kraft treten soll es allerdings erst, wenn Großbritannien tatsächlich aus der EU ausgeschieden ist.

Mit diesen Ankündigungen hat May auf den zunehmenden Druck der Brexit-Anhänger reagiert, den Abschied aus der Staatengemeinschaft nicht zu verzögern. Eine andere Forderung ist dagegen bisher unerfüllt geblieben: Vor allem internationale Unternehmen, die in Großbritannien ein wichtiges Standbein haben, wollen mehr Klarheit darüber, wie die neuen Beziehungen zwischen Brüssel und London aussehen werden. Sie fordern einen sanften Brexit, bei dem die Dinge im wesentlichen so bleiben, wie sie sind – und sprechen sich gegen eine radikale Variante aus, die beispielweise den Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt beenden und die Einwanderung deutlich begrenzen würde.

Beim Parteitag versuchte May dafür eine Kompromisslinie zu finden: „Manche Leute behaupten, es gebe einen Zielkonflikt zwischen den Zugang zum Binnenmarkt und der Akzeptanz der Freizügigkeit“, sagte die Premierministerin. Sie selbst sehe das so nicht. Großbritannien werde tun, was im besten Interesse des Landes sei.

Ende Juni haben 52 Prozent der Briten in einem Referendum für einen Brexit gestimmt. Das hat zum Rücktritt des damaligen Premiers David Cameron geführt. May, einst Innenministerin unter Cameron, zog im Juli in die Downing Street ein.


„Cameron hat Vertrauen in die britische Bevölkerung gehabt“

Vor ihr liegt jetzt eine der schwersten Aufgaben, die ein britischer Premier hatte: das Land aus der EU zu führen und dabei sehr viele unterschiedliche Interessen zu vereinigen. May versuchte daher in ihrer Parteitagsrede auch abseits des Brexits einige Versprechen zu erneuern, die sie bereits bei ihrem Antritt im höchsten Regierungsamt gegeben hatte – allen voran: Man wolle der großen Mehrheit dienen und nicht den wenigen Privilegierten im Lande.

Auch gegenüber Cameron, von dem sie sich zuletzt eher abzugrenzen versuchte, schlug sie versöhnliche Töne an: „Diejenigen, die sagen, es sei ein Fehler gewesen, das Referendum abzuhalten, will ich sagen: Er hat Vertrauen in die britische Bevölkerung gehabt.“ Und er habe sich aufgeopfert, um der Öffentlichkeit zu dienen.

Die Reaktionen auf ihre Rede fielen gegensätzlich aus. Die Ankündigung bringe Klarheit mit Blick auf den Beginn der Austrittsverhandlungen, erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk über den Kurznachrichtendienst Twitter. Einige Tory-Parteimitglieder wie Anna Soubry halten Frühjahr 2017 dagegen für zu früh, um mit den Gesprächen loszulegen. Denn das sei vor den Wahlen in Frankreich und in Deutschland, sagte sie in einem Fernsehinterview. Es dürfte daher sehr schwierig werden, sich einen guten Deal zu sichern.

Kritik kam auch von der oppositionellen Labour-Partei. Es sei nicht weit her mit der Klarheit, für die May eigentlich sorgen wollte, sagte der Labour-Politiker Jon Ashworth. Sie habe „warme Worte“ von sich gegeben, aber keine klaren Antworten auf die drängen Probleme des Landes geliefert – und schon gar keine Details.

Vor allem die lautstarken Brexit-Befürworter in ihrer Partei wie Brexit-Minister David Davis begrüßten dagegen den Zeitplan und die Gesetzesinitiative, EU-Recht auf der Insel außer Kraft zu setzen. Parallel dazu wird das Land zunächst EU-Vorschriften in nationales Recht überführen und sich erst nach und nach von Gesetzen verabschieden, die man als missliebig empfinde. Dieses Vorgehen werde im Land für größtmögliche Stabilität sorgen, betonte May, und Arbeitern, Konsumenten, der Wirtschaft und auch internationalen Verbündeten Sicherheit geben.

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