Bruttoinlandsprodukt Polen ist europäische Spitze

Trotz der weltweiten Krise bleibt Polen dank einer starken Binnenwirtschaft auf Wachstumskurs und gewinnt Selbstvertrauen.

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Slawomir Skrzypek Ist Polens Quelle: REUTERS

Vom Euro, den die Polen spätestens 2012 einführen wollen, ist das größte der 2004 beigetretenen EU-Länder weit entfernt. Zu heftig waren die Wechselkursausschläge der osteuropäischen Währung im Zeichen der weltweiten Krise: Vor einem Jahr noch notierte der Zloty bei 3,28 Euro, inzwischen sind es 4,16, der Wertverlust liegt bei mehr als 20 Prozent. Mitte März 2009 waren es sogar fünf Euro, als die meisten Banker in London und Frankfurt meinten, das hoch verschuldete Osteuropa sei für Westeuropa ungefähr dasselbe wie die Subprime-Darlehen für die Wall Street.

Davon ist, was Polen angeht, keine Rede mehr. Nationalbankpräsident Slawomir Skrzypek ist heute vielleicht der mit sich und der Welt zufriedenste Notenbankgouverneur in Europa. Mit den Banken hat es in Polen keinen Absturz gegeben, mit dem Zloty geht es so langsam wieder bergauf, der polnische Export blieb dabei robust.

Lob vom US-Ökonomen Nouriel Roubini

Für seine Politik hat Skrzypek ein dickes Lob geerntet, ausgerechnet von dem hochgerühmten New Yorker Ökonomen Nouriel Roubini, dem Propheten des weltweiten Finanzcrashs: „Polen profitiert davon, dass die Nationalbank in den Krisenmonaten Anfang 2009 die Zinsen unverändert ließ, statt wie andere Osteuropäer mit Zinserhöhungen den Kursverfall zu bekämpfen.“

Und so wird der unscheinbar wirkende 46-jährige Skrzypek zum Star des Wirtschaftsforums im südpolnischen Ferienort Krynica. Seit dem Ende des Kommunismus bemüht sich hier jedes Jahr die Wirtschaftselite Osteuropas, das Davoser Weltwirtschaftsforum zu kopieren. Immer noch ein Davos für Arme, solange Polens Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit gut 17.000 Dollar pro Kopf nicht einmal die Hälfte des deutschen beträgt. Doch wenn es so weitergeht wie in diesem Krisenjahr, könnte sich die Kluft schneller schließen, als es irgendjemand beim EU-Beitritt der Polen vor fünf Jahren prognostiziert hat.

Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in europäischen Ländern in den ersten beiden Quartalen 2009

Gut fürs Selbstwertgefühl der Polen: „Unser Land wird Schweden und Belgien beim BIP in diesem Jahr überholen“, verkündet in Krynica Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak. Natürlich kein ganz seriöser Vergleich – Polen hat 38,5 Millionen Einwohner, Schweden 9 und Belgien weniger als 11 Millionen. Aber davon abgesehen sieht Pawlak die Gründe für das kleine Wirtschaftswunder an der Weichsel richtig: Neben der klugen Geldpolitik der Nationalbank ist „der Binnenkonsum der Schlüsselfaktor für unser Wachstum“.

Spätestens seit dem EU-Beitritt 2004 – verbunden mit Fördermillionen aus Brüssel, die ganz besonders der Wählerklientel von Pawlaks Bauernpartei auf die Sprünge helfen – sinkt in Polen die Arbeitslosigkeit, und die Kauflust steigt.

Binnennachfrage nimmt zu

Es gibt zwar immer noch um die zehn Prozent Arbeitslose, aber seit 2004 ist diese Quote um fast die Hälfte gesunken. Die Konsumfreudigkeit der Polen zeigt sich in allen Schichten: Arme Bauern können sich erstmals vernünftige Häuser bauen und entsprechend einrichten, das anspruchsvollere Publikum flaniert auf Warschaus angesagter Einkaufsmeile Nowy Swiat, aber auch auf entsprechenden Straßen in Krakau oder Posen, wo es etwas weniger kostet und die Shopping-Touristen aus dem Osten Deutschlands schwer zu überhören sind. Diese Binnennachfrage macht auch die Stärke der polnischen Wirtschaft aus, denn der Exportanteil am polnischen BIP betrug vor der Krise nicht mehr als 26 Prozent, weniger als bei den Nachbarn Tschechien und Slowakei.

Richtige Klagen hört der Besucher in Krynica nur bezüglich einer einzigen einheimischen Branche: Fußball. Am Abend haben Manager das blamable 0:3 ihrer Nationalmannschaft gegen Slowenien erlebt. In Südafrika bei der Weltmeisterschaft werden die Polen nicht dabei sein. „Schon gut, dass wir als Gastgeber wenigstens für die Europameisterschaft 2012 automatisch qualifiziert sind“, seufzt ein BWL-Professor aus Warschau.

So wird es doch was mit Euro 2012.

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