"Buffett-Steuer" Obama startet den Klassenkampf

US-Präsident Barack Obama nimmt Warren Buffetts Vorlage dankend an – und will im Senat eine Reichensteuer durchsetzen. Das bringt dem Haushalt wenig, kommt aber beim Wähler gut an.

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Star-Investor Warren Buffett liefert US-Präsident Barack Obama eine Steilvorlage für den Wahlkampf. Quelle: dapd

Ist es fair, wenn eine Sekretärin einen höheren Steuersatz zahlt als ein Börsen-Milliardär? Nein, sagt Star-Investor und Multi-Milliardär Waffen Buffett. Er rechnete im Herbst 2011 vor, dass er zuletzt 6,93 Millionen US-Dollar an Steuern zahlen musste, das seien 17,4 Prozent seines Einkommen gewesen. Jeder andere Angestellte in seinem Büro, etwa seine Sekretärin Debbie Bosanek, musste mehr zahlen, im Schnitt rund doppelt so viel.

Der Grund: Die Steuersätze für Kapitaleinkünfte liegen in den USA unter denjenigen für Arbeitseinkommen. Davon profitiert auch Obamas mutmaßlicher Herausforderer, der Republikaner Mitt Romney. Der ehemalige Geschäftsführer des Private-Equity-Unternehmens Bain Capital musste im Januar eingestehen, 2010 auf sein Einkommen von 21,7 Millionen Dollar nur einen Steuersatz von 14 Prozent gezahlt zu haben.

Win-Win-Situation für Obama

Zu wenig, finden nicht nur Warren Buffett und Barack Obama, sondern auch viele Republikaner – und laut Umfragen rund 60 Prozent der Bevölkerung. Der US-Präsident nimmt die Vorlage von Star-Investor Buffett nun dankbar auf. Der Senat soll heute über eine Reichensteuer für Millionäre abstimmen. Demnach sollen alle US-Bürger, die mehr als eine Million US-Dollar im Jahr verdienen, effektiv 30 Prozent Steuern zahlen.

Obama kann die Abstimmung gelassen verfolgen, er steht vor einer Win-Win-Situation, um in der Finanzsprache zu bleiben. Erstens stehen die Chancen gut, dass der Vorstoß im Senat angenommen wird. Barack Obama könnte im folgenden Wahlkampf darauf verweisen und unterstreichen, dass er der einzige Kandidat ist, der für soziale Gerechtigkeit kämpf.

Macht die Steuer volkswirtschaftlich Sinn?

Was aus Obamas Wahlversprechen wurde
Die Schließung von Guantánamo Die USA zogen nach den Anschlägen vom 11. September in den „Krieg gegen den Terror“ – und verloren ihren moralischen Kompass. So wurde unter anderem der US-Navy-Stützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba um ein Internierungslager erweitert, indem in Spitzenzeiten mehr als 1000 Insassen festgehalten wurden. Ohne Gerichtsverfahren, ohne ihre Rechte als Kriegsgefangene. Laut FBI-Bericht wurden Häftlinge und deren Angehörige bedroht, mit Schlafentzug mürbe gemacht und mit Koran-Schändungen provoziert. Und: Waterboarding, eine Verhörmethode, bei der der Eindruck des Ertränkens erzeugt wird, sei regelmäßig angewendet worden, so das FBI. „Wir werden Guantánamo schließen“, versprach Barack Obama im Wahlkampf 2007/2008. Quelle: dapd
Die Schließung von Guantánamo Unmittelbar nach seiner Vereidigung zum US-Präsidenten ließ Barack Obama alle laufenden Militärgerichtsverfahren gegen Insassen des kubanischen Lagers für 120 Tage aussetzen, um sie zu überprüfen. Zudem ordnete er die Schließung des Militärgefängnisses auf Guantánamo Bay innerhalb eines Jahres an. Dazu ist es nie gekommen. Zuerst verweigerte der Senat die Bewilligung von Geldern zur Schließung, anschließend gibt es weder im In- noch im Ausland große Bereitschaft, die Gefangenen aufzunehmen. Noch heute werden mindestens 170 Gefangene auf Guantánamo Bay festgehalten, Obamas Wahlversprechen ist gescheitert. Quelle: AP
Eine Krankenversicherung für alle Amerikaner Es ist – zumindest aus europäischer Sicht – unvorstellbar, dass noch 2009, zu Beginn von Barack Obamas Amtzeit, 47 Millionen US-Bürger keine Krankenversicherung besitzen. Arztbesuche können sich diese Menschen nicht leisten; immer wieder bieten Ärzte in Stadt- und Turnhallen ehrenamtlich Massen-Untersuchungen an, um eine Grundversorgung zu gewährleisten. Zustände, wie in einem Entwicklungsland. Barack Obama will das ändern. Er verspricht, sich an eine Gesundheitsreform zu wagen, an der vor ihm bereits sieben Präsidenten gescheitert sind. Eine Krankenversicherung soll keine Ausnahme für Wohlhabende mehr sein. Quelle: dpa
Eine Krankenversicherung für alle Amerikaner Nach zwei Jahren und unzähligen Verhandlungen gelingt Barack Obama im März 2010 sein größter innenpolitischer Erfolg: Nach dem Senat billigte auch das Repräsentantenhaus mit 219 zu 212 Stimmen seine Gesundheitsreform. Sie ist im Vergleich zu Obamas Entwurf abgemildert. Aber: 32 Millionen bislang unversicherte Amerikaner werden bis 2013 eine Absicherung im Krankheitsfall bekommen. Damit wären dann 95 Prozent aller US-Bürger krankenversichert. Die Kosten für den Staat belaufen sich nach Schätzungen der unabhängigen Budget-Behörde in den kommenden zehn Jahren auf rund 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro). Sie sollen durch Steuererhöhungen von Besserverdienenden größtenteils gedeckt werden. Quelle: Reuters
Beendigung des Irak-KriegsSchon früh lehnte Obama einen Krieg gegen den Irak ab. „Ich weiß, dass eine Invasion im Irak ohne klare Begründung und ohne starke internationale Unterstützung nur die Feuer des Nahen Ostens anfachen wird, die schlechtesten statt der besten Antriebe der arabischen Welt fördern und den Rekrutierungsarm der al-Qaida stärken wird“, sagte der damals noch weitgehend unbekannte Obama 2002 bei einer Antikriegskundgebung. „Ich bin nicht gegen alle Kriege. Ich bin gegen dumme Kriege.“ Für ihn ist im Wahlkampf fünf Jahre später klar: Der (falsche) Irak-Krieg muss beendet werden. Quelle: Reuters
Beendigung des Irak-KriegsIm Februar 2009, Obama ist gut vier Wochen im Amt, kündigt er den Abzug der US-Truppen innerhalb von 18 Monaten an. Noch im Sommer 2009 verlassen die ersten Kampftruppen die irakische Hauptstadt Bagdad, Ende August 2010 ziehen die restliche Truppen ab. Nur noch wenige US-Soldaten sind zum Schutz der Botschaft und zur Ausbildung des Militärs im Land. Quelle: dpa
Bekämpfung der Staatsschulden Im Wahlkampf 2008 rissen die USA die Schuldengrenze von 10 Billionen US-Dollar. Die beiden Kriege in Afghanistan und im Irak, sowie Steuersenkungen und Konjunkturprogramme hatten die Staatsverschuldung in die Höhe schießen lassen. Obama versprach im Wahlkampf, die Ausgaben stärker zu überwachen und Staatsschulden abzubauen, indem staatliche Einnahmeneinbußen durch Einsparungen in anderen Haushaltsetats ausgeglichen werden. Quelle: dpa

Zweitens wollen die Demokraten genau hinschauen, wie sich die Republikaner verhalten. Jede Gegenstimme gegen die „Buffett-Steuer“ würde Munition für den Wahlkampf liefern. Obamas Sprecher, Jay Carney, gab die Richtung bereits vor. „Jeder Senator, der seine Stimme abgibt, muss sich entscheiden, ob es Millionäre und Milliardäre geben darf, die niedrigere Steuern zahlen als Amerikaner aus der Mittelschicht“, erklärte Carney vorab. „Und dann müssen sie ihren Wählern erklären, warum sie gegen eine Mindeststeuer sind.“

Als Wahlkampf-Mittel – und als Symbol für soziale Gerechtigkeit – taugt die Reichensteuer bestens, doch macht sie auch volkswirtschaftlich Sinn? Fest steht: Eine Millionärssteuer würde gerade einmal 0,3 Prozent der US-Bevölkerung treffen, das sind weniger als 455.000 Steuerzahler.

Keine Entlastung der Staatskasse

Viel Geld werden die US-Millionäre im nächsten Jahrzehnt damit nicht in die leeren Staatskassen spülen. Der Kongress hat errechnet, dass die Buffett-Steuer in den kommenden zehn Jahren gerade einmal 47 Milliarden US-Dollar einbringen wird, weniger als ein Prozent des 6,4 Billionen US-Dollar großen Defizits, das die USA im gleichen Zeitraum wohl anhäufen werden.

Alan Viard, US-Ökonom am American Enterprise Institute, einem konservativen Think-Tank, warnt zudem, dass die Reichensteuer Investitionen in Forschung und Bildung abwürgt. Millionäre würden deutlich weniger Geld spenden. Dabei sind in den USA Universitäten, Start-Ups und kommunale Einrichtungen traditionell auf freiwillige Beiträge der Bürger angewiesen.

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