Bundesbank-Forderungen Das Risiko trägt der deutsche Steuerzahler

Die anhaltende Diskussion um die milliardenschweren Forderungen, die die Bundesbank seit Beginn der Finanzkrise gegenüber dem Euro-System aufgebaut hat, reißt nicht ab. Die Frankfurter Währungshüter sahen sich daher gestern zu einer Stellungnahme veranlasst, in der sie betonten, dass die Forderungen von 325,5 Milliarden Euro „kein eigenständiges Risiko“ darstellten.

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Die Auslandspositionen der Deutschen Bundesbank

Die Diskussion hatte sich an der Meldung der WirtschaftsWoche entzündet, dass die Forderungen der Bundesbank gegenüber dem Euro-System seit Beginn der Finanzkrise drastisch in die Höhe geschnellt sind. Auf Anfrage der WirtschaftsWoche hatte die Bundesbank dies zunächst lapidar mit „krisenbedingte Verschiebungen in den Zahlungsströmen und im Refinanzierungsverhalten der Banken im Euro-Raum“ begründet.  Am Dienstag schoben die Währungshüter eine im typischen Bundesbanker-Deutsch verschwurgelte Erklärung nach. Darin begründen sie den Anstieg der Forderungen mit dem stark angeschwollenen Aktivsaldo im Target-2-Zahlungssystem. Dieses System dient dazu, den Zahlungsverkehr der am Euro-System beteiligten nationalen Notenbanken untereinander abzuwickeln.

Die Story, die dahinter steckt, ist folgende: Im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat eine Kapitalflucht aus den Krisenländer im Süden der Euro-Zone nach Deutschland eingesetzt. Viele Griechen, Iren und Portugiesen fürchten offenbar, nach einen Zusammenbruch der Währungsunion ihr Erspartes zu verlieren und haben daher ihre Gelder auf Konten deutscher Banken überwiesen.

Die Geschäftsbanken der Krisenländer haben die Überweisungen über ihre Zentralbanken abgewickelt, die dafür das Target-2-System nutzten. Über die Europäische Zentralbank, die als eine Art Clearing-Stelle fungierte, floss das Geld an die Bundesbank, die dadurch Forderungen gegenüber dem Euro-System aufbaute. Die Frankfurter Währungshüter haben die Gelder an die deutschen Banken weitergeleitet, die sie auf den Konten der Griechen, Portugiesen und Iren gutschrieben. Weil den deutschen Geschäftsbanken auf diesem Weg Zentralbankgeld zufloss, konnten sie ihre Refinanzierungsgeschäfte bei der Bundesbank zurückfahren. Dagegen ist den Geschäftsbanken der Krisenländer Zentralbankgeld verloren gegangen. Denn sie mussten für die Überweisungen ihr Zentralbankkonto belasten.

Downgrade der Sicherheiten

Um sich neues Zentralbankgeld zu besorgen, haben sie ihre Refinanzierungsgeschäfte mit ihrer nationalen Notenbank ausgeweitet. Das Eurosystem, so schreibt die Bundesbank, habe „im Rahmen seiner geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte dieses veränderte Nachfrageverhalten durch eine Reihe operativer Maßnahmen gestützt“.  Damit aber gingen die Probleme so richtig los. Denn die nationalen Notenbanken des Euro-Systems stellen den Geschäftsbanken nicht nur unbegrenzt jede gewünschte Menge an Zentralbankgeld zur Verfügung. Sie haben auch die qualitativen Anforderungen an die Sicherheiten für die Leihgeschäfte nach unten geschraubt.

Die Schrottpapiere zahlt der Bürger

So akzeptieren die Notenbanken auch Ramschanleihen wie Staatspapiere Griechenlands als Sicherheit. Zwar stellen sie dabei einen Abschlag vom Nennwert der Papiere in Rechnung. Sollten die griechischen Staatsschulden jedoch umstrukturiert werden - wovon die meisten Experten ausgehen - könnte der damit verbundene Forderungsausfall die Notenbanken zwingen, ihren Wertpapierbestand abzuschreiben. Die dabei anfallenden Verluste werden über die Bilanz der EZB konsolidiert – und sozialisiert. Denn jede einzelne Notenbank des Euro-Systems ist am Gewinn und Verlust der EZB nach Maßgabe ihres Kapitalanteils beteiligt. Dieser liegt für die Bundesbank bei 28 Prozent.

"Die hohen Forderungen der Bundesbank verwundern mich sehr", sagt Manfred J.M. Neumann, emeritierter Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften und Wirtschaftspolitik an der Universität Bonn und einer der profiliertesten Geldtheorethiker in Deutschland.  Das Target-2-System sei ursprünglich dazu gedacht gewesen, die Abwicklung der Zahlungen durch Tageskredite zu erleichtern, die bis zum Ende des Tages getilgt sind. Neumann: "Größere dauerhafte Salden waren da nicht vorgesehen. Die Europäische Zentralbank und die Bundesbank sollten hier schleunigst einen Riegel vorschieben. Über das Target-2-System haben offenbar eine Reihe von Banken der Euro-Länder einen neuen Refinanzierungskanal gefunden - anstatt sich Kredite im Rahmen der üblichen EZB-Auktionen zu besorgen. Das ist nicht sauber."

Auch wenn die Target-2-Forderungen der Bundesbank kein eigenständiges Risiko darstellen – die Kapitalflucht aus den Krisenländer hat den Refinanzierungsbedarf der Geschäftsbanken dort kräftig erhöht und immer mehr Schrottpapiere in die Bilanzen der Notenbanken befördert. Für die Verluste daraus bürgt letztlich auch der deutsche Steuerzahler - und sei es nur anteilig.

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