Bundespräsident auf Staatsbesuch Gauck in China eingetroffen

Die Erwartungen an den Bundespräsidenten sind groß. Sein erster Staatsbesuch in China wird von Appellen begleitet, sich für verfolgte Bürgerrechtler und Anwälte einzusetzen. Gauck muss eine schwierige Balance schaffen.

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Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt bei der Ankunft auf dem Flughafen von Peking. Quelle: dpa

Peking Bundespräsident Joachim Gauck ist zu einem Staatsbesuch in China eingetroffen. In der Hauptstadt Peking trifft er am Montag mit Staatspräsident Xi Jinping, Ministerpräsident Li Keqiang sowie weiteren Repräsentanten von Staat und Regierung zusammen. Es ist das erste Mal, dass Gauck die Volksrepublik besucht. Er wird von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet.

Der fünftägige Besuch in Peking, Shanghai und Xi'an gilt als eine der wichtigsten Auslandsreisen des Bundespräsidenten in seiner bisher vierjährigen Amtszeit. Gauck muss die schwierige Balance schaffen, einerseits die Beziehungen zu China nicht zu gefährden, andererseits aber auch seinen Überzeugungen und seiner Biografie als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und Anti-Kommunist treu zu bleiben.

Gauck, der mit seiner 60-köpfigen Delegation am Sonntag in Peking eintraf, wird von der neuen Menschenrechtsbeauftragten Bärbel Kofler (SPD) begleitet. Er wird am Montag mit Staats- und Parteichef Xi Jinping und Regierungschef Li Keqiang zusammentreffen. Auch sind Gespräche mit Künstlern, Schriftstellern und Vertretern von Religionen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geplant. Der letzte Besuch eines Bundespräsidenten in China liegt schon sechs Jahre zurück.

Neben der Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen wolle Gauck auch über Defizite bei Bürgerrechten und im Umweltschutz sprechen, hieß es aus dem Präsidialamt. Auch das umstrittene NGO-Gesetz, mit dem die Regierung in Peking Tätigkeiten ausländischer Organisation und Stiftungen stärker kontrollieren will, dürfte Thema sein. Ferner dürften internationale Konflikte wie mit Nordkorea und die Ansprüche Chinas auf Inselgruppen im Südchinesischen Meer zur Sprache kommen.

Gemeinsam mit Präsident Xi wird Gauck das „Deutsch-Chinesische Jahr für Schüler- und Jugendaustausch 2016“ eröffnen. In Peking besucht Gauck die zentrale Parteischule. In Shanghai spricht er vor Studenten der Tongji-Universität. In Xi'an trifft er Vertreter christlicher und muslimischer Religionsgruppen. Menschenrechtler riefen Gauck auf, sich auch für Glaubensfreiheit und verfolgte Minderheiten einzusetzen.


Menschenrechtler appellieren an den Präsidenten

Menschenrechtler haben den Bundespräsident aufgerufen, sich bei seinem Staatsbesuch für verfolgte Bürgerrechtler und Anwälte einzusetzen. „Die internationale Gemeinschaft sollte nicht schweigen“, sagte der bekannte Menschenrechtsanwalt Mo Shaoping in Peking. „Schweigen ist Duldung.“

Auch der Anwalt Shang Baojun sagte, er hoffe, dass Gauck die Verfolgung ansprechen werde. „Es ist sehr wichtig für diejenigen, die im Gefängnis sitzen.“ Menschenrechtsgruppen riefen Gauck ferner auf, sich für mehr Glaubensfreiheit in dem Land einzusetzen.

„Wir hoffen, dass Bundespräsident Gauck den chinesischen Führern von seinen Erfahrungen als früherer Bürgerrechtler in der DDR berichten kann – und wie wichtig es für eine Regierung ist, abweichende Meinungen zu hören und freie Meinungsäußerung zu respektieren“, sagte Patrick Poon von Amnesty International.

Die Familie und der Anwalt der freigelassenen Journalistin und Deutsche-Welle-Mitarbeiterin Gao Yu äußerten die Hoffnung, dass sich Gauck auch für die Ausreise der kranken 71-Jährigen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland einsetzen kann. „Es ist dringend“, sagte ihr Bruder Gao Wei. „Sie hat kein Einkommen und kann keinen Arzt sehen.“ Gao Yu leidet unter anderem an chronischen Herzproblemen.

Die renommierte Journalistin war 2014 festgenommen und im April 2015 wegen angeblichen Verrats von Staatsgeheimnissen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Nach deutschem und internationalem Druck wurde ihr im November Haftverschonung gewährt. Doch darf sie nicht nach Deutschland ausreisen, obwohl sie Reisepass und Visum hat.

Menschenrechtsgruppen kritisierten eine Verfolgungswelle seit vergangenen Sommer. Mehr als 300 Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien, Menschenrechtsaktivisten und Familienmitglieder seien verhört, festgenommen, unter Hausarrest gehalten, an der Ausreise gehindert worden oder verschwunden, berichtete die Hongkonger Interessengruppe für Menschenrechtsanwälte (CHRLCG). Rund 30 würden noch festgehalten. Davon seien 19 formell in Haft, so dass ihnen Anklage drohe.

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