Bundespräsident in Israel Steinmeier legt Kranz an Arafats Grab nieder und trifft Abbas

Erst Israel, dann die Palästinenser – das hat Routine. Aber Bundespräsident Steinmeier trifft in Ramallah auf einen geschwächten Partner. Ist nun Trump dessen letzte Hoffnung?

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Der Bundespräsident am Grab von Jassir Arafat in Ramallah. Quelle: dpa

Ramallah Von Jerusalem nach Ramallah sind es nur wenige Kilometer. Für Palästinenser kann die Fahrt auch mal eine Stunde dauern, denn die Sicherheitskontrollen sind strikt. Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Delegation geht es schneller, aber auch sie müssen an der Grenze ihre Fahrzeuge wechseln. Dahinter Schrott und Müll, aber auch Obst- und Gemüsestände, weiße Neubauten und ein paar Hotels. Auf den Hügeln sind streng gesicherte israelische Siedlungen zu sehen.

Als erster Bundespräsident legt Steinmeier an der Mukata, der Residenz von Präsident Mahmud Abbas, am Grab des legendären Palästinenserführers Jassir Arafat einen Kranz nieder. Danach begrüßt ihn Abbas, es ist wenig Zeit vor dem Rückflug Steinmeiers nach Berlin.

Abbas ist in diesen Tagen ein viel beschäftigter Mann. Vergangenen Mittwoch empfing ihn US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus, am Donnerstag trifft er den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi. Es heißt, Abbas sei geradezu euphorisiert aus den USA zurückgekommen, er hofft wohl darauf, dass der seit Jahren gelähmte Friedensprozess wieder in Gang kommen könnte. Deutsche Diplomaten sind da sehr viel zurückhaltender.

Für die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaat neben Israel hat der 82-Jährige seit jeher die Unterstützung Deutschlands, auch in Israel hat Steinmeier die Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung bekräftigt. Allerdings hat sich für die meisten Palästinenser die Lage in den letzten fünf Jahren dramatisch verschlechtert. Steinmeier trifft Studenten einer Krankenpflegeschule, die erzählen, sie würden jeden Tag auf ihrem Weg von Ost-Jerusalem nach Ramallah durch israelische Soldaten aufgehalten.

Es ist eine Welt von Mauern, Tunneln und Stacheldraht. Und der 82-jährige Präsident dieses Gebietes erscheint immer weiter geschwächt. Da ist nicht nur der sich verschärfende Bruderstreit mit der radikal-islamischen Hamas. Während Abbas mit der gemäßigten Fatah-Partei im Westjordanland regiert, herrscht die Hamas über den Gazastreifen mit seinen rund zwei Millionen Einwohnern. Der Westen setzt politisch bisher auf Abbas.

Bei einer neuen Welle palästinensischer Anschläge sind seit Oktober 2015 mehr als 40 Israelis getötet worden. In dem Zeitraum wurden rund 300 Palästinenser getötet, die meisten von ihnen von Sicherheitskräften bei ihren eigenen Anschlägen.


Scharfe Kritik an Siedlungspolitik

Die Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab und wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Ein Jahr nach der letzten Parlamentswahl 2006 hatte sie im Gazastreifen die alleinige Macht an sich gerissen. Vor dem Treffen mit Trump hatte Abbas der Hamas nun „beispiellose Maßnahmen“ angedroht, um sie zu einer Machtaufgabe zu zwingen. Er kündigte an, Israel nicht mehr für den Strom im Gazastreifen zu bezahlen. Die Menschen dort leiden seit Jahren unter massivem Energiemangel. Sie erhielten zuletzt nur noch sechs Stunden Strom pro Tag.

Menschenrechtsorganisationen wie „Breaking the Silence“ kritisieren die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland scharf. Sie wollen Israelis die dunklen Seiten der Besatzung zeigen. Israels Regierungspräsident Benjamin Netanjahu wirft ihnen vor, aufrechte israelische Soldaten als Kriegsverbrecher zu beschuldigen. Wer sich mit „Breaking the Silence“ trifft, wird inzwischen von Netanjahu ausgeladen - siehe Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).

Nachdem Steinmeier in Israel die Folgen dieses Eklats zumindest eindämmen konnte, ist sein Besuch bei Abbas in Ramallah kaum einfacher. Rund zwei Drittel der Palästinenser wollen, dass Abbas zurücktritt. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung. Fast 80 Prozent der Menschen halten die Autonomiebehörde unter seiner Führung für korrupt. Viele werfen ihm vor, keinen Nachfolger aufbauen zu wollen.

Einer, dem viele eine Einigung der Lager zutrauen, ist der Politiker und verurteilte Mörder Marwan Barguti. „Marwan Barguti ist ein Held, er besitzt eine hohe Glaubwürdigkeit unter den Palästinensern“, sagt Omar Schaban vom Pal-Think für Strategische Studien in Gaza. Der 57-jährige Barguti sitzt allerdings seit 2004 in israelischer Haft.

Mitte April hatte Barguti einen Hungerstreik von zu Anfang mehr als 1000 Gefangenen initiiert. Sie protestieren damit gegen ihre Haftbedingungen. In einem Kommentar für die „New York Times“ schrieb Barguti damals: „Israel, die Besatzungsmacht, hat fast 70 Jahre lang internationales Recht in vielerlei Hinsicht verletzt und wurde bisher nicht für seine Taten bestraft.“

Barguti soll dem Urteil zufolge noch Jahrzehnte im Gefängnis sitzen. Auf palästinensischer Seite gibt es die Hoffnung, sollte er wirklich einmal zum Präsidenten gewählt werden, müsste Israel ihn freilassen.

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