Bundespräsident in Israel Steinmeiers kritischer Besuch

Bundespräsident Steinmeier muss in Israel dafür sorgen, dass die Beziehungen nicht noch schlechter werden. Trotzdem findet er auch kritische Worte. Von Außenminister Gabriel will er sich nicht distanzieren.

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Der Bundespräsident ist im nahen Osten auf schwieriger Mission. Quelle: dpa

Jerusalem Das erste, das heitere Gesicht der deutsch-israelischen Beziehungen wird am späten Samstagabend sichtbar. Gemeinsam mit Präsident Reuven Rivlin läuft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über den Mahane Yehuda Markt in der Jerusalemer Altstadt. Eine Bar neben der anderen, wo tagsüber Obst und Gemüse verkauft werden prangt Graffiti-Kunst an Rollläden, deutsche und israelische Jugendliche in Partystimmung. Wer ist das, um den sich da die Kameras drängen? „Bestimmt irgendein Schauspieler“, sagt ein junger Typ mit Bierglas in der Hand.

Locker sollte das wirken, fast vergnügt, wie Steinmeier da zusammen mit seiner Frau Elke Büdenbender und seinem Gastgeber durch die engen Gassen geht. Was für ein Gegensatz zu den Spannungen, die das deutsch-israelische Verhältnis zuletzt vor allem ausgemacht haben. Doch davon später.

Am Sonntagvormittag erleben die Gäste aus Deutschland das dunkle, das beklemmende Gesicht der deutsch-israelischen Beziehung. In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem schreibt Steinmeier ins Gästebuch: „Unfassbare Schuld haben wir Deutsche auf uns geladen“. Die Delegation hat eben das Mahnmal für die ermordeten Kinder durchquert und einen Kranz niedergelegt.

Dabei sind Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, die einmal in dieser Position war, Verlegerwitwe Friede Springer. Auch diejenigen, die nicht zum ersten Mal hier sind, kämpfen mit ihren Emotionen. Elke Büdenbender gelingt es nicht, ihre Tränen zurückzuhalten.

Dann kommen die politischen Gespräche; nach dem Eklat beim Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel erscheint hier ein drittes, ziemlich kompliziertes Bild des Zustands der Beziehungen, die alle gerne „besonders“ nennen. Noch einmal trifft Steinmeier Rivlin, der gilt als jovialer Mann - zwar auch stramm konservativ, aber er hat gute, auch persönliche Beziehungen zu den Palästinensern. Mit ihm kann man offen reden.

Vorsichtig, aber unmissverständlich kritisiert Steinmeier die Gesprächsabsage von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Gabriel nach dessen Treffen mit zwei regierungskritischen Gruppen ausgeladen hatte. Solche Auflagen und Beschränkungen der Gesprächspartner gefährdeten das einzigartige Verhältnis beider Länder, sagt Steinmeier. Er selbst trifft Netanjahu später.


Ein diplomatischer Drahtseilakt

In einer Rede vor der Hebräischen Universität beschreibt Steinmeier relativ offen das Dilemma, den diplomatischen Drahtseilakt, der notwendig wurde, um die heiklen Beziehungen nicht weiter in die Sackgasse zu treiben. Viele hätten ihm geraten, jetzt nicht nach Israel zu kommen. „Absage, zumindest Verschiebung schien für einige die eher angemessene Haltung zu sein.“ Aber er stellt klar: „Ich habe anders entschieden.“

Schwierig war dies wohl auch deshalb, weil Steinmeier vermeiden musste, seinen Nachfolger schlecht aussehen zu lassen. Dass der damalige SPD-Vorsitzende Gabriel den Aufstieg Steinmeiers ins höchste Amt des Staates erst möglich gemacht hatte, gehört zu der komplizierten Gemengelage dazu.

Aber Steinmeier ist eben auch ein echter Freund Israels. Elf mal als Außenminister ist er schon hier gewesen, und alles zusammengerechnet schon ungefähr doppelt so oft. Er fühlt sich dem Land auch persönlich eng verbunden. 2015 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Hebräischen Universität, genau dort, wo er an diesem Sonntag seine Rede hält.

Eigentlich will Steinmeier ja wegkommen vom Image des gewieften Diplomaten und ewigen Außenministers. Andere, auch innenpolitische Schwerpunkte setzen im neuen Amt. Aber keine zwei Monate nach seinem Umzug ins Schloss Bellevue sind es genau die erprobten Fähigkeiten des Chefdiplomaten, die nun in Israel gefragt sind.

Es ging darum, aus dieser Sackgasse herauszukommen, das Spielfeld zu wechseln, wie es in seiner Umgebung hieß. Also raus aus dem Konflikt um die Frage, ob er nun wie Gabriel die Regierungskritiker von „Breaking the Silence“ trifft oder nicht. Das tut er nicht, aber er verabredet sich mit prominenten Regierungsgegnern, den Schriftstellern Amoz Oz und David Grossman, die in Deutschland hohes Ansehen genießen.

Und der Bundespräsident benennt auch den Kern des Nahost-Problems, der ja seit vielen Jahren unverändert ist. Eine „Zwei-Staaten-Lösung“ zwischen Israel und den Palästinensern sei die einzige Option, bekräftigt er. Netanjahu aber treibt den Siedlungsbau in den Palästinensergebieten voran, den nicht nur die Bundesregierung „völkerrechtswidrig“ nennt. Und die palästinensische Führung unter Präsident Mahmud Abbas ist schwach und isoliert. Am Dienstag will sich Steinmeier dort selbst ein Bild machen

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