Carsten Brzeski "Russland ist nicht groß und wichtig genug"

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"Zu Wirtschaftshilfen wird es nicht so schnell kommen"

Droht den europäischen Banken eine Vertrauenskrise, wenn massenhaft russische Schuldner ausfallen?

Einige wenige Banken könnte es  vielleicht punktuell treffen, aber die Gefahr einer allgemeinen Vertrauenskrise im Bankensektor schätze ich momentan als sehr gering ein. Die Kreditinstitute haben ihre Engagements in Russland schon zu Beginn der Sanktionen reduziert, außerdem ist das Bankensystem durch neue Regeln zur Aufsicht und Abwicklung viel sicherer geworden. Auch für die Finanzmärkte ist das Gewicht Russlands überschaubar.

Putins Folterwerkzeuge im Sanktionskrieg

Aber auch Zypern war ein Leichtgewicht.

Ja, aber die Zypernkrise hat Europas Banken auch nicht in den Abgrund gezogen. Nach einer Woche Zittern hatte sich die Lage wieder beruhigt.

Manche deutschen Politiker fordern nun Wirtschaftshilfen für Russland. Wie sinnvoll ist das aus ökonomischer Sicht?

Wirtschaftshilfen wären widersprüchlich, solange die Sanktionen weiter bestehen. Wirklich helfen könnten nur Kredite des Internationalen Währungsfonds. Diese kann es aber nur unter Auflagen geben. Für den russischen Präsidenten Putin wäre das ein Gesichtsverlust, deshalb wird es dazu nicht so schnell kommen.

Wie verlockend ist eine Staatspleite aus Sicht der russischen Regierung?

Grundsätzlich gibt es eine solche Verlockung, weil sich Regierungen auf diesem Weg schnell ihrer Verbindlichkeiten entledigen können. Die schon angesprochene niedrige Schuldenquote hat Russland auch seiner Staatsinsolvenz Ende der 1990er Jahre zu verdanken. Aber durch einen solchen Schritt würde Moskau seine Kreditwürdigkeit zerstören und deshalb bis zuletzt davor zurückschrecken.

Sie sind Chefvolkswirt einer Bank mit Hauptsitz in den Niederlanden. Wie ist die Stimmung im Land nach dem ungeklärten Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ukraine mit hunderten niederländischen Todesopfern?

Die Stimmung gegenüber Russland ist sehr nüchtern. Es gibt keinerlei Schadenfreude angesichts der russischen Krise.

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