Welche Auswirkungen hat das?
Xi spricht sich stärker für Mao Zedong aus, und negiert Mao nicht, wie viele erwartet haben, nur weil sein Vater in der Kulturrevolution verfolgt wurde. Darin liegt aber auch einer der Gründe, warum Xi sich weniger als seine Vorgänger für die Meinung der internationalen Gemeinschaft interessiert.
Sie sind zu Zeiten der Kulturrevolution aufgewachsen. Würde China ohne dieses Ereignis heute anders aussehen?
Die Kulturrevolution, ein schwarzer Fleck in der chinesischen Geschichte zwischen 1966 und 1976, ist in einem gewissen Sinne bis heute nicht zu Ende, weil eine gründliche Reflexion in den Medien und in der Wissenschaft bislang verboten wurde. Sie ist noch immer ein Tabu.
Genau wie die Studentenproteste auf dem Tiananmen-Platz. Was hat es mit Ihnen gemacht?
Es hat mein Leben verändert: Nach dem 4. Juni 1989 wurde ich festgenommen, schließlich organisierte ich noch immer Proteste. Aber es wurden auch viele Menschen umgebracht und China wurde bis heute einen friedlichen demokratischen Übergang verwehrt. Wie viele Menschen tatsächlich gestorben sind, das weiß bis heute niemand. Denn es gibt bis heute kaum veröffentlichten Fakten aus Akten oder Untersuchungen und dennoch werden die westlichen Medien wortreich und (vermeintlich) überzeugend dafür kritisiert, die Angelegenheit zu übertreiben. In jedem Fall aber wurden die politischen Ambitionen einiger Generationen zerschlagen.
Sind die Chinesen bereit für eine Demokratie?
Die Kontrolle der staatlichen Obrigkeit durch Kontrollinstrumente sowie die Möglichkeit, auf friedlichem Wege einen Regierungswechsel herbeizuführen, sind Kernelemente einer Demokratie. Sie ist eine politische Ethik, eine politische Macht, die die Bürger haben sollten. Niemand kann voraussagen, ob China bereit für die Demokratie ist. Die kommunistische Partei Chinas wird einen Machtwechsel nicht zulassen. Gab es nun Fortschritte? Warum sollte man glauben, dass die Partei eine Demokratie vorbereitet? Auch im Ausland haben viele der Propaganda der KPCH Glauben geschenkt und glauben, dass China und sein Volk keine Demokratie brauchen. Aber das chinesische Volk sehnt sich nach demokratischen Rechten und die Partei nutzt Repressalien um ihre Diktatur zu erhalten und keine Widerspruch zu dulden.
Können soziale Medien bei diesem Übergang helfen?
Sie haben dem chinesischen Volk bereits eine weitere Plattform gegeben, ihre Meinung zu äußern. Aber: Während das Volk die Neuen Medien nutzt, um sich aufzulehnen und Freiheiten zu gewinnen, beschneiden die Behörden eben diese Freiheiten über die gleichen Kanäle. Es ist ein Grabenkampf, über den noch nicht entschieden wurde.
Wollen Sie eines Tages nach China zurückkehren?
Ich hoffe, dass meine Familie und ich irgendwann die Migration verlassen können, um wieder in Freiheit zu leben. Aber die Freiheit bekommen wir nicht, weil ich durch meine Kritik bedroht werde.