WirtschaftsWoche Online: Sie sind ein scharfer Kritiker des chinesischen Regimes. Haben Sie manchmal Angst um ihr Leben?
Chang Ping: Natürlich war ich jederzeit Bedrohungen ausgesetzt. 40 Jahre lang habe ich ein relativ stabiles Leben geführt, dann musste ich flüchten. Ich habe meinen Job verloren und lebe nun seit 2011 in Deutschland. Hier fühle ich mich sicher, aber ich stehe vor einer ungewissen Zukunft – und das ist nicht das Leben, das ich leben möchte. Aber ich möchte mir auch nicht das Recht nehmen lassen, zu kritisieren.
Zur Person
Chang Ping ist ein chinesischer Journalist, der wegen verschiedener Artikel nicht mehr in China veröffentlichen durfte und mit einem Berufsverbot belegt wurde.
Seit 2011 lebt er mit seiner Familie in Deutschland. Er arbeitet in China unter anderem als Nachrichtenchef der populären Wochenzeitung Nanfang Zhoumo.
Wie konnten Sie als Journalist in China überhaupt noch arbeiten?
Ich habe mich einer Selbstzensur unterworfen. Gleichzeitig habe ich aber versucht, Grenzen zu durchbrechen, um mehr Meinungsfreiheit zu gewinnen. Die Behörden haben das irgendwann nicht mehr toleriert, mich schikaniert und festgenommen.
Was haben Sie falsch gemacht?
Ich verfasste und veröffentlichte Artikel, aber ich habe nie daran gedacht, deshalb verhaftet zu werden. Kurz darauf ist die Polizei zu mir nach Hause gekommen. Mittlerweile weiß ich, warum: Im Zuge der Jasmin-Revolution in Tunesien 2010/11 hatte auch die chinesischen Regierung Angst und hat vorsorglich eine Gruppe von Intellektuellen verhaftet, die den Staat kritisierten. Außerdem schrieb ich Artikel, die die Tibet-Frage diskutierten. Deshalb bin ich nach Hongkong gegangen und habe dort eine Wochenzeitung herausgebracht. Allerdings haben mir auch die Hongkonger Behörden auch das Arbeitsvisum verweigert.
Sind Sie ein Einzelfall oder glauben Sie, dass die Regierung unter Xi Jinping die Freiheiten der Menschen weiter einschränkt?
Ja, es ist keine Überraschung, dass die Zustände zunehmend schlechter werden. Denn weder in der chinesischen Bevölkerung noch in der internationalen Gemeinschaft gibt es effektive Kontrollmechanismen gegen die Macht der chinesischen Regierung.
Was heißt das?
Die chinesische Regierung hat begriffen, wie wichtig die Kontrolle und die Manipulation der öffentlichen Meinung ist. Sie hat es sogar zu einem der wichtigsten Prinzipien der Regierung ausgebaut. Außerdem hat es die internationale Gemeinschaft verpasst, Druck auf sie auszuüben, dass sie etwa die Kontrolle der Medien lockern und Kritik zulassen, wie es in anderen autokratischen Ländern passiert ist. Die chinesische Führung erlebt eher das Gegenteil.
Warum?
Das Land wird durch die wachsende Wirtschaftsmacht immer stärker.
Berühmte chinesische Regimekritiker
Der uigurische Bürgerrechtler geriet erst vor kurzer Zeit in die Schlagzeilen: Ein Gericht verurteilte ihn zu lebenslanger Haft - er will den Richterspruch anfechten. Denn die Behörden hätten seinen Verteidigern nicht alle Beweise zur Verfügung gestellt, und dem früheren Wirtschaftsprofessor auch nicht den Grund für seine Verhaftung mitgeteilt.
Der Künstler war schon mehrfach in Haft, zuletzt wegen einem angeblichen Wirtschaftsdelikt - damals wurde er unter strengen Auflagen und nur gegen Kaution freigelassen. Obwohl er oft im Ausland unterwegs ist, plant er nicht ins Exil zu gehen.
Seinen Friedensnobelpreis, den er 2010 erhielt, hat er bis heute nicht nicht abgeholt. Bei der Zeremonie in Oslo blieb sein Stuhl auch symbolisch leer, denn auch seine Frau steht unter Hausarrest. Der Schriftsteller und Menschenrechtler wurde 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt wegen "Untergrabung der Staatsgewalt."
Dem blinden Menschenrechtsaktivisten gelang 2012 die Flucht in die USA. Nach diplomatischen Bemühungen bekam er - überraschend schnell - ein Stipendium für eine amerikanische Universität und konnte mit seiner Familie ausreisen. Zuvor wurde er mehrfach inhaftiert und unter Hausarrest gestellt, unter anderem weil er Dorfbewohner in der Shandong juristisch beraten hatte, die sich gegen gegen Zwangssterilisationen und erzwungene Schwangerschaftsabbrüche wehren wollten.
Seit 2011 ist es ruhig um ihn geworden: Damals wurde der Bürgerrechtler und Umweltaktivist aus dem Gefängnis entlassen, in dem er wegen "umstürzlerischer Machenschaften" saß. Er ist Träger des Sacharow-Preises für geistige Freiheit des Europäischen Parlamentes. Mit Freunden gründete er eine Organisation zur medizinischen Vorsorge.
Der Anwalt setzt sich vor allem gegen Menschenrechtsverletzungen vor Gericht ein, die er allerdings auch schon selbst erleben musste. Er unterstützte dabei vor allem religiöse Minderheiten, wie die Falun Gong. Er selbst ist Christ. Erst Mitte August wurde er nach drei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, in dem er auch gefoltert worden sein soll. Es war nicht seine erste Haft. Noch 2001 gehörte er zu den zehn besten Anwälte Chinas; 2005 trat er aus der Partei aus. Seine Familie bekam mittlerweile politisches Asyl in den USA; er steht in China unter Hausarrest und darf nicht ausreisen.
Xi Jinping hat es gerade also ziemlich leicht?
Natürlich übt auch seine Persönlichkeit einen großen Einfluss auf die Machtstrukturen aus. Nach meiner Beobachtung ist Xi ein Politiker, der mit strenger Hand regiert. Er glaubt, dass er seine Regierungsmacht stärkt, indem er Andersdenkende hart attackiert. Das ist auch der Grund, warum einerseits viele Beamten unter dem Vorwurf der Korruption aus dem Rennen geworfen werden, andererseits aber die Bürger, die mit Schildern auf die Straße gehen, um gegen Korruption zu protestieren, eingesperrt werden.
Was unterscheidet ihn etwa von seinem Vorgänger Hu Jintao?
Er sieht sich selbst als eine der Kernfiguren der sogenannten zweiten Generation der Roten. So nennt man die Nachkömmlinge der kommunistischen Gründer. Diese Generation denkt, dass die Regierungsmacht den Gründern und ihren Familien zusteht und Menschen wie Jiang Zemin und Hu Jintao lediglich Verwalter in einer Übergangszeit gewesen sind.