Chaos bei Volksabstimmung Ägyptens Vizepräsident tritt zurück

Am Rande der Volksabstimmung über eine umstrittene Verfassungsänderung hat Ägyptens Vizepräsident Mekki offenbar seinen Rücktritt erklärt. Derweil berichten Medien und neutrale Beobachter von Chaos in den Wahlbüros.

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Mekki (links) während seines Amtsantritts im August. Quelle: AFP

Kairo Der ägyptische Vizepräsident Mahmud Mekki hat Medienberichten zufolge seinen Rücktritt erklärt. Dem staatlichen Fernsehen zufolge sagte der Stellvertreter von Präsident Mohammed Mursi am Samstag, eigentlich habe er sein Amt bereits im November niederlegen wollen. Er habe diesen Schritt aber wegen der Unruhen in seinem Land sowie wegen des Konflikts zwischen Israel und der Hamas verschoben.

Am Samstag lief in Ägypten die letzte Runde der Volksabstimmung über eine neue Verfassung. Der Streit über den von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeiteten Entwurf hat das Land tief gespalten. Und so haben chaotische Zustände und Wahlrechtsverstöße auch die zweite und letzte Runde der Volksabstimmung über eine neue Verfassung geprägt. Wahllokale öffneten zum Teil später als vorgesehen, wie Wahlbeobachter und ägyptische Medien berichteten. Wähler seien auch diesmal wieder von Islamisten beeinflusst worden.

Selbst zur Wahlbeteiligung gab es widersprüchliche Berichte. Während im Staatsfernsehen lange Warteschlangen zu sehen waren, berichteten Beobachter von einer geringen Beteiligung gerade in den ländlichen Gebieten.

Der Streit um den von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeiteten Verfassungsentwurf hat Ägypten tief gespalten. Die Opposition sieht darin den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat. Viele Anhänger von Präsident Mohammed Mursi wünschen sich genau das. Der Streit um die erste Verfassung nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak hat in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land immer wieder zu Massenprotesten und tödlichen Krawallen geführt.


Ergebnisse frühestens am Sonntag

In 10 der 27 ägyptischen Provinzen war bereits vor einer Woche abgestimmt worden. Nun sind die rund 25 Millionen Wähler in den restlichen Provinzen an der Reihe - noch bis zum späten Abend sollten sie wählen können. Nach inoffiziellen Ergebnissen stimmten in der ersten Runde 56 Prozent für die Verfassung, bei einer Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent. Die Opposition beklagte später, die Muslimbrüder hätten Wahlzettel gefälscht und Wähler bedrängt.

Die revolutionäre Jugendbewegung 6. April, die eigene Beobachter in verschiedene Städte entsandt hatte, beklagte, dass fünf ihrer Mitglieder festgenommen worden seien. In Giseh auf der anderen Nilseite von Kairo, seien Aktivisten abgeführt worden, weil sie die vorzeitige Schließung eines Wahllokals angeprangert hätten. Die Gruppe kritisierte, dass in mehreren Regionen Islamisten die Wähler genötigt hätten, mit Ja zu stimmen. In der nördlichen Stadt Damietta sei dafür sogar Geld geboten worden.

Die ägyptische Zeitung „Al-Ahram“ berichtete von ähnlichen Problemen. So entließ in der Provinz Menufija ein Richter seine Wahlhelfer, weil sie versuchten, Wähler zum Ja zu überreden. Rund 30 Prozent der Ägypter sind Analphabeten, die bei der Abstimmung auf Hilfe angewiesen sind. In einigen Wahllokalen sei Stimmabgabe extrem verzögert worden, da nicht genügend Richter anwesend waren.

Offizielle Ergebnisse sollen frühestens am Sonntag bekanntgegeben werden. Wird der Verfassungsentwurf angenommen, muss innerhalb von zwei Monaten ein neues Parlament gewählt werden. In der zweiten Runde werden mehr Ja-Stimmen als beim Auftakt erwartet, da vor allem in konservativen ländlichen Provinzen gewählt wird.

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