Chaos und Panik an US-Flughäfen „Ich wurde in Handschellen abgeführt"

Donald Trump hat mit seinem Einreisestopp für Chaos an den US-Flughäfen gesorgt. Selbst die Sicherheitsbeamten wurden vom Erlass des Präsidenten überrumpelt. Unter den Reisenden kam es zum Teil zu Panik. Trump zeigt sich von der Empörung im Land und internationaler Kritik unbeeindruckt.

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Demonstranten machen ihrem Ärger Luft. Quelle: Reuters

Los Angeles,/New York/Frankfurt Nisrin Elamin freute sich, nach dem langen Flug endlich in New York zu landen. Doch aus dem schnellen Weg nach Hause wurde nichts. Als die Doktorandin der kalifornischen Universität Stanford am Einreiseschalter des Kennedy-Flughafens ihre Aufenthaltspapiere für die USA vorlegte, wurde die Sudanesin abgeführt. „Sie haben mich rüde abgetastet, auch an der Brust und in der Leistengegend“, berichtet die 39-Jährige. „Dann kam ich in Handschellen und habe geweint.“

Die Anthropologie-Studentin war am Wochenende nicht die Einzige, die bei der Einreise in die USA plötzlich von Sicherheitsbeamten in Handschellen abgeführt wurde. Wie Elamin strandeten auch Passagiere aus anderen muslimischen Ländern an internationalen Flughäfen. Das vorübergehende Einreiseverbot gilt für alle Reisenden aus Syrien, dem Iran, Irak, Libyen, Somalia, dem Sudan und dem Jemen. Eigentlich zielt der Erlass auf „radikale islamische Terroristen“ - und trifft doch normale Bürger, die zum Teil seit Jahrzehnten rechtmäßig in den USA leben. Mit der Unterzeichnung des umstrittenen Erlasses eine Woche nach seiner Amtseinführung löste Trump ein weiteres Wahlversprechen ein. Er begründete den Schritt mit dem Schutz der USA vor Anschlägen.

„Rufen Sie Herrn Trump an“

Elamin saß fünf Stunden am Flughafen fest, bevor sie dann doch in ihr Zuhause nach New Jersey weiterfahren konnte. Dutzenden anderen Green-Card-Besitzern ging es schlechter. Am Samstagabend zeigte dann eine Bundesrichterin Trump die rote Karte und entschied, dass die in den Transitzonen festsitzenden Reisenden bleiben können, wenn sie gültige Visa haben. Die Bürgerrechtsvereinigung Aclu, die die Eilentscheidung beantragt hatte, ging von 100 bis 200 festgehaltenen Reisenden aus. Ein Vertreter des Heimatschutzministeriums sagte, es säßen 109 Menschen in Transitbereichen der Flughäfen fest. 173 Menschen sei von den Fluggesellschaften untersagt worden, den Flug in die USA anzutreten. Mehrere Bundesstaaten prüfen weitere juristische Schritte. Trump verstoße gegen die Verfassung, sagte etwa der Generalstaatsanwalt von Hawaii, Douglas Chin.

Die Sicherheitsbeamten wurden von Trumps Erlass selbst überrumpelt. Viele Mitarbeiter erfuhren erst aus den Medien von dem Einreisestopp, wie zwei Beamte berichteten. Offizielle Mitteilungen oder Handlungsanweisungen gibt es nicht. Entsprechend fiel das Chaos aus. Während einige Beamte trotz des Verbots auch muslimische Reisende durchwinkten, durften andere nicht mal einen Anwalt kontaktieren.

Unter den an den Flughäfen Gestrandeten machte sich Verunsicherung breit. Zum Teil spielten sich chaotische Szenen ab. Die 25-jährige Pegah Rahmani berichtete, sie habe ihre iranischen Großeltern vom Flughafen in der Hauptstadt Washington abholen wollen. Der erblindete Großvater (88) und ihre Großmutter (83), die kürzlich einen Schlaganfall erlitten habe, seien über Stunden festgehalten worden. „Sie haben sie wirklich nicht gut behandelt.“

Ähnlich erging es auch dem Iraker Hamid Chalid Darwisch, einem 53-jährigen Kurden, der für die US-Armee im Irak als Übersetzer arbeitete. Weil er deshalb im Irak bedroht wurde, erhielten er und seine Familie in der vergangenen Woche die ersehnten Visa. Statt Sicherheit und Freiheit warteten bei der Landung in New York Grenzschutzbeamte. Nach Appellen der Internationalen Flüchtlingshilfe konnte Darwisch doch einreisen. Auf die Frage seiner Anwälte, wen sie kontaktieren könnten, lautete die Antwort: „Den Präsidenten. Rufen Sie Herrn Trump an.“

Tausende demonstrieren an US-Flughäfen

Tausende Menschen demonstrierten an Flughäfen in mehreren US-Städten gegen den Einreisestopp. Allein am New Yorker Flughafen JFK protestierten mehr als tausend empörte Demonstranten gegen das umstrittene Dekret. Sie skandierten „So sieht Demokratie aus“, „Lasst sie rein“ und verlangten, dass Reisende, die bereits am Flughafen gelandet waren, dessen Transitbereich verlassen dürfen. Auch in Metropolen wie Washington, Los Angeles, San Francisco und Dallas gab es Demonstrationen. Die Nachrichtenseite thinkprogress.org führt mehr als zwanzig Orte auf.

In New York blockierten die Protestierenden die Zufahrt zum Terminal 4 des Flughafens, Polizisten ließen nur noch Reisende mit Tickets in das Gebäude. Die New Yorker Taxigewerkschaft wies ihrer Fahrer an, als symbolischen Protest gegen Trumps Dekret vorübergehend keine Reisenden mehr zum Flughafen zu bringen oder von dort abzuholen.

Die Stimmung am New Yorker Flughafen blieb friedlich, viele Demonstranten hatten selbstgemalte Schilder mit Aufschriften wie „Schluss mit dem Muslim-Bann“ oder „Niemals wieder ist heute“ mit Blick auf die Deportation von Juden im Zweiten Weltkrieg dabei. Freiwillige brachten Pizza, Wasser und Kaffee für die bei Temperaturen knapp über Null Ausharrenden. Fachanwälte für Einwanderungsrecht boten Betroffenen im Terminal Rechtsberatung an. Die Proteste sollen am Sonntag an mehreren Dutzend Flughäfen fortgesetzt werden.

Trump zeigte sich von den Protesten ebenso unbeeindruckt wie von internationaler Kritik. „Es funktioniert sehr gut“, erklärte er am Samstag. „Man sieht es an den Flughäfen. Man sieht es überall.“ Auch enge Verbündete der USA wie Kanzlerin Angela Merkel und die britische Premierministerin Theresa May äußerten am Wochenende ihre Missbilligung.

Trump will nach eigenen Worten islamische Terroristen daran hindern, in die USA zu gelangen. „Wir wollen sie hier nicht.“ Die Behörden benötigten Zeit, strengere Überprüfungen für Flüchtlinge, Einwanderer und Besucher zu entwickeln. Der Stopp des syrischen Flüchtlingsprogramms gelte nicht für Christen, erklärte Trump in einem christlichen Sender. Auch ethnische Minderheiten wie die Jesiden könnten Experten zufolge ausgenommen werden. Juristen sehen darin eine Verletzung der amerikanischen Verfassung, da eine Religion diskriminiert werde.

Nach Angaben der Fluggesellschaft Egyptair dürfen Bürger aus den sieben vom US-Einreisebann betroffenen Ländern weiterhin Maschinen in die USA besteigen, wenn sie eine Greencard besitzen. Auch Visa für Regierungsangehörige und Diplomaten berechtigten nach Rücksprache mit den US-Behörden weiterhin dazu, US-Flüge der Airline zu besteigen, sagte der Manager der New-York-Route, Hussam Hussein, am Sonntag in Kairo. Man sei neben anderen Ausnahmen aber weiterhin dazu angewiesen, keine Passagiere mit anderen Visa in die Flugzeuge steigen zu lassen.

US-Einreiseverbot ohne große Auswirkung auf Frankfurter Flughafen

Auf den Flughafen Frankfurt wirkte sich das Einreiseverbot zunächst kaum aus. Wie ein Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport am Sonntag sagte, gab es am Wochenende weder Proteste noch musste eine größere Anzahl von Passagieren versorgt werden, weil die Weiterreise in die USA unterbrochen war. Der Hessische Rundfunk hatte gemeldet, dass am Samstag zeitweilig etwa 20 Transitreisende festgesessen hätten, weil sie nicht mehr in die USA einreisen durften.

Der Fraport-Sprecher sagte, der Flughafen in Frankfurt sei kein typisches Ziel für einen Zwischenstopp, wenn es um Reisen aus dem Nahen Osten in die USA gehe. Es sei auch nicht bekannt, ob Geschäftsreisende mit Flügen von Frankfurt in die USA Probleme wegen ihrer Herkunft bekommen hätten.

Die Lufthansa gab sich am Sonntag mit Blick auf Auswirkungen des Einreisestopps bedeckt. „Wie bei anderen Einreisebestimmungen auch, sind Fluggäste sowie Fluggesellschaften verpflichtet, diese hoheitlichen Bestimmungen zu befolgen“, hieß es in einem Statement des Unternehmens. Über die Auswirkungen der jüngsten US-Vorgaben lasse sich vorerst noch keine Aussage treffen.

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