Das hört sich erst einmal gut an: Aber Peking setzt nicht allein auf den Traum vom Aufstieg in die Reihe der Industrienationen. Wie in vergangenen Krisen wird der Konjunktur mit Großprojekten in der Infrastruktur auf die Sprünge geholfen. Rund 112 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren in den Ausbau des Schienenverkehrs fließen und damit 80 Prozent der Städte per Zug miteinander verbinden. Weitere 230 Milliarden Euro hat Peking für den Ausbau der Autobahnen vorgesehen. Um den Umbau der Wirtschaft und diese Infrastrukturprojekte überhaupt finanzieren zu können, muss das Land ordentlich Schulden machen. Erstmals wird die Verschuldung 2016 auf rund drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes klettern. Das Defizit steigt damit um 78 Milliarden Euro auf 304 Milliarden Euro.
Ein weiterer kritischer Punkt auf der langen Liste aus Peking: der Finanzsektor. Hier wären vor allem die Pläne zur weiteren Reform des Kapitalmarkts interessant, wenn es sie denn gäbe. Ministerpräsident Li Keqiang versprach zwar „einen offeneren, transparenteren und gesünderen Markt“. Wie das aber genau erreicht werden soll, bleibt unklar. „Als zweitgrößte Wirtschaft der Welt müsste die chinesische Börse theoretisch den Zustand der Wirtschaft widerspiegeln“, sagt Brock Silvers von der Investmentfirma Kaiyuan Capital. „Die Börse ist aber vollkommen von der Realität entkoppelt“, so der Investor. Er ist seit den 1980er Jahren in China aktiv und kritisiert vor allem die Unberechenbarkeit des Kapitalmarkts. „Als ein Investor mit einer nachhaltigen Strategie muss ich ein Investment modellieren und das Risiko berechnen können“, sagt Silvers. „Durch das aktuelle ökonomische System ist das in China aber schlicht unmöglich.“ Es fordere die Börsenteilnehmer praktisch zum Glücksspiel auf.
Doch die chinesische Regierung hat aktuell größere Sorgen als die Spiellust seines Volkes. Denn eine weitere Folge des jahrzehntelangen Wirtschaftsbooms: In rund 80 Prozent der 300 größten Städte liegt die Luftverschmutzung weit über den offiziell empfohlenen Werten. Vielerorts hängt die meiste Zeit des Jahres eine dichte Smogwolke über der Stadt. Viele Menschen wollen das in China nicht mehr hinnehmen. Sie haben Angst vor den gesundheitlichen Folgen, auch durch die Verunreinigung von Lebensmitteln und dem Trinkwasser. Peking wiederum hat die hohen Gesundheitskosten im Blick, die in den kommenden Jahrzehnten auf das Land zu kommen könnten.
Deshalb ist dem Thema Umweltschutz dieses Mal viel Platz im Fünf-Jahres-Plan eingeräumt worden. Bis Ende 2020 will das Land Kohlekraftwerke modernisieren und die erneuerbaren Energien ausbauen. Elektrizität und Erdgas soll Kohle so schnell wie möglich ersetzen. Die Energieeffizienz von Neufahrzeugen soll erhöht, Millionen schmutzige Autos von der Straße verband und der Kauf von Elektroautos gefördert werden. Ziel ist zudem die Verbesserung der Energieintensität um 15 Prozent.
Außerdem sollen bestehende Gesetze stärker durchgesetzt werden. Schon heute hat China ein strenges Umweltrecht. Das wird aber durch Missachtung und Korruption kaum umgesetzt. Dafür fand Ministerpräsident Li Keqiang nun vorm Parlament zum ersten Mal klare Worte. Wer mehr Schadstoffe ausstößt als erlaubt, müsse in Zukunft mit einer „harten Strafe“ rechnen. Und ergänzte, in Richtung der Abgeordneten, dass ebenfalls jeder zur Verantwortung gezogen werde, der von den Verstößen wisse und diese zulasse.
In den Zielen der chinesischen Umweltpolitik steckt aber auch das grundsätzliche Dilemma Pekings. Es soll zwar weiter aufwärtsgehen – laut Li um mindestens 6,5 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig müssten Industrien aber zurückgefahren werden, will die Regierung die Umweltsituation in den Griff bekommen. Dafür fehlt ihr aber die Zeit.