China/Russland Russland zwischen Ost und West

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Eine Öl-Raffinerie. Quelle: REUTERS

„Wir ergänzen uns prima“, sagt der Unternehmer Sun. China liefere die Waren, Russland versorge den boomenden Nachbarn mit Rohstoffen. Neben Holz, Metallschrott und Waffen bezieht China natürlich Öl und Gas bei seinem Nachbarn – der mit Abstand größte Posten in der Importbilanz. Der Energiebedarf der chinesischen Industrie steigt rasant. Und Russlands klamme Öl- und Gaskonzerne wollen das Netz ihrer Abnehmer verbreitern und verstärkt nach Ostasien liefern, seit die Nachfrage in Europa zurückgeht.

Eine erste Ölpipeline aus Russland in die chinesische Erdölstadt Daqing geht wahrscheinlich Anfang 2011 in Betrieb. Bei Putins Pekingbesuch im vorigen Herbst unterschrieben die beiden Länder ein Rahmenabkommen über den Bau einer Gaspipeline, die maßgeblich von Chinesen finanziert werden soll. Wenn sich die Handelspartner über den Preis geeinigt haben, könnte China in Zukunft die westsibirischen Gasfelder anzapfen. „Es ist absolut realistisch, dass Europa und China in einigen Jahren um russisches Gas konkurrieren“, warnt Andrej Jakowlew von der Higher School of Economics in Moskau. Gazprom will jedenfalls 2020 ein Fünftel seines Gases nach China liefern.

Russland packen

Längst haben die Chinesen also einen Fuß in der Tür nach Russland, ohne dass es die Europäer bemerkt haben. Beim Gipfel in Rostow am Don reden Europäer und Russen jetzt über Visafreiheit, wie sie China den Russen längst gewährt. Daneben geht es um Investitionen, bei denen sich besonders die Deutschen derzeit zurückhalten. Es geht um Energielieferungen, die sich China in aller Stille sichert. Kaum ein Beobachter rechnet damit, dass bei diesem Gipfel mehr als eine Absichtserklärung herauskommt.

Nur ein pensionierter Außenseiter der europäischen Politik mahnte neulich, die EU müsse Russland packen und an sich binden, ehe die neue Weltmacht China eine Ehe mit dem Rohstoffriesen eingeht. Es war Altbundeskanzler Gerhard Schröder, der im heruntergekommenen Saal einer Moskauer Universität die Assoziierung Russlands mit der EU vorschlug.

Mit solchen Vorträgen stockt Schröder seine Kanzlerrente und die Bezüge als Verwaltungsratschef des russisch-europäischen Pipelineprojekts in der Ostsee auf. Schon darum nimmt ihn in Westeuropa kaum einer noch ernst. Doch diesmal liegt Schröder gar nicht so falsch. Denn China erobert den russischen Markt schleichend. Im Kampf um Rohstoffe konkurriert der Westen mit Peking. Europäische Unternehmen sehen sich in Russland immer mehr dem Druck chinesischer Wettbewerber ausgesetzt, die zuweilen bessere Produkte sehr viel günstiger anbieten.

Dabei gibt es auch zwischen Moskau und Peking große Probleme. Die Russen ärgern sich, dass China sich Rohstoffvorkommen in Zentralasien unter den Nagel reißt. Seit Ende 2009 fließt Gas durch eine 7000 Kilometer lange Pipeline aus Turkmenistan nach China, fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit hat Peking das Projekt in Windeseile umgesetzt. Weitere Pipelines sollen folgen, Lieferverträge werden verhandelt.

Auch im Grenzgebiet gibt es gelegentlich Ärger. Dem Unternehmer Sun aus Harbin drohten russische Behörden unlängst, den Import seiner Busse zu beschränken. Neuerdings verlangen die Russen von chinesischen Händlern Visa, immer häufiger kommt es zu Razzien auf den Märkten. Ein Groll sind den russischen Beamten auch die Hunderttausende Arbeiter aus China, die sich oft illegal als Tellerwäscher, Kellner, Verkäufer oder Landarbeiter verdingen.

Der Pekinger Russland-Experte Ji versucht die Irritationen herunterzuspielen. „Die politischen Führungen in Moskau und Peking sind sich einig, nur auf der Ebene dazwischen hakt es derzeit.“ Ein Chinese nahe der russischen Grenze wird deutlicher: „Aus dem Schüler ist ein Lehrer geworden, und das gefällt Moskau nicht.“ Die Chinesen als Lehrer Russlands? Eine solche Partnerschaft hatte der Präsident Jelzin weiland bei seinem Trinkspruch nicht im Sinn.

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