Chinas Wettbewerbsbedingungen Warum es Europas Unternehmen schlecht ergeht

Europäische Unternehmen sind in China nicht mehr sehr willkommen – das zeigt eine Umfrage der EU-Handelskammer in China. Das dürfte die Debatte um die Kuka-Übernahme weiter anheizen.

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Eine neue Umfrage der Europäischen Handelskammer in China offenbart nun allerdings, dass es mit der chinesischen Willkommenskultur für ausländische Investoren auch nicht sehr weit her ist. Quelle: Reuters

Berlin/Peking Überaus verärgert hat China darauf reagiert, dass Politiker in Berlin und Brüssel die geplante Übernahme des deutschen Roboterbauers Kuka durch den chinesischen Midea-Konzern verhindern wollen. Die chinesische Handelskammer in Deutschland verbat sich die politische Einmischung und warnte vor „protektionistischen Tendenzen“.

Eine neue Umfrage der Europäischen Handelskammer in China offenbart nun allerdings, dass es mit der chinesischen Willkommenskultur für ausländische Investoren auch nicht sehr weit her ist. 56 Prozent der von der Kammer befragten Unternehmen gaben an, dass es schwieriger geworden sei, in China Geschäfte zu machen. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Sogar 70 Prozent der ausländischen Firmen fühlen sich heute weniger willkommen im Reich der Mitte als vor zehn Jahren.

Das Ergebnis des sogenannten „Business Confindence Survey“ dürfte die Debatte um die Kuka-Übernahme noch weiter anheizen. Zeigt die Studie doch deutlich, dass von gleichen Wettbewerbsbedingungen für chinesische und europäische Firmen noch lange keine Rede sein kann. 57 Prozent der ausländischen Unternehmen klagten, dass sie sich in China im Vergleich zu heimischen Firmen benachteiligt fühlten.

„Es fehlen oft gleiche Voraussetzungen bei internationalen Übernahmen von chinesischen Unternehmen“ sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China. „Selbst hochverschuldete Staatsfirmen aus der Volksrepublik kommen noch bei internationalen Deals mit Staatsgeldern zum Zug.“ Wuttke spricht damit einen wunden Punkt im europäisch-chinesischen Verhältnis an: die Reziprozität. Funktionieren kann Freihandel nämlich auf Dauer nur, wenn für alle Beteiligten die gleichen Spielregeln gelten.

Diese Fairness im Freihandel hatte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang eigentlich auch zugesichert: „Für chinesische wie für deutsche Unternehmen gelten die gleichen Regeln. Es werden keine Ausnahmen gemacht.“ Die Worte sollten Gewicht haben. Sie sollten Entschlossenheit ausdrücken. Die Aussagen bei einem Unternehmerforum im vergangen Jahr wurden von den deutschen wie von den chinesischen Firmenchefs begrüßt. Aber Monate später ändert sich das Bild.

Der Frust auf beiden Seiten wächst. Der Pessimismus europäischer Firmen in China erreicht in diesem Jahr ein Rekordhoch. Jedes dritte Unternehmen (31 Prozent) gab sich in der Umfrage der EU-Handelskammer pessimistisch mit Blick auf die Profite im China-Geschäft.

„Ministerpräsident Li Keqiang hat zwar eine Gleichbehandlung chinesischer und europäischer Firmen versprochen. Das bleibt aber oft nur ein Versprechen“, sagte Kammerpräsident Wuttke dem Handelsblatt und nennt ein Beispiel: „Wir mussten feststellen, dass ausländische Firmen etwa im IT- oder Pharmasektor regional von Beschaffungslisten gestrichen wurden.“ Wer nicht auf der Liste steht, kommt für Anschaffungen der Behörden erst gar nicht infrage.


„Protektionistische Tendenzen“

Doch auch Jörg Wuttkes Counterpart in Deutschland gibt sich besorgt. Duan Wei ist Geschäftsführer der Chinesischen Handelskammer in Deutschland. Nach den Diskussionen um das chinesische Übernahmeangebot für den Roboterbauer Kuka sah er sich zur öffentlichen Kritik an der Bundesregierung gezwungen. Schließlich hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) offen über ein europäisches Gegenangebot spekuliert, damit deutsche Technik nicht unmittelbar in chinesische Hände fiele.

Die chinesische Handelskammer hält sich normalerweise sehr zurück. Aber dieses Mal attestierte Duan Wei „protektionistische Tendenzen“. Er forderte die Bundesregierung auf, die Marktmechanismen zu respektieren. Das deutsche Wirtschaftsministerium ruderte unterdessen zurück. Es werde kein alternatives Anbieterkonsortium vom Minister organisiert. Gabriel habe lediglich dafür plädiert, dass es „aus der Wirtschaft selbst heraus“ ein weiteres Angebot geben sollte.

Staatliche Stolpersteine bei Firmenübernahmen sind aber nicht das einzige Ärgernis europäischer Investoren in China. Fast 60 Prozent der befragten Firmen klagen über die strikten Kontrollen des Internets durch die chinesischen Behörden, die sich negativ auf ihr Geschäft auswirken würden. Das sind 17 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Im Meckerkasten der Europäer finden sich außerdem hohe Überkapazitäten in vielen Branchen, gegen die die Regierung in Peking nur zögerlich vorgehe. Zudem klagen die europäischen Firmen über steigende Arbeitskosten und einen Mangel an Fachkräften. Ein Dauerproblem bleibt die chronische Luftbelastung vor allem in Peking.
Die Schwächen des Standortes China haben offenbar auch dafür gesorgt, dass die europäischen Investitionen um neun Prozent auf 9,3 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zurückgegangen sind. Umgekehrt haben chinesische Firmen rund 20 Milliarden Euro in Europa investiert. Knapp die Hälfte der bereits im Reich der Mitte ansässigen Firmen aus Europa will ihre Aktivitäten weiter ausbauen. Vor drei Jahren hatten allerdings noch 86 Prozent Expansionspläne. Kein Wunder also, dass mehr als die Hälfte der befragten Firmen glaubt, dass sich das „goldene Zeitalter“ Chinas für multinationale Konzerne dem Ende zuneige.

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