Contra Verlängerung der Griechenland-Hilfen Die größte Insolvenzverschleppung der Geschichte

Der Wahnsinn geht weiter: Die EU-Staaten werden Griechenland vor der Pleite retten – wieder einmal. Europa droht damit eine Armutswelle und das Scheitern ihrer Volkswirtschaften, glauben Matthias Weik und Marc Friedrich.

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Marc Friedrich (links) und Matthias Weik sehen keine Zukunft für Griechenland im Euro. Quelle: PR

Oops, they did it again: Ein weiteres Mal wird das eigentlich schon bankrotte Griechenland vor der Pleite „gerettet“. In Anbetracht der desolaten wirtschaftlichen Lage ist mittlerweile auch dem Letzten klar, dass wir nicht die Griechen gerettet haben, und nun abermals retten, sondern unsere Banken, welche leichtfertig Geld an Griechenland verliehen haben.

Hätten die Politik und die Bevölkerung in den besagten Ländern der so genannten Rettungspolitik nicht zugestimmt, sähe die unsrige, aber auch die Bankenlandschaft bei unseren Nachbarn in Frankreich, etwas anders aus.
Bis dato hat Griechenland von den Euro-Mitgliedsländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 226 Milliarden Euro erhalten.

Jedoch flossen davon lediglich 15 Milliarden in den unmittelbaren Betrieb des Staates, wie beispielsweise in die Gehälter von Staatsangestellten und in Renten. Addiert man die indirekten Staatsausgaben hinzu, kommt man auf 27 Milliarden Euro – ungefähr elf Prozent der Gesamtsumme. 40 Milliarden Euro wurden für Zinszahlungen, 81 Milliarden Euro zur Ablösung fälliger Kredite verwendet und neun Milliarden Euro gingen an den IWF – summa summarum flossen 132 Milliarden Euro allein in den Schuldendienst. Das ist mehr als die Hälfte der Griechenland-Hilfen.

Der Schuldenschnitt 2012 schlug mit knapp 35 Milliarden Euro zu Buche. Weitere 48 Milliarden Euro benötigte das Land, um seine maroden Banken am Leben zu halten. Wie wir sehen, ist das Geld also keinesfalls weg – es hat nur jemand anderes.

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Vor der Einführung des Euro wurde uns allen weisgemacht, dass niemand für die Schulden der anderen haften muss. Die CDU hat dies selbst noch auf einen Flyer gedruckt.

Dort stand: „Was Kostet uns der Euro? Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? Ein ganz klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die EU oder die anderen EU-Partner für Schulden eines Mitgliedstaats haften. Mit dem Stabilitätspakt wird von vorneherein sichergestellt, dass die Nettoneuverschuldung auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Die Euro-Teilnehmer werden daher auf Dauer ohne Probleme ihren Schuldendienst leisten können. Eine Überschuldung eines Euro-Teilnehmerstaats kann daher von vornherein ausgeschlossen werden.“

Dummerweise brachen ausgerechnet Deutschland und Frankreich als erste die Regeln des Stabilitätspakts, und heute kümmert sich niemand mehr darum. Wofür Regeln, wenn sich keiner daran hält?

Im Juni 2010 musste dann, aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage einiger europäischer Länder, der sogenannte Rettungsschirm EFSF implementiert werden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bot Finanzminister Wolfgang Schäuble die Wette an, dass der erste Euro-Rettungsschirm (EFSF) verlängert wird.


Das Land liegt wirtschaftlich in Trümmern

Schäuble erwiderte: „Solange Angela Merkel Bundeskanzlerin ist und ich Finanzminister bin, würden Sie diese Wette verlieren. Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart.“ Dies ist jedoch keineswegs der Fall, denn auf Rettungsschirm eins (EFSF) folgt der unbefristete Rettungsschirm zwei, auch ESM genannt.

Im Oktober 2011 verkündete Schäuble noch: „Der europäische Rettungsschirm hat eine Obergrenze von 440 Milliarden Euro – auf Deutschland entfallen 211 Milliarden. Und das war es. Schluss.” Durch die Zusammenlegung von EFSF und ESM sprechen wir mittlerweile schon von wesentlich mehr.

Im Februar 2012 wurde Herr Schäuble ertappt, als er dem portugiesischen Finanzminister Vitor Gaspar Hoffnungen machte. Er hatte offensichtlich jedoch nicht die Absicht, dies uns Steuerzahlern mitzuteilen. In einem augenscheinlich unbeobachteten Moment teilte er Gaspar mit, dass man die Sparauflagen etwas entschärfen könne: Sollte eine „Anpassung des portugiesischen Programms“ notwendig sein, „werden wir das machen“.

Jedoch erst nach der Entscheidung über Griechenland-Hilfen. Im Anschluss folgte folgender Satz unseres Finanzministers, der sich unbeobachtet fühlte: „Aber meine Abgeordnetenkollegen im Parlament und die öffentliche Meinung in Deutschland müssen glauben, dass wir es ernst meinen. Denn die vertrauen schon unseren Entscheidungen zu Griechenland nicht.“

Sechs Monate später gewährte die EU Portugal Zeit, die Staatsfinanzen zu sanieren. Heute ist Portugal wirtschaftlich gesehen am Boden, und junge Menschen verlassen mangels Perspektive das Land.

Im Dezember 2012 hielt dann Herr Schäuble die Krise für überwunden und behauptete ganz keck: „Wir haben in der Euro-Krise das Schlimmste hinter uns” und „die Regierung in Athen weiß, dass sie die anderen Euro-Staaten finanziell nicht überfordern darf. Deshalb treibt sie jetzt die Reformen ja auch voran.“

Mittlerweile wurde das Land kaputtgespart und liegt wirtschaftlich gesehen in Trümmern. Die Arbeitslosenzahlen Griechenlands sind uns in Deutschland lediglich aus Zeiten der Weimarer Republik bekannt und wir wissen alle, was daraus erwachsen ist. Sollte es der EU auch gelingen, diese Regierung zu kaufen, möchten wir uns nicht ansatzweise vorstellen, was für eine Regierung dann folgen wird.

Griechenland ist bankrott!

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man heute bezüglich Griechenlands zweifellos von Insolvenzverschleppung sprechen kann. Als Insolvenzverschleppung wird die Nichtantragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bezeichnet.

Egal welche Maßnahmen uns jetzt von der griechischen Regierung präsentiert werden, Griechenland ist so pleite, dass es niemals mehr ohne einen Schuldenschnitt auf die Beine kommt.


Menschen retten statt Märkte und Banken

Die Staatsverschuldung ist heute höher als vor dem letzten Schuldenschnitt. Sollten wir weitere Gelder „genehmigen“, werfen wir gutes Geld schlechtem hinterher. Wir werden zweifellos das Geld nie wiedersehen. Uns sollte allen klar sein, dass Griechenland niemals seine Schulden bezahlen wird, wenn selbst Deutschland als Exportweltmeister in Jahren mit Rekordsteuereinnahmen keinen Cent seiner Schulden zurückbezahlt.

Statt den Kapitalismus wirken zu lassen und das Land endlich mit einem Schuldenerlass und einem Euro-Austritt zu erlösen, wird an der bitteren und nachweislich gescheiterten Rettungsmedizin festgehalten – und das obwohl alle Indizien dafür sprechen, dass die Medizin in den vergangenen Jahren schon nicht gewirkt hat.

Die Staatsverschuldung und die Arbeitslosenzahlen sind noch immer auf Rekordniveau. Die Industrieproduktion befindet sich auf dem Stand von 1983. Gibt es eine Steigerung von Pleite? Wir sind sicher, dass wir über kurz oder lang wieder über die gleichen Probleme sprechen werden, dass sich Griechenlands Situation nicht verbessert hat und es weitere Gelder benötigen wird.

Anstelle andauernd den Euro, die Banken und Märkte zu retten, sollte man endlich die Menschen retten.

Aus diesem Grund: Griechenland muss sofort aus dem Euro austreten und seine eigene souveräne Währung einführen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Dann benötigt Hellas einen Schuldenerlass und im Anschluss einen Marshallplan, um wieder eine wertschöpfende Industrie aufzubauen. Dieses Geld würde tatsächlich in das Land fließen, dort wirken und den Menschen dienen.

Damit können wir die europäische Idee retten und uns solidarisch mit den Menschen in Griechenland zeigen. Innerhalb der Euro-Zone wird das Land niemals gesunden. Die Heilung wird nicht ohne Schmerzen einhergehen, aber nur so können wir das Land retten vor dem sicheren volkswirtschaftlichen Exitus.

Nochmals müssen wir erinnern, dass Währungsunionen zum Scheitern verurteilt sind, und wir erleben dieses Scheitern momentan live und in erster Reihe. Problem ist nur, dass wir dafür auch zahlen werden. Die Bilanz der Wertegemeinschaft und des Euros ist verheerend: Etliche Länder sind volkswirtschaftlich gesehen auf dem Niveau von vor 20, 30 Jahren, Millionen Menschen sind ohne Arbeit, ohne Perspektive und ohne adäquate Altersvorsorge.

Es wird eine Altersarmutswelle auf Europa zukommen, die jegliche Vorstellungskraft übersteigt und niemand stemmen kann. Heute wird unser Parlament wieder über Griechenland abstimmen. Werden die Abgeordneten abermals Herrn Schäuble glauben oder werden sie nach ihrem Gewissen und den Fakten entscheiden, ihm die rote Karte zeigen und dem teuren Wahnsinn ein Ende bereiten?

Die Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich haben gemeinsam die Wirtschaftsbücher „Der größte Raubzug der Geschichte – warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“ und nun „Der Crash ist die Lösung – warum der finale Kollaps kommt“.

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