Cyber-Konflikt zwischen USA und Russland Mit lockeren Tweets kann Trump keine Weltpolitik machen

Russland antwortet mit Friedenstauben auf die Ausweisung seiner Diplomaten aus den USA. Damit hat jetzt vor allem einer ein Problem: Donald Trump. Aus der Umarmung des Kreml kann er sich nicht einfach heraus twittern.

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Mit provokanten Twitterpostings aus der Hüfte mischt sich Trump immer wieder in die offizielle Außenpolitik ein und düpiert Freunde und Feinde. Quelle: dpa

San Francisco Eine Massenausweisung von russischen Diplomaten und Geschäftsleuten, Sanktionen gegen Russland wegen angeblicher Cyberattacken zur Beeinflussung der US-Wahlen zugunsten von Donald Trump: Die USA und Russland steuern drei Wochen vor der Machtübergabe an Donald Trump auf den schwersten politischen Konflikt seit Beendigung der Kuba-Krise im Jahr 1962 zu – könnte man meinen. Doch Russland antwortet auf die beispiellose Aktion mit einer überraschenden Einladung an amerikanische Diplomatenkinder zur Neujahrsfeier im Kreml. Eine mögliche Ausweisung von US-Diplomaten ist auf einmal kein Thema mehr. Die Botschaft von Wladimir Putin ist klar: Wer ist schon Barack Obama? Wir freuen uns auf Donald Trump!

Barack Obama hätte die Strafaktion gegen Russland auch seinem Nachfolger überlassen können. Doch blieb ihm keine andere Wahl, um Trump daran zu erinnern, was es bedeutet, ein Präsident der USA zu sein: Nämlich von der ersten bis zur letzten Minute Verantwortung zu tragen. Und noch heißt der Präsident Barack Obama – und der fällt die Entscheidungen.

Es war bisher eine ungeschriebene Tradition in den USA, dass sich der kommende Präsident in der kurzen Übergangsfrist bis zu seiner Vereidigung nicht in die Politik des Landes – weder im Inneren noch im Äußeren – einmischt. Er nutzt die Zeit, um seinen Regierungsapparat aufzubauen und für einen reibungslosen Übergang der Macht zu sorgen. Im Gegenzug vermeidet der scheidende Präsident allzu massive Aktionen, wenn sie sich vermeiden lassen. Ob Bill Clinton oder George W. Bush, Ronald Reagan oder Jimmy Carter – alle hatten es so praktiziert. Denn der Welt sollte klar sein: Amerika spricht mit einer Stimme. Doch seit November 2016 gilt das nicht mehr.

Trump hat bislang nicht nur alle anderen Regeln der US-Politik missachtet, sondern auch diese. Mit provokanten bis sinnbefreiten Twitterpostings aus der Hüfte mischt er sich immer wieder in die offizielle Außenpolitik ein, düpiert Freunde und Feinde, bringt das Verhältnis zu China an den Rand des Gefrierpunktes, setzt sich bei der UN für Israel ein, droht der Weltvereinigung dann unverhohlen, wenn ihm ein Ergebnis nicht passt.

Er postet verklausuliert den Eintritt in ein neues atomares Wettrüsten mit Russland. Eine Beteiligung des Kremls an Cyberattacken weist er dagegen als absurd zurück und verhöhnt die eigenen Geheimdienste, die das behaupten. Das seien ja schließlich auch diejenigen gewesen, die damals „Massenvernichtungswaffen“ im Irak entdeckt hatten. Die Unterstützung Obamas durch hochrangige Republikaner wie Senator John McCain, die ebenfalls eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe der Cyberspionage fordern, ignoriert er.

Trump befindet sich jetzt in einer beispiellosen Zwickmühle. Er sieht sich einer offenen Herausforderung durch seinen Vorgänger gegenüber und einer Herausforderung durch einen ausländischen Machthaber. Und nicht irgendeinen: Wladimir Putin herrscht über ein wiedererstarktes Russland mit politischen Machtinteressen in Osteuropa und im Mittleren Osten. Trump kann ab dem 20. Januar die Entscheidungen Obamas entweder bestätigen oder aufheben. In beiden Fällen drohen ihm ernste Konsequenzen.

Rehabilitiert er Russland, ohne die Hacker-Vorwürfe nachhaltig zu entkräften, macht er sich im Inland neue Feinde, auch unter seinen Anhängern. Das konservative Amerika hat traditionell ein ernstes Problem mit Russland und dem Kommunismus. Der Anschein könnte sich verfestigen, Trump zahle tatsächlich nur alte Schulden bei Moskau zurück – dafür, dass Putin ihn mit gezielten Indiskretionen an die Macht gebracht habe. Die gehackten E-Mail-Konten der Demokraten gehen auf russische Angriffe zurück, so die US-Geheimdienste.

Behält er die Sanktionen bei, wird sich die Eiseskälte zwischen den beiden Großmächten trotz Neujahrsfeier im Kreml weiter verstärken. Putin hat klare Vorstellungen von einer Trump-Politik. Er will die Aufhebung der bestehenden und der neuen Sanktionen, die Anerkennung seiner friedensstiftenden Politik in Syrien und die politische Legitimierung der 2014 annektierten Krim. Das Sahnehäubchen wäre ein Rückzug der Nato aus Osteuropa.

Trump hat ebenfalls vitale Interessen in Russland. So liegt zum Beispiel ein Multi-Milliarden-Dollar-Öl-Projekt von Exxon wegen der Sanktionen brach. Eingefädelt wurde es von Rex Tillerson, Exxon-CEO und Träger des Ordens des Freundes des Volkes von Russland, der jetzt Außenminister werden soll. Eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland war ein zentraler Punkt von Trumps Wahlkampf.

Obama hat auf jeden Fall eines geschafft: Trump, der sich derzeit eher mit innenpolitischem Kleinkram wie der persönlichen „Rettung“ von ein paar hundert Arbeitsplätzen darstellt oder auf einer „Dankeschön“-Tour von seinen Anhängern feiern lässt, ist in der bitteren Realität eines Präsidenten angekommen, der Weltpolitik machen muss und den seine schnell gemachten Versprechen einholen.

Mit einem lockeren Tweet wird er dieses Problem nicht mehr lösen können. Denn eines wollen die amerikanischen Wähler garantiert nicht: Dass Trump seine nächste politische „Dankeschön“-Tour nicht in North Carolina abhält, sondern im Kreml in Moskau.

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