Deniz Yücel Merkel muss die Freilassung fordern – nicht darauf hoffen!

Es ist schlicht Blödsinn, dass die Türkei uns in der Hand hat und die Kanzlerin Präsident Erdogan nicht kritisieren darf. Wir haben sogar Druckmittel und sollten sie nutzen, damit Journalist Deniz Yücel freikommt.

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"Annäherung an die EU immer schwieriger"
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Außenminister Sigmar Gabriel Quelle: dpa
Bundesjustizminister Heiko Maas Quelle: AP
FDP-Bundesvorsitzener Christian Lindner Quelle: dpa
Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu Quelle: dpa
Axel-Springer- Vorstandschef Mathias Döpfner Quelle: dpa
Menschenrechtsorganisation Amnesty International Quelle: REUTERS

Typisch Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin hat nur das Nötigste gesagt. Die Untersuchungshaft für „Welt“- Korrespondent Deniz Yücel sei „bitter und enttäuschend“, außerdem „unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat.“ Die Bundesregierung erwarte, dass die türkische Justiz im Fall Yücel „den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft“ berücksichtige. „Wir werden uns weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt.

Zitate von Deniz Yücel

Wie bitte? Die Bundesregierung hofft, dass Yücel bald seine Freiheit zurückerlangt? Nein, die Kanzlerin sollte seine Freilassung fordern. Nicht irgendwann, sondern sofort – ohne Wenn und Aber. Schluss mit höflichen Formulierungen!

Nicht viel anders der Noch-SPD-Chef: Sigmar Gabriel ist voll in seiner neuen Rolle als oberster Chefdiplomat der Bundesregierung angekommen und sprach von „schwierigen Zeiten für die deutsch-türkischen Beziehungen“. Der Fall Deniz Yücel werfe „ein grelles Schlaglicht auf die Unterschiede, die unsere beiden Länder offensichtlich bei der Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze und in der Bewertung der Presse- und Meinungsfreiheit haben.“ Schön beschrieben, Herr Außenminister. Aber auch hier fehlt die unmissverständliche Aufforderung an die Türkei, Yücel müsse freigelassen werden - und zwar sofort.

Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis

Yücel war am Montag nach knapp zwei Wochen im Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft genommen worden. Die kann bis zu fünf Jahre dauern. Dem 43-jährigen werden laut „Welt“, für die er als Korrespondent aus der Türkei berichtet, „Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung“ vorgeworfen.

Warum reagiert die Bundesregierung nicht entschiedener? Der Flüchtlingsdeal, den Präsident Recep Tayyip Erdoğan womöglich aufkündigen könnte, wenn die Bundesregierung ihn zu hart kritisiert, ist kein Argument. Erdogan hat kein Interesse daran, die Zusammenarbeit mit den Europäern zu beenden. Er braucht die Milliarden-Hilfszahlungen der  EU und will ein neues Massensterben im Mittelmeer verhindern. Das Erpressungspotential, welches Erdogan zugeschrieben wird, hat er in Wirklichkeit nicht. Natürlich brauchen wir die Hilfe der Türkei, damit sich die Flüchtlingskrise nicht wieder verschärft. Aber die Türkei sitzt dabei nicht am längeren Hebel.

Nicht verhandelbar

Im Gegenteil: Die Europäer und insbesondere die Deutschen können sogar Druck aufbauen. Wie der Spiegel kürzlich berichtete, bittet die Erdogan-Regierung Deutschland um Hilfe, um die schwierige wirtschaftliche Lage unter Kontrolle zu bekommen. Demnach hofft die Türkei wieder auf mehr Besucher aus Deutschland und ganz Europa, die die Binnenkonjunktur der Türkei stärken würden. Auch Kredite und Hilfszahlungen waren demnach im Gespräch.

U-Haft für Journalist sorgt für Spannungen mit Türkei

Hier muss die Bundesregierung ansetzen. Sollten die Türken Yücel nicht freilassen, müsste Berlin dem Wunsch nach mehr wirtschaftlicher Kooperation und Zusammenarbeit mit der Türkei ablehnen. Ja, die Türkei ist ein strategischer Partner. Über die Nato sind wir sogar militärische Partner. Aber wenn die Türkei die Pressefreiheit verletzt und einen deutschen Journalisten festsetzt, sind Sanktionen gegen die Türkei ein schmerzhafter aber logischer Schritt.

Manche sagen nun, Yücel sei nicht nur Deutscher, sondern auch Türke. Warum sollten wir uns also überhaupt einmischen? Es stimmt, Yücel hat zwei Pässe. Er ist der Sohn eines türkischen Einwanderers, wurde in der Nähe von Frankfurt geboren und arbeitet für eine deutsche Zeitung. Der Fall Yücel ist also keine innertürkische Angelegenheit, es ist ein deutsch-türkischer Stresstest.

Visumfreiheit: Was die EU von der Türkei verlangt

Bislang hat die Bundesregierung mahnende Worte gewählt. Doch was Yücel in der Türkei erwartet, hat mit einem rechtsstaatlichen Verfahren wie wir es kennen nichts zu tun. Dass sich deutsche Diplomaten im Hintergrund um eine Lösung bemühen, ist gut und richtig. Aber im Fall Yücel braucht es nicht nur Diplomatie. Unsere Bundesregierung muss die Werte unseres Grundgesetzes offen verteidigen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein Menschenrecht, das nicht verhandelbar ist. Das sollte die Kanzlerin dem türkischen Präsidenten sagen.

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