Der Krieg in Gaza Bei Bombenhagel Applaus

Manchen Israelis tun die Palästinenser in Gaza aufrichtig leid. Andere zeigen offen ihre Freude über die israelischen Bombardements. Auf den Anhöhen bei Sderot ist für sie das Kampfgeschehen großes Kino.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wie im Kino? In Sderot, mit Blick auf den Gazastreifen, schauen Israels zu, wie Raketen fliegen. Quelle: AFP

Sderot Die Grenze zwischen Israel und dem nördlichen Gazastreifen verläuft in flachem Land. Auf israelischer Seite liegt zwei Kilometer entfernt die Stadt Sderot. Mehrere Hügel sind ihr vorgelagert. Von dort bietet sich ein Blick, der bis zu den Hochhäusern der sieben Kilometer entfernten Stadt Gaza reicht.

Auf einem der Hügel haben sich an diesem Vormittag israelische und ausländische Journalisten und ein paar israelische Schaulustige eingefunden. Die Fernsehreporter nutzen das Panorama mit dem umkämpften Gazastreifen als Kulisse für ihre in dramatischem Tremolo vorgetragenen Kriegsberichte.

Andere beobachten das Geschehen. Israelische Panzer manövrieren in der Zone vor der Gaza-Ortschaft Beit Hanun, in die die Armee bei ihrer Bodenoffensive vorgerückt ist. Aus der Ferne hallen dumpf die Einschläge israelischer Granaten und Bomben. Plötzlich schießen aus dem Häusermeer von Gaza sieben oder acht Raketen hoch, erkennbar an dem orangenen Feuerschweif, den sie beim Abschuss für kurze Zeit nach sich ziehen.

„Die gehen nach Aschkelon“, sagt einer der Schaulustigen mit Blick auf die etwa 15 Kilometer entfernte Industrie- und Hafenstadt. Wenige Minuten später blitzt in Gaza ein Funke auf, ungefähr an der Stelle, an der die Raketen abgegangen sind – wahrscheinlich die israelische Antwort. Die Reporter erfahren über einen SMS-Dienst: Die israelische Raketenabwehr hat sieben Grad-Raketen über Aschkelon unschädlich gemacht.


„Die Menschen drüben tun mir leid“

Meir und Schmuel, zwei Schaulustige aus Aschdod, einer weiteren häufig beschossenen südisraelischen Stadt, zeigen sich erfreut über jede israelische Bombe, die Gaza trifft. An ihrer Kleidung sind die zwei Männer als religiöse Juden erkennbar. „Ja, wir freuen uns“, sagt Meir, der ältere von beiden, „weil sie uns auch dauernd beschießen.“ Die Zivilisten täten ihnen leid, sagen sie, aber die seien eben „Geisel“ der militant-islamischen Hamas, die im Gazastreifen herrscht. Und außerdem stehe in den heiligen Schriften: „Wer aufsteht, um dich zu töten, den töte du zuerst.“

Der Gleiswärter Mosche Maimoni zeigt die Fragmente einer Granate herum, die am Vortag auf dem Gleis der Bahnlinie nach Aschkelon einschlug. Dazu gehört auch ein langer, spitzer Nagel. Ihre selbst gebauten Sprengkörper füllen die Militanten in Gaza häufig mit Metallsplittern und Nägeln, um ihre tödliche Wirkung zu erhöhen. Dieser hatte nur einen geringfügigen Schaden an dem Gleis angerichtet, der schnell wieder repariert war. Der Verkehr auf der Bahnlinie ist derzeit wegen des Kriegs ohnehin eingestellt.

Doch anders als viele andere Israelis hier freut sich Maimoni nicht über die Bombeneinschläge auf der anderen Seite. „Die Menschen drüben tun mir leid. Ich kenne viele von ihnen persönlich. Viele waren meine Arbeitskollegen.“ Der Gleiswärter arbeitete früher in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft. Vor 15 Jahren, vor den letzten Zuspitzungen des israelisch-palästinensischen Konflikts, seien dort bis zu 300 Palästinenser aus Gaza beschäftigt gewesen.

Die einfühlsame Haltung des Bahnarbeiters ist nicht unbedingt typisch für die Bewohner dieses Grenzlands, das besonders schwer unter dem Beschuss aus Gaza zu leiden hat. Immer wieder kommen Menschen aus Sderot auf die Hügel, vor allem nach Sonnenuntergang, wenn sich die Explosionsblitze auf dem dunklen Himmel besonders deutlich abzeichnen. Auf mitgebrachten Campingstühlen sehen sie dem Kampfgeschehen zu wie im Kino. Bei Bombeneinschlägen brandet Applaus auf.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%