Der scheidende Bundespräsident Hohe Auszeichnung für Gauck in Paris

Joachim Gauck erhält den Ehrendoktor in Paris und hat dementsprechend eine Dankesrede vorbereitet. In dieser spricht er sich für ein gemeinsames Europa aus. Doch er hat noch mehr zu erzählen.

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Der scheidende Bundespräsident wird von dem Pariser Universitätspräsidenten als „Kämpfer der Freiheit“ bezeichnet. Quelle: dpa

Paris Große Ehre für Joachim Gauck und für Deutschland: Die Universität Sorbonne in Paris hat den scheidenden Bundespräsidenten am Donnerstag mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Gauck nutzte seine Dankesrede für einen eindringlichen Appell, gerade in Krisenzeiten für die bedrohten europäischen Ideale zu kämpfen.

Universitätspräsident Barthélémy Jobert würdigte Gauck als einen „Verteidiger der Freiheit“ und „Advokaten der Menschenrechte“. Aber die Ehrung der Sorbonne gelte nicht nur ihm persönlich, „sondern auch dem Land.“

Jobert nannte Gauck „eine der Leitfiguren der friedlichen Revolution in der DDR“. Er würdigte auch Gaucks Einsatz für die Aufarbeitung vergangener deutscher Verbrechen, etwa durch seinen Besuch in Oradour-sur-Glane, wo er 2013 an ein Massaker der Waffen-SS während des Zweiten Weltkriegs erinnerte.

Sichtlich bewegt nannte Gauck die Auszeichnung „einen Traum, den ich nie zu träumen gewagt hätte.“ Die deutsch-französische Freundschaft und das europäische Einigungsprojekt seien kein Wunder gewesen, sondern das Ergebnis engagierter und nüchterner Arbeit. „Das war nicht von einer überirdischen Macht gnädig geschenkt worden, sondern das ließen Europäer in Wort und Tat Stück für Stück Wirklichkeit werden.“


„Alle denkbaren Grausamkeiten sind hier begangen worden“

Vor rund 600 Gästen im Großen Auditorium betonte Gauck, viele Menschen in Europa hätten derzeit das Gefühl, dass das für unwiderruflich gehaltene Versprechen von Freiheit und Solidarität, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit „unter unseren Händen zu zerrinnen scheint“.

Europa habe in seiner Geschichte viel Schreckliches hervorgebracht und viel Schreckliches erlebt. „Alle denkbaren Grausamkeiten sind hier begangen worden“, sagte er. „Es gab nie ein goldenes Zeitalter und es wird vermutlich auch nie eines geben. Es gibt nur den immer wieder neu zu beginnenden Kampf für Humanität, für Freiheit und Recht, für Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie.“

Mit Blick auf die europäische Geistesgeschichte sagte Gauck: „Religion braucht Kritik und Selbstkritik.“ Eine Religion, die sich Kritik verbiete, habe sich intellektuell erledigt. „Um sich dennoch zu behaupten, werden manche ihrer Anhänger gewalttätig. Im 12. nicht anders als im 21. Jahrhundert.“ Eine klare Trennung von Kirche und Staat gehöre wesentlich zur europäischen Identität.

Am Nachmittag sollte Gauck, der im März aus dem Amt scheidet, vor der exklusiven Académie Francaise sprechen. Sie hat seit ihrem Bestehen bislang nur wenige Könige, Fürsten, Staats- und Regierungschefs empfangen. Die erste war Königin Christine von Schweden im Jahr 1658. Der König von Kambodscha kam 2006. Im Revolutionsjahr 1789 wurde auch Prinz Heinrich von Preußen zu einem Besuch in die Akademie geladen.

Am Mittwoch war Gauck auch mit Präsident François Hollande zusammengetroffen.

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