Detroit ist insolvent Warum deutsche Städte nie pleite gehen

Seit Monaten konnte Detroit die Feuerwehr nicht mehr bezahlen. Nachts musste die Straßenbeleuchtung ausbleiben. Jetzt ging es nicht mehr: Die ehemalige Autometropole musste Insolvenz anmelden. Auch in Deutschland sind viele Gemeinden hoch verschuldet. Wieso das deutsche Recht trotzdem keine Insolvenz zulässt.

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Detroit meldet Insolvenz an. Die Ausgaben überstiegen die Einnahmen jährlich um bis zu 100 Millionen Dollar. Quelle: AP

Die einstige Autometropole an der Ostküste kann nicht mehr zahlen. Rund 18,5 Milliarden Dollar hat die Stadt an Schulden angehäuft. Die Ausgaben sollen mittlerweile jährlich mehr als 100 Millionen Euro höher gewesen sein als die Einnahmen. Langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von rund 8,5 Milliarden Dollar fressen fast 20 Prozent des Haushalts auf. Darüber hinaus belasten Pensionsverpflichtungen die Stadt.

In den vergangenen Tagen fiel dann die endgültige Entscheidung. Die Stadt meldete Insolvenz an. Nun kommt es auf Kapitel 11 im Bundesrecht der Vereinigten Staaten an. Darin wird die Insolvenz von Kommunen geregelt. Über 100 Mal wurde dieses Verfahren bereits durchgeführt.

In Deutschland wäre ein solcher Antrag nicht möglich. In allen 16 Gemeindeordnungen der Bundesländer findet sich dieser oder ein ähnlicher Satz: "Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommune ist unzulässig." Bereits seit 1898 wird den Ländern das Recht gewährt, die Kommunen aus der Haftung zu nehmen. Das heißt, egal wie hoch die Schulden einer Stadt sind: Pleite gehen kann sie nicht.

Für die Finanzierung von Kommunen ist das sehr wichtig. Sie leihen sich Geld von Banken und diese leihen es den Kommunen gerne. „Weil die Kommunen nicht pleite gehen könnten, sind die Banken sich sicher, dass ein Kredit nicht ausfällt", weiß Heiner Cloesges vom Bund der Deutschen Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen. Das heißt egal wie hoch eine Stadt verschuldet ist, für die Banken besteht kein Risiko. "Am Ende kann man immer auf den Steuerzahler zurückgreifen", sagt Cloesges.

Ohne diese Regelung hätten wahrscheinlich schon einige Kommunen vor der Überlegung gestanden, ob eine Insolvenz nicht doch sinnvoll sein könnte. Viele Gemeinden in Deutschland werden nur noch per Nothaushalt geführt. Besonders in Nordrhein-Westfalen ist die Lage katastrophal. Die Kommunen sind so hoch verschuldet wie nie. Im Dezember 2012 betrugen die Schulden der Gemeinden laut Angabe des Statistischen Landesamts NRW rund 58,1 Milliarden Euro. Das sind rund 3260 Euro Schulden pro Einwohner. Einen ausgeglichenen Haushalt nur acht der 396 Kommunen in NRW.

Bedenkliche Entwicklungen

Oberhausen ist die am höchsten verschuldete Kommune Deutschlands. 2012 waren es rund 1,8 Millarden Euro. Quelle: dpa

An der Spitze der Pleitekommunen steht Oberhausen. 1,8 Milliarden Euro Schulden hat die Stadt. Das sind 8373 Euro pro Einwohner. „Bei uns gibt es in einigen Kommunen bedenkliche Entwicklungen", sagt Heiner Cloesges. Oberhausen sei so ein Fall. Trotzdem appelliert er nicht für ein anderes Insolvenzrecht. „Ich gehe davon aus, dass Banken ab einen gewissen Punkt nicht mehr mitmachen würden, wenn die Schulden so weiter steigen.“ Dazu ist es allerdings erst einmal in Deutschland gekommen. 2011 hatte eine Bank der Stadt Ochtrup in NRW einen Kredit verweigert. Die Stadt mit 20.000 Einwohnern hat 27 Millionen Euro Schulden. Das sind 1.400 Euro je Ochtruper. Im Vergleich zu Oberhausen geradezu wenig. Trotzdem verweigerte die Bank den Kredit. Gegenüber Zeit Online erklärte die zur Genossenschafts- und Raiffeisenverbund gehörende WL-Bank ihre Absage mit dem mangelhaften Haushaltskonzept der Stadt. "Die Entscheidung der Bank gilt nicht nur für Ochtrup, sondern für alle Kommunen mit einem nicht gesicherten Haushaltskonzept", so der Sprecher André Krabbe damals.

"Trotzdem gibt es viele Gründe, warum Kommunen nicht pleitegehen sollten", sagt Cloesges. Denn in Detroit ist das passiert, was nicht passieren darf. Feuerwehr und Polizei konnten nicht mehr bezahlt werden. Die öffentliche Versorgung vielerorts nicht mehr gewährleistet werden. Dies wird in Deutschland durch die Gemeindeordnung verhindert.

Dass die Kommunen trotzdem sparen, wird von den Aufsichtsbehörden überprüft. Eine Kommune kann trotz der Bestimmung nicht ewig Schulden machen. Sie muss ihren Haushalt vorlegen und die Sparmaßnahmen und Auflagen umsetzen. "Es gibt zwar immer wieder Überlegungen über eine Reform", sagt Cloesges. Schließlich sollen die Steuerzahler nicht unnötig belastet werden. Aber nicht jedes Verfahren, was privatwirtschaftlich funktioniere, sei auch für öffentliche Stellen sinnvoll. Er ist sich sicher: "Die Konsequenzen einer Änderung wären für die Kommunen nicht absehbar."

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