Deutsch-amerikanisches Wirtschaftsverhältnis Liebesgrüße aus Washington

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Kleine Signale mit großer Wirkung

Auch das Reizthema China könnte Amerikaner und Europäer neu vereinen. Für die amerikanische Regierung ist das Handelsbilanzdefizit das Grundproblem ihrer Wirtschaftspolitik. "Die USA suchen in uns einen Verbündeten gegen China", sagte Zypries nach dem Gespräch mit dem US-Handelsbeauftragten Lighthizer. Zwar hat Deutschland ein großes Interesse an Handel mit China. Doch auch in Deutschland wächst der Unmut gegenüber einer Handelspolitik, die es chinesischen Unternehmen ermöglicht, deutsche Firmen zu kaufen, aber umgekehrt den bedingungslosen Marktzutritt verwehrt.
Als erste Maßnahmen einer neuen Liaison zwischen den Wirtschaftsministerien in Washington und Berlin definierten Ross und Zypries Arbeitsgruppen für drei Themenfelder: Berufliche Bildung, weil die Amerikaner darin ein eigenes Defizit erkannt haben. Industrie 4.0, weil Digitalisierung überall auf der Welt Top-Thema ist. Und eben China, weil beide Länder ihre Probleme mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht haben. "Wir werden den Amerikanern Informationen zur Verfügung stellen", sagte Zypries nach ihrem Gespräch mit Ross. Es gebe schließlich "gemeinsame Interessen wegen der Stahlüberproduktion" in China. Künftig werde man etwa die Position der deutschen Stahlindustrie in der Arbeitsgruppe einfließen lassen.
Zypries' Werbetour für deutsche Interessen bezeichnete die SPD-Ministerin als "gelungen". Den Vorwurf, sie habe viel zu lange gewartet, nach Washington zu reisen, lächelte sie weg: Es habe auch lange Zeit keine klaren Verantwortlichkeiten innerhalb der US-Administration gegeben. Nach vielen Gesprächen in Washington mit Regierungsvertretern und Politikern beider Parteien sei ihr klar geworden, dass "alle der Auffassung sind, dass wir freien Handel brauchen".

Wissenswertes zum internationalen Handel

Die Frage bleibt nur, wie die US-Amerikaner Globalisierung definieren wollen. Es scheint sich immer klarer heraus zu kristallisieren, dass Deutschland und Europa nicht die größten Feindbilder der USA sind. US-Präsident Trump forderte die Europäer anfangs noch auf, es den Briten mit ihrem Brexit gleichzutun. Doch diese Töne vernimmt man seltener. Auch die NATO scheint längst nicht mehr obsolet.
Die Probleme sind damit aber nicht gelöst und die Unsicherheiten nicht vom Tisch. Einigen Industrien droht Washington mit Strafzöllen, weil Billigimporte die nationale Sicherheit gefährdeten könnten. Derzeit laufen Prüfungen, ob Wirtschaftsminister Ross seinem Präsidenten die Einführung neuer Zölle empfehlen wird. Dass er eine gewisse Affinität zur Old Economy hat, zeigt sich an den Bildern im Besucherzimmer des Wirtschaftsministers. Ross ließ alte Bilder durch Aufnahmen von glühendem Stahl ersetzen. Strafzölle könnten auch anderen Industrien drohen.

Auch das Handelsdefizit der USA gegenüber Deutschland bleibt ein Streitthema. "Wir glauben nicht, dass das Defizit am Handelsabkommen liegt", sagte Zypries. Doch die US-Regierung wie etwa Handelsbeauftragter Lighthizer sieht das anders. Die Tatsache, dass die Amerikaner mehr Dienstleistungen exportierten als importierten, spiele in der Analyse der Amerikaner offenbar keine Rolle. Hier klaffen inhaltliche Welten auseinander. Auch das Verhältnis zur Welthandelsorganisation WTO ist noch ungeklärt.
Auch bei der Frage, wie man den G20-Gipfel in Hamburg zu einem Erfolg bringen kann, gibt es keine Einigung.

Bislang endete jeder Gipfel mit einem Schlussplädoyer, das folgenden Satz beinhaltete: "We will resist all forms of protectionism". Diesen Satz hatten die Amerikaner in dem Schluss-Communique beim Finanzministertreffen in Baden-Baden gestrichen. Einen alternativen Satz gibt es noch nicht. Kleine Signale haben in Krisenzeiten eine große Bedeutung.

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