Deutsch-polnisches Verhältnis Kein Freundschaftsspiel

Wenn am Abend in Paris Deutschland gegen Polen spielt, werden sich beide Mannschaften nichts schenken. Ähnlich steht es um die Beziehungen beider Länder: Deutsche wie polnische Politiker neigten jüngst zu Frustfouls.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Deutsche und polnische Fans können sehr freundlich miteinander umgehen – den Politkern fällt es oft nicht so leicht. Quelle: dpa

Berlin Die Zeit der Freundschaftsspiele ist vorbei – sportlich, wie politisch: Wenn am Donnerstagabend die deutsche Nationalmannschaft im Stade de France bei Paris auf Polen trifft, können die Zuschauer eine intensive Partie erwarten. Für beide Mannschaften geht es um viel: Der Sieger macht einen großen Schritt in Richtung Achtelfinale, der Verlierer muss um das Weiterkommen zittern. Die Spieler kennen sich gut, der polnische Top-Stürmer Robert Lewandowski und einige seiner Mannschaftskollegen spielen seit Jahren in der Bundesliga. Und auch für den DFB-Offensivmann mit polnischen Wurzeln, Lukas Podolski, ist es ein besonderes Spiel. Die Kontrahenten werden sich auf dem Platz nichts schenken.

Unter ähnlichen Vorzeichen stehen auch die politischen Beziehungen beider Länder: Einige Stunden vor dem Anpfiff in Frankreich empfing Bundespräsident Joachim Gauck seinen polnischen Amtskollegen Andrzej Duda. Anlass sind die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. Doch das Fußballspiel wollten beide nicht zusammen schauen. Duda bevorzugt beim Mitfiebern seine Landsleute in der polnischen Botschaft. Gauck verfolgt das Spiel privat. Die Freundschaftsspiel-Atmosphäre, die beide Länder in jahrzehntelanger Annäherung und Aussöhnung pflegten, ist verflogen. Spätestens seit in Warschau eine nationalkonservative Regierung an der Macht ist.

Besonders der Chef der regierenden Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, forciert seither Angriffe über den rechten Flügel. In Interviews mit regierungsnahen polnischen Medien wirft er Deutschland regelmäßig Kolonialdenken und Hegemonie-Bestrebungen vor. Zudem verpasst er kaum eine Gelegenheit, Deutschland an seine Schuld im Zweiten Weltkrieg zu erinnern.

Angesichts solcher Äußerungen gibt sich auch Bundespräsident Gauck nicht mit der Rolle eines Zuschauers am Spielfeldrand zufrieden, sondern schaltet sich in die Debatte ein: „Immer, wenn man ohne Not auf alte Ressentiments zurückgreift, erschwert man das Miteinander. Das gilt innenpolitisch wie außenpolitisch“, mahnte er im polnischen Wochenmagazin „Polityka“. Gauck bezeichnet sein Verhältnis zum früheren polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski als „freundschaftlich“, über dessen Nachfolger Duda äußert er sich weniger euphorisch. Fairplay sieht anders aus.

Als grob unsportliches Verhalten dürfte Kanzlerin Angela Merkel die Haltung der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydlo in der Flüchtlingskrise empfunden haben. Während Merkel für eine Willkommenskultur warb und eine europaweite Verteilung der Flüchtlinge durchsetzen wollte, setzten Polen, Ungarn und andere osteuropäischen Länder auf ein Abwehrbollwerk. „Es zeigt sich, dass der eingeschlagene Weg nicht weiterführt. Wir brauchen eine Kehrtwende“, sagte Szydlo.

Für Misstöne zwischen Berlin und Warschau sorgte auch die umstrittene Justizreform der neuen polnischen Regierung. Beobachter sehen das Verfassungsgericht des Landes als faktisch entmachtet an. Zudem geht die nationalkonservative Regierung gegen missliebige Journalisten vor. In Polen wiederum wurde die Reaktion der EU auf das Reformpaket als diplomatische Blutgrätsche empfunden: Die EU eröffnete im Januar diesen Jahres ein offizielles Verfahren gegen das Mitgliedsland, Polen könnte seine Stimmrechte in EU-Institutionen verlieren.

Die Fußballpartie Deutschland-Polen wird wegen der Rivalität deutscher und polnischer Hooligans von der UEFA als Hochrisiko-Spiel eingestuft. Dass das auch für die diplomatischen Beziehungen gilt, musste Deutschlands Botschafter in Polen Anfang des Jahres erfahren: Deutsche Politiker wie Unionsfraktionschef Volker Kauder und der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatten die Justizreform und das Mediengesetz kritisiert. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski zitierte daraufhin den Botschafter Rolf Nikel zu einem Treffen, wegen „antipolnischer Äußerungen deutscher Politiker.“

Vor dem Spiel sagte der polnische Torjäger des FC Bayern, Robert Lewandowski: „Wir haben ja schon gesehen, dass Deutschland gegen Polen Probleme bekommen kann.“ Ein Satz, dem Angela Merkel seit der Flüchtlingskrise auch auf politischer Ebene zustimmen dürfte.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%