Deutscher Streit mit Erdogan „Reisewarnung der Türkei ist ein schlechter Witz“

Politiker verurteilen Erdogans Reisewarnung für Deutschland scharf. Kanzleramts-Chef Peter Altmaier bezeichnet sie als „schlechten Witz“, die Partei die Linke fordert eine förmliche Reisewarnung für die Türkei.

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Der Kanzleramtsminister gab auf Twitter seine Meinung über die türkische Reisewarnung kund. Quelle: dpa

Delbrück/Berlin/Ankara Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Vertreter aller Bundestagsparteien haben mit Empörung auf die Warnung der türkischen Regierung vor Reisen nach Deutschland reagiert. „Ich will hier ganz deutlich sagen: Zu uns kann jeder türkische Staatsbürger reisen“, sagte die CDU-Vorsitzende am Sonntag auf einer Wahlkampfveranstaltung im nordrhein-westfälischen Delbrück.

Kanzleramts-Chef Peter Altmaier (CDU) nannte sie auf Twitter einen „schlechten Witz“. Das Auswärtige Amt wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz twitterte: „Türkei gibt Reisewarnung für Deutschland raus. Fakt ist: In der Türkei, nicht bei uns werden Journalisten verhaftet, die ihre Meinung sagen.“ Ähnlich äußerten sich auch Vertreter von Linkspartei, FDP und Grünen.

Am Samstag hatte das Außenministerium in Ankara gewarnt: „Die Wahlkampf-Kampagnen in Deutschland fußen auf gegen die Türkei gerichteten Ressentiments und zielen darauf ab, den Beitritt unseres Landes zur EU zu verhindern.“ Türkische Bürger sollten vorsichtig sein, fremdenfeindliche Attacken seien nicht auszuschließen. Die politische Atmosphäre in Deutschland sei beeinflusst von rechtsradikaler und rassistischer Rhetorik. Die Warnung der türkischen Regierung folgt einer Verschärfung der Reisehinweise des Auswärtigen Amtes für die Türkei.

„Bei uns wird kein Journalist verhaftet, kein Journalist in Untersuchungshaft gesteckt. Bei uns herrscht Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit – und darauf sind wir stolz“, sagte Merkel. Sie verwies auf den in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. „Er sitzt nach unserer Sicht völlig unbegründeterweise im Gefängnis so wie mindestens elf andere Deutsche.“

Der Spitzenkandidat der Grünen, Cem Özdemir, rief die deutsch-türkischen Bürger auf, nicht auf die Propaganda des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hereinzufallen. Für die FDP sagte deren Abgeordneter im Europa-Parlament, Alexander Graf Lambsdorff, der Funke Mediengruppe, dem türkischen Präsidenten sei offenbar jedes Mittel recht, um weiter zu provozieren. Die Spitzenkandidatin der Linken, Sahra Wagenknecht, warf der Bundesregierung per Tweet vor, sich vor einer förmlichen Reisewarnung für die Türkei zu drücken, während Erdogan eine solche für Deutschland herausgebe.

Seit dem 26. Juli rät die Bundesregierung zu erhöhter Vorsicht bei Türkei-Reisen, sie hat aber bislang keine explizite Warnung veröffentlicht. Verwiesen wird auf nicht nachvollziehbare Festnahmen von Deutschen. Das Auswärtige Amt bemüht sich seit Wochen um die konsularische Betreuung festgenommener Deutscher, die von den türkischen Behörden verweigert oder nur sporadisch zugelassen wird.

Die Türkei verdächtigt die Inhaftierten, die Urheber des gescheiterten Militärputsches vom vergangenen Jahr unterstützt zu haben. Der bekannteste Fall ist der des Doppelstaatlers Yücel, der seit mehr als 200 Tagen in Haft sitzt.

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