Deutschland und die Türkei Das Lose-Lose-Verhältnis

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Deutsche Unternehmen bleiben in Türkei - trotz Terror und Inhaftierungen

In der Türkei sind knapp 7000 deutsche Unternehmen aktiv. Trotz Terroranschlägen, Putschversuch und der darauffolgenden Inhaftierungen von über 100.000 vermeintlichen Verschwörern, hat kein deutsches Unternehmen das Land bisher verlassen. Das Handelsvolumen liegt bei 37 Milliarden Euro, und blieb trotz der politischen Spannungen in den letzten Monaten stabil. Nur leicht, um 1,6 Prozent, waren die deutschen Exporte in die Türkei zurückgegangen.

Auch war gerade erst in den letzten Monaten etwas Entspannung zu spüren. Nach dem Referendum zum Präsidialsystem rechneten viele mit einem milderen und versöhnlicheren Kurs Erdoğans. Diese Einschätzung erwies sich zwar als falsch, aber immerhin konnte die türkische Wirtschaft im ersten Quartal wieder mit fünf Prozent wachsen.

Bei vielen Unternehmern gilt momentan: Kopf einziehen und warten, bis sich die Lage beruhigt. "Die Stimmung ist angespannt, viele möchten nicht offen sprechen", sagt ein deutscher Mittelständler. Mit Namen genannt werden möchte auch er deswegen nicht. Trotzdem sagt er: "Es wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird."

Unter einer weiteren Eskalation dürften sowohl Deutschland als auch die Türkei leiden, letztere aber wesentlich stärker. Wirtschaftlich ist das Land fest in die Liefer- und Wertschöpfungsketten Europas eingebunden. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Türkei. Für Deutschland aber kommt die Türkei erst an Stelle 15 beziehungsweise 16.

Freilich, Erdogan kann weiterhin mit einem Aufkünden des Flüchtlingspakts drohen. Doch selbst darunter dürfte die Türkei mehr leiden als Deutschland. Die Flüchtlingsströme haben sich längst Richtung Mittelmeer verschoben. An der Grenze zur Syrien baut die Türkei eine Mauer.

Den 2,5 bis drei Millionen syrischen Flüchtlingen geht es zwar nicht blendend, viele aber haben inzwischen ein Auskommen in der Türkei gefunden, und haben kein Interesse eine beschwerliche Reise mit unklaren Ausgang auf sich zu nehmen. (Dazu beigetragen haben zynischerweise vor allem die Bilder aus überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln.) Schließlich lässt sich Erdogan den Deal mit vier Milliarden Europa gut bezahlen.

Große Sympathien hatte Erdogans rabiater Kurs bei Unternehmern nie, und manch einer wünschte sich mehr oder weniger heimlich, die Bundesregierung würde endlich eine härtere Gangart anschlagen. Nach der Verhaftung des Menschenrechtlers Steudtner scheint dies nun der Fall zu sein. Für deutsche Unternehmen ist es ebenso wie für türkische Unternehmen wichtig, dass rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten werden. Geht die Eskalationsspirale allerdings weiter, wird es am Ende nur Verlierer geben.

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