Diktator in Berlin Was will Merkel von Gurbanguly Berdimuhamedow?

Die Kanzlerin empfängt am Mittag den turkmenischen Präsidenten. Die Ex-Sowjetrepublik hat eines der schlimmsten Regimes weltweit. Der Staatschef kümmert sich wenig um Menschenrechte – und schreibt lieber Bücher über Tee.

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Bei einem Ranking zur Pressefreiheit liegt Turkmenistan auf dem drittletzten Platz. Quelle: dpa - picture-alliance

Berlin Wenn Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow sein neues Buch verschenkt, dann stehen Minister in Turkmenistan stramm. Sie nehmen das Werk mit beiden Händen und küssen es andächtig. In islamischer Tradition gebührt solche Ehrfurcht eigentlich nur dem Koran. Doch der Präsident der Ex-Sowjetrepublik in Zentralasien legt Wert darauf, dass auch seine Worte geschätzt werden. Zu beobachten war das zuletzt im März, als der studierte Zahnarzt über „Tee - Heilmittel und Inspiration“ geschrieben hatte. Es war sein 35. Buch.

Der bizarre Kult um Berdimuhamedow ist Ausdruck eines Regimes, das Menschenrechtler zu den repressivsten weltweit zählen – vergleichbar mit Nordkorea. Am Montagmittag empfängt Kanzlerin Angela Merkel den „Arkadag“ (Beschützer) von Turkmenistan in Berlin. Dessen Wüstenstaat grenzt politisch sensibel an den Iran und an Afghanistan. Außerdem verfügt er über die viertgrößten Gasreserven der Welt.

Im Vorfeld des Besuchs rief die Organisation Human Rights Watch (HRW) die Kanzlerin auf, sich bei ihrem Gespräch für die Einhaltung von Menschenrechten einzusetzen. Merkel sollte das Treffen mit Berdimuhamedow nutzen, um Unterdrückung in der früheren Sowjetrepublik anzusprechen, sagte der Leiter der HRW-Abteilung Europa und Zentralasien, Hugh Williamson, der Deutschen Presse-Agentur.

Williamson prangert insbesondere drei Missstände in dem zentralasiatischen Land an: Das Verschwinden Dutzender Menschen in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren, Einschränkungen der Pressefreiheit sowie willkürliche Ausreiseverbote. Das Land mit seinen 5,2 Millionen Einwohnern gilt als fast so abgeschottet und diktatorisch wie Nordkorea. Auf der Rangliste von Reporter ohne Grenzen zur Pressefreiheit in 180 Ländern rangiert Turkmenistan auf dem drittletzten Platz.

Lange Zeit war Russland der größte Kunde der gewaltigen turkmenischen Gasreserven. Doch nach Streitigkeiten stellte der staatliche russische Konzern Gazprom den Kauf zu Jahresbeginn ganz ein, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete. Berdimuhamedow setze nun auf andere Länder wie China und Indien und neue Pipelines, darunter eine Leitung durch das Kaspische Meer Aserbaidschan und die Türkei gen Westen.


Prunk und Armut in der Hauptstadt

Berdimuhamedow, der im Dezember 2006 an die Macht kam, verfolgte in den ersten Jahren seiner Herrschaft eine vorsichtige Öffnung, bahnte internationale Geschäfte an. 2012 ließ er sich im Amt bestätigen in einer Wahl, die wie alle anderen von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als weder frei noch fair eingestuft wurde.

Die Armut in Turkmenistan ist groß. In keiner anderen Ex-Sowjetrepublik kommt von einem hohen Nationaleinkommen so wenig bei der Bevölkerung an, wie der Uno-Index für menschliche Entwicklung 2015 feststellte.

Turkmenistan ist laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ das fünftärmste Land der Welt, 25 Prozent der Einwohner müssen mit weniger als 1,25 Dollar am Tag auskommen. Dennoch entstünden in der Hauptstadt Aschgabat ein neuer Flughafen und Hochhäuser. Aschgabat ist eine geteilte Stadt: Es gibt einen menschenleeren Repräsentationsteil mit Prunkbauten, eine Mischung aus Moskau und Las Vegas. Die Menschen leben dagegen in einfachen Plattenbauten.

Doch die Armut scheint Berdimuhamedow wenig zu interessieren. Er schreibt offenbar lieber Bücher, als sich um das Wohlergehen der Bevölkerung zu kümmern. Das Festhalten goldener Worte in einem Buch hat er sich von seinem Vorgänger Saparmurad Nijasow (1940-2006) abgeschaut. Der „Turkmenbaschi“ (Führer der Turkmenen) machte seine Philosophie im Buch „Ruchnama“ zur Pflichtlektüre. Unter dem Ex-Parteifunktionär und ersten Präsidenten Turkmenistans stieg Berdimuhamedow auf, wurde dessen Leibarzt und Gesundheitsminister. Nach Nijasows Tod 2006 übernahm er handstreichartig die Macht.

Beim Personenkult hat Berdimuhamedow seinen Ziehvater Nijasow fast eingeholt. Seit 2015 zeigt ein goldenes Denkmal in der Hauptstadt Aschgabat den Präsidenten auf einem Pferd der Achal-Tekkiner-Rasse. Die schlanken Wüstenrenner sind der Stolz Turkmenistans. Der Präsident kümmert sich als Kenner um die Zucht und hat verboten, dass je bei einem im Stammbuch verzeichneten Pferd der Name geändert wird.

Auch im Sport ist Berdimuhamedow persönlich aktiv. Nach den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro mussten sich Funktionäre bedrohliche Fragen anhören, warum denn keiner der neun turkmenischen Athleten eine Medaille gewonnen habe.

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