Diplomatischer Drahtseilakt Obamas knifflige Reise nach Ostafrika

Terrorismus, Korruption, Menschenrechtsverstöße: US-Präsident Barack Obama muss in Kenia und Äthiopien viele Probleme ansprechen. Aber wie viele Baustellen kann er bei dem Kurztrip nach Ostafrika in Angriff nehmen?

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Bei seiner Reise nach Ostafrika erwartet den US-Präsidenten ein diplomatischer Drahtseilakt. Quelle: ap

Nairobi, Addis Abeba Fast musste man fürchten, es wird nichts mehr. Noch vor Ende seiner Amtszeit werde er Kenia einen Besuch abstatten, kündigte US-Präsident Barack Obama im Juni 2013 bei einer Rede vor Studenten in Südafrika an. Ghana, Tansania und den Senegal hatte er ebenso bereist wie Ägypten – doch um das ostafrikanische Heimatland seines Vaters hatte der erste schwarze Präsident der USA stets einen Bogen gemacht. Nun löst er sein Versprechen endlich ein.

Im Grunde war es eine Nachricht aus dem niederländischen Den Haag, die Obamas Besuch in Kenia Ende dieser Woche mit anschließendem Stopp in Äthiopien erst möglich machte. Denn erst als im Dezember klar wurde, dass der Prozess gegen Kenias Staatspräsident Uhuru Kenyatta vor dem Internationalen Strafgerichtshof platzt, konnten die Reiseplaner des Weißen Hauses loslegen. Ein Treffen mit dem Mann, der sich wegen Gewalttaten nach der dortigen Präsidentenwahl 2007 – darunter Mord, Vergewaltigung und Deportationen – verantworten sollte, wäre undenkbar gewesen. Damals wurden mehr als 1000 Menschen getötet.

Dank der zurückgezogenen Klage hätten sich die Wogen im Verhältnis mit den USA etwas geglättet, sagt der ehemalige US-Botschafter in Kenia, Mark Bellamy. Knifflig dürfte die Begegnung mit Kenyatta dennoch werden. Denn während Washington im Kampf gegen die islamistische Al-Shabaab-Miliz auf die Zusammenarbeit mit Nairobi setzt, muss Obama zugleich heikle Fragen wie Menschenrechtsverstöße ansprechen. Oppositionelle wurden verfolgt und teilweise gewaltsam mundtot gemacht, die Organisation Human Rights Watch spricht von Tötungen, willkürlichen Festnahmen und Folter. Schwierig werde für Obama, diese Punkte mit Nachdruck zu thematisieren, ohne sie den Rest seines Besuchs überschatten zu lassen, meint Bellamy.


„Nach Kenia zu fahren ist eine dumme Idee“

Und selbst ohne die Klage vor dem Weltstrafgericht haben Obamas Pläne reichlich Kritiker auf den Plan gerufen. Denn der Prozess gegen Kenyattas Stellvertreter William Ruto wegen ähnlicher Vorwürfe läuft bereits. In diesem wie in Kenyattas Fall seien Zeugen bestochen oder eingeschüchtert worden, sagt Maina Kiai, UN-Sondergesandter für Versammlungsfreiheit, im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Die Menschen haben sich aus Angst aus dem Kenyatta-Verfahren zurückgezogen“, sagt Kiai. „Nach Kenia zu fahren ist eine dumme Idee, Herr Präsident“, sagt auch Robert Rotberg vom Woodrow Wilson Center.

Herbe Kritik hagelte es auch nach der Ankündigung, Obama werde auch in Äthiopien Station machen. Die Washington Post mahnte, der Besuch sende „das falsche Signal“, da das Land am Horn von Afrika bezüglich der Achtung der Menschenrechte und der Demokratie weiterhin weltweit auf den hinteren Plätzen liegt. Es sei „unfassbar, dass er Zeit für einen (...) Schänder der Menschenrechte wie Äthiopien findet, während er einer Nation wie Nigeria, die gerade Zeuge eines historischen, friedlichen und demokratischen Machtwechsels geworden ist, die kalte Schulter zeigt“, monierte das Blatt.

Erst Ende Mai wurde im zweitbevölkerungsreichsten Staat Afrikas ein neues Parlament gewählt. Resultat: Die Regierungspartei und ehemalige Rebellenorganisation EPRDF, die 1991 das brutale Militärregime des Diktators Mengistu Hailemariam gestürzt hatte und seither an der Macht ist, sicherte sich erneut 99,8 Prozent der Mandate.

Solche Ergebnisse werden in Afrika meist nicht wegen herausragender Regierungsführung erzielt, sondern weil die Opposition massiv unterdrückt wird. Dabei hatte Obama 2009 bei seiner ersten Afrikareise als Präsident bei einer Rede vor dem Parlament von Ghana noch betont: „Wir müssen starke und nachhaltige demokratische Regierungen unterstützen.“


Genug Baustellen für Obama

Zu denen zählt Äthiopien nicht. Hinzu kommt die Missachtung der Meinungs- und Pressefreiheit. Bis vor kurzem saßen noch 19 Blogger und Journalisten wegen ihrer regierungskritischen Haltung im Gefängnis, allein 2014 gingen über 30 Reporter ins Exil. Vor wenigen Wochen – und Beobachtern zufolge rechtzeitig vor dem Obama-Besuch – wurden überraschend zwei Blogger und drei Reporter freigelassen.

Trotz aller Vorwürfe erhält Äthiopien ähnlich wie Kenia massive Entwicklungshilfe, unter anderem aus den USA und aus Deutschland. Denn das christlich-orthodox geprägte Land ist einer der stärksten Verbündeten der USA im Kampf gegen islamistische Terroristen in der Region. Speziell im Nachbarland Somalia ist die äthiopische Armee gegen Extremisten der Al-Shabaab-Miliz im Einsatz. Zudem nimmt kein anderes Land des Kontinents mehr Flüchtlinge auf als Äthiopien, darunter vor allem Südsudanesen und Eritreer.

Obwohl Äthiopien noch immer eines der ärmsten Länder der Welt ist, verzeichnet es doch seit Jahren ein massives Wirtschaftswachstum von durchschnittlich fast elf Prozent. Ausländischen Investoren macht das Appetit. Auch ist die boomende Hauptstadt Addis Abeba Sitz der Afrikanischen Union (AU). Im prächtigen, von China gebauten Plenarsaal der Staatengemeinschaft will Obama eine Rede halten. Beobachter hoffen, dass er dabei der äthiopischen Regierung ins Gewissen redet – und auch bei den anderen repressiven Regimen Afrikas einen demokratischen Wandel anmahnt.

Genug Baustellen also, zu denen Obama – zumindest vorsichtig – Stellung beziehen sollte. „Was Afrika zurückhält, ist kein Mangel an Kapazitäten, sondern unsere verdammte politische Führungsschicht“, sagt UN-Mann Maina Kiai. „Ich argumentiere nicht, dass wir Anführer wie Angela Merkel oder Barack Obama haben sollten. Aber wir sollten wenigstens Anführer haben, denen wir wichtiger sind als sie selbst.“

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