Der große Eklat ist ausgeblieben. Ende Januar telefonierten US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel miteinander. Der mächtigste Mann und die mächtigste Frau der Welt diskutierten über die NATO, die Lage im Nahen Osten und die Beziehungen zu Russland. Große Harmoniebekundungen blieben anschließend aus. Doch wenn man bedenkt, welche Meinungsverschiedenheiten Deutschland und die USA seit der Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten voreinander herschieben, ist es ein gutes Zeichen, dass das Telefonat zwischen Merkel und Trump nicht im Streit endete – wie etwa das Gespräch zwischen dem Republikaner und dem australischen Ministerpräsident Malcolm Turnbull. Trump soll seinen Amtskollegen angebrüllt und vorzeitig aufgelegt haben.
Merkel hingegen erhielt am Ende des Telefonats eine Einladung von Trump nach Washington. Dieser wollte sie am Dienstag folgen - doch daraus wurde zunächst nichts. Ein Schneesturm legte den Verkehr an der US-Ostküste lahm. Am Freitag kommt es nun endlich zu dem wichtigen wie schwierigen Treffen. Das primäre Ziel der beiden Regierungschefs dürfte lauten: Streit vermeiden und vielmehr Gemeinsamkeiten zu suchen und zu betonen. „Ich würde mich wundern, wenn heikle Themen bis ins Detail diskutiert werden“, sagt Martin Thunert, Dozent und Politikwissenschaftler am „Center for American Studies“ der Universität Heidelberg. „Vielmehr werden beide versuchen, sich kennenzulernen und zunächst eine persönliche Beziehung aufzubauen.“ Das ist leichter gesagt, als getan. Stehen sich doch zwei Politiker gegenüber, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier der impulsive US-Präsident, der um Aufmerksamkeit buhlt und die Konflikte sucht. Dort die Bundeskanzlerin, die Eitelkeit verachtet, Pragmatismus lebt, und oftmals nach Zwischentönen sucht denn nach harten Botschaften.
Inhaltlich gibt es mindestens vier große Themengebieten, auf denen sich Konflikte andeuten. Etwa bei der Bankenregulierung. Merkel kündigte vor ihrem Besuch an, nicht nur als Bundeskanzlerin in die US-amerikanische Hauptstadt zu reisen, sondern auch als Gastgeberin des G20-Gipfels im Sommer. Die Kanzlerin will, dass die Veranstaltung ein Erfolg wird, um mit Rückenwind in die heiße Phase des Wahlkampfs in Deutschland zu gehen. Vor allem Trump könnte ihr die Tour vermiesen. Unter anderem möchte die Bundesregierung bei dem Gipfeltreffen in der Hansestadt gemeinsame Bankenregeln forcieren. Trump hingegen machte mehr als klar, dass er andere Ideen mit der Finanzindustrie hat.
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
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Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Unlängst forderte er das Finanzministerium auf, die Dodd-Frank-Gesetze zu überprüfen. Diese legen strenge Eigenkapitalregeln für Banken fest, haben den Verbraucherschutz erhöht und dem Eigenhandel einen Riegel vorgeschoben. Damit soll laut Trump Schluss sein. Bleibt der US-Präsident bei seiner harten Linie, werden sich die G20 kaum auf einheitliche Regeln einigen können. Dann droht eher ein neuer Negativ-Wettlauf um die geringsten Auflagen.
In der Außen- und Sicherheitspolitik haben sich die Wogen etwas geglättet. Von seiner Drohung, das Militärbündnis NATO im Zweifel zu verlassen, ist Trump inzwischen abgerückt. Auch, weil Deutschland Entgegenkommen signalisierte, und bereit ist, mehr in die Verteidigung zu investieren. Strittig ist weiterhin der Umgang mit Russland. Während Trump gewillt es, die Beziehungen zum ehemaligen Klassenfeind zu normalisieren, beharren Deutschland (und die Mehrheit der Mitgliedsländer der Europäischen Union) auf einen harten Kurs gegenüber Putin und seiner Regierung. „Merkel würden sicher gerne hören, dass die Russland-Sanktionen nicht sofort aufgehoben werden“, sagt US-Experte Thunert. Ob es so kommt: ungewiss. Dennoch bleibt unter dem Strich, dass die Außen- und Sicherheitspolitik wohl nicht die größte Baustelle in dem bilateralen Gespräch werden wird. Die Diskussionen um die Handelsbeziehungen der beiden Länder etwa dürften deutlich konfliktreicher werden.
US-Regierung hält an protektionistischem Kurs fest
Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro, ein fundamentaler Gegner des Freihandels, hat Deutschland innerhalb weniger Wochen gleich zwei Mal frontal angegriffen. Zunächst warf er der Bundesrepublik vor, sie würde per „Währungsmanipulation“ die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unfairerweise stärken. In der vergangenen Woche legte der Ökonom nach: Das Handelsbilanzdefizit der USA mit Deutschland sei „eine ernste Sache“, über die zu reden sei.
Richtig ist: Die deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten übertrafen im vergangenen Jahr 2016 die Einführung von dort um 49 Milliarden Euro. Nur im Handel mit Großbritannien ist der deutsche Überschuss noch größer. Die Bundesregierung sieht in den deutschen Überschüssen eine Stärke der eigenen Wirtschaft und deren Produkte. Und: Da sie weder die Lohnfindung in Deutschland beeinflusst noch die Gemeinschaftswährung bewegen kann, hat die Regierung – selbst bei bestem Willen – wenig Handhabe.
Die USA denken laut über eine Strafsteuer nach – das allerdings würde wohl beide Seiten schwächen: Deutschland, das weniger exportieren kann. Und die die USA, deren Verbrauchen plötzlich mehr zahlen müssten, da die heimische Wirtschaft in vielen Punkten auf deutsche (Zulieferer-) Produkte angewiesen ist. Und: Deutsche Unternehmen produzieren und investieren im großen Stil in den USA. Einem Bericht von BDI und DIHK zufolge beschäftigen deutsche Firmen 672.000 Mitarbeiter in den USA.
Wie viele Deutsche Trumps Vorschläge auch bei uns gerne verwirklicht sähen
Die Deutschen mögen Donald Trump nicht. Nur wenige Prozent hätten für den Republikaner gestimmt, ergaben Umfragen vor der US-Wahl. Doch ist ihnen womöglich nur der Mensch zuwider, nicht sein Programm? Und fürchtet die überwiegende Mehrheit, dass Trump ein gefährlicher Präsident wird? Eine aktuelle Ipsos-Umfrage im Auftrag der WirtschaftsWoche liefert dazu erstaunliche Erkenntnisse.
Auf die Frage, welche Trump-Vorhaben die Deutschen auch hierzulande gerne umgesetzt sähen, antworteten satte 56,3 Prozent, sie wollten die Abschiebung aller illegalen Ausländer.
34 Prozent der Befragten stimmen Trumps Forderung nach mehr Durchgriffsrechten für die Polizei zu.
Immerhin 30,6 Prozent wünschen sich weniger Einkommensteuer.
26,2 Prozent wünschen sich gar eine strikte Einreiseregulierung für Muslime.
Die Ablehnung der Deutschen gegen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP zeigt sich auch in dieser Umfrage. 19 Prozent sähen auch hierzulande gerne ein Ende/Neuverhandlung der Freihandelsabkommen.
15 Prozent der Befragten sind für den Aufbau engerer Beziehungen zu Putins Russland.
Die Erbschaftsteuer sähen 13 Prozent der Befragten auch in Deutschland gerne abgeschafft.
Immerhin 4 Prozent wünschen sich eine Einführung von (Schutz-)Zöllen für Importe.
Mehrfach drohte der designierte US-Präsident mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Nur 2 Prozent der Befragten sind für einen Austritt beziehungsweise Rückzug aus dem Klimavertag.
17 Prozent der Befragten ist nicht nur die Person Donald Trump zuwider. Auch das Programm des Republikaners stößt auf Ablehnung.
Gemessen an der Ablehnung seiner Person, sehen die Bundesbürger Trumps Rolle in der Welt noch vergleichsweise milde. 57,2 Prozent der Deutschen gehen davon aus, Trump werde vom Weißen Haus aus die Welt politisch destabilisieren.
55,9 Prozent erwarten negative Auswirkungen für Deutschland.
Zu den möglichen Folgen für die USA ist die Skepsis viel größer: Nur 12,2 Prozent sagen, Trump werde die internationale Position seines Landes nachhaltig verbessern.
Merkel wird auf die Verdienste der deutschen Unternehmen in den USA verweisen, die Jobs schaffen, oftmals überdurchschnittliche Löhne zahlen und in die Aus- und Weiterbildung der US-Belegschaft investieren. So schaffen Siemens, Daimler oder Thyssen-Krupp genau die Jobs in der Produktion, die Trump ansiedeln will. „Das deutsche Engagement ist eine Steilvorlage, die Merkel – auch in öffentlichen Äußeren – nutzen wird“, glaubt US-Experte Martin Thunert. Ob die Argumente der Deutschen – vorgetragen nicht nur von Merkel, sondern auch von den beiden Dax-Chefs Joe Kaeser (Siemens) und Harald Krüger (BMW), die die Bundeskanzlerin begleiten werden – verfangen, ist dennoch fraglich. Die US-Regierung scheint an ihrem protektionistischen Kurs festzuhalten. Den „grundsätzlichen Dissens bei ökonomischen Fragen“ werde man wohl kaum ausräumen können, sagt auch Thunert. „Da bleibt nur, auf Zeit zu spielen und Provokationen zu vermeiden.“
Ähnliches gilt laut dem Politikwissenschaftler bei den emotionalen Streitfragen Migration und Nachhaltigkeit. Während sich die USA abschotten und Trump offen die Flüchtlingspolitik Deutschlands kritisiert, hält die Bundesregierung an ihrer Politik fest, dass Menschen in Not geholfen werden müsse. Ob sich Merkel bei ihrem Besuch öffentlich zu den Einreiseverboten von Menschen aus bestimmten Ländern in die USA äußert, darf mindestens bezweifelt werden. Und auch beim Klimaschutz werden Trump und Merkel wohl erkennen, „dass die Prioritäten der beiden Länder derzeit nicht kompatibel sind“, so Thunert.
Das Treffen im Weißen Haus wird somit für beide Seiten heikel. Sollte es – wie das Telefonat zwischen Trump und Merkel Ende Januar – nicht im Eklat enden, wäre der Besuch der Bundeskanzlerin schon ein Erfolg.