Donald Trump im Faktencheck Was von Trumps Drohungen zu halten ist

Nato, Brexit, EU, Flüchtlinge, Autoindustrie – eine Woche vor seiner Amtseinführung schießt Donald Trump in einem Interview in alle Richtungen. Mit seinen markigen Aussagen bleibt er aber nicht immer bei der Wahrheit.

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Der künftige US-Präsident Donald Trump teilt in einem Interview aus gegen die Nato, die Europäische Union, Angela Merkel und deutsche Autobauer. Quelle: Reuters

Düsseldorf Strafzölle für Auto-Importe, schärfere Grenzkontrollen, überflüssige Nato: Vier Tage vor Amtsantritt wettert der künftige US-Präsident in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung und der Londoner „Times“ gegen alles, was ihm nicht passt und kündigt rigorose Maßnahmen an. Keine Spur von politischem Fingerspitzengefühl, kein Anzeichen für ein Abrücken vom lautem Wahlkampfgetöse.

Präsident Trump scheint so regieren zu wollen, wie er twittert: Hart, rücksichtslos und impulsiv. Ein Faktencheck aber zeigt, dass nicht nur seine Annahmen oft fehlerhaft sind – einige seiner Drohungen wird er auf eigene Faust auch nicht durchsetzen können.

Punkt 1: „Die Nato hat Probleme. Sie ist obsolet.“

Dieser Satz aus dem Gespräch verbreitete sich in den Medien wie ein Lauffeuer. Inhaltlich ist es aber nichts Neues. Dass der gewählte Präsident kein Freund des Militärbündnisses ist, hat er schon häufig ausgesprochen. So deutlich wie in diesem Interview wurde er aber selten. Zu alt und zu schwach sei der Nordatlantikpakt, sagt Trump.

Außerdem sei die Finanzierung unfair, da die anderen Staaten keinen „gerechten Anteil“ für den Schutz durch die USA zahlten. In diesem Punkt offenbart Trump sein Grundverständnis für Politik. Lehren aus der Geschichte, moralische Verpflichtungen oder Partnerschaften für das gemeinsame Ziel Frieden sind für ihn nur Merkmale einer Verweichlichung der modernen Politik.

Er schert sich um Beziehungen nicht um ihrer selbst willen, sondern analysiert alles aus der Warte des Geschäftsmannes. Alles muss für ihn einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden – auch die Nato ist da keine Ausnahme. Die horrenden Kosten liefern in seinen Augen nicht den nötigen Gegenwert.

Gemäß ihren Statuten unterscheidet die Nato bei den Beiträgen ihrer Mitglieder zwischen „direkter“ und „indirekter“ Finanzierung. Direkte Zahlungen der Nato-Mitglieder finanzieren beispielsweise das operative Militärbudget des Bündnisses. Dieses lag für 2016 bei 1,16 Milliarden Euro und dient zur Deckung der laufenden Kosten verschiedener Nato-Institutionen.

Nach einem festen Verteilungsschlüssel leistet jedes Mitglied einen entsprechenden Beitrag. Die USA steuern etwa 22 Prozent des Militärbudgets bei, Deutschland zahlt circa 14,5 Prozent. Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten kann von einem unverhältnismäßigen Anteil Washingtons also keine Rede sein.

Ein Austritt aus dem Bündnis scheint selbst unter einem Präsidenten Trump nicht zu erwarten. Zu groß ist der Rückhalt innerhalb der republikanischen Partei. Einige von Trumps designierten Ministern versuchten bereits, im Kongress unter Eid die Befürchtungen zu zerstreuen: „Wenn wir die Nato heute nicht hätten, müssten wir sie erschaffen“, sagte etwa der künftige Verteidigungsminister, General a.D. James Mattis.


Punkt 2: „Der Brexit ist großartig“

Im Gewühl von Akten, Büchern und Andenken in seinem Büro im Trump Tower sei irgendwo ein Brief der britischen Premierministerin Theresa May, sagt Trump zu Beginn des Interviews. „Sie bittet um ein Treffen, und wir werden uns gleich nachdem ich ins Weiße Haus gezogen bin treffen. Ich glaube, wir werden sehr schnell etwas hinbekommen“, sagt Trump.

Damit kommt er gleich auf ein Thema, über das er gerne spricht. Die Entscheidung der Briten sei „großartig“. Vielleicht sieht Trump Parallelen zwischen der für das Establishment überraschenden Wahl, die EU zu verlassen, und dem nicht weniger überraschenden Votum der Amerikaner für ihn als 45. Präsidenten.

Er sei ein großer Fan Großbritanniens, macht Trump klar. Deshalb werde er hart daran arbeiten, schnell ein Handelsabkommen zwischen den USA und dem Königreich auszuhandeln. Den Brexit habe er mehr oder weniger vorausgesagt und bislang laufe es sehr gut. Der Absturz des Pfund Sterling sei großartig für die Wirtschaft, die Geschäfte liefen großartig.

Flüchtlinge, Deutschland und Angela Merkel: Zu den Gründen für den Brexit hat Trump eine klare Meinung. Die Ursache für den Austritt seien vor allem die Flüchtlinge. „Wenn sie nicht gezwungen worden wären, all diese Flüchtlinge aufzunehmen – so viele, mit all den Problemen, die das mit sich bringt - dann wäre es nicht zum Brexit gekommen“, so Trump. Daraus möchte er konkrete Ableitungen für sein politisches Handeln ziehen. „Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören“, sagt der gewählte Präsident. Eine seiner ersten Amtshandlungen werde deshalb ein Erlass sein, der die Sicherung der Grenzen betrifft.

Tatsächlich stand die Asylfrage im Mittelpunkt der Brexit-Schlacht in Großbritannien. Doch schon seit Anfang 2016 gab es auf der Insel eine Art „Notbremsen“-Funktion. Bei starker Zuwanderung hätte ein Schutzmechanismus beantragt werden können, in dessen Folge eine Streichung von Sozialleistungen für EU-Ausländer möglich geworden wäre.

Großbritannien ist außerdem nie Mitglied des Schengen-Raums geworden. Auch EU-Bürger mussten sich also bei jeder Ein- und Ausreise ausweisen. Auch an der Aufnahme von Flüchtlingen aus den Krisengebieten des Nahen Ostens beteiligten sich die Briten fast überhaupt nicht. Knapp 20.000 Flüchtlinge wollte man bis 2020 aufnehmen – und zwar ausschließlich aus Syrien. Zum Vergleich: allein 2015 nahm die Bundesrepublik mehr als eine Million Flüchtlinge auf. Von einer „Zerstörung“ des Landes durch Flüchtlinge, wie Trump es nennt, kann also keine Rede sein.


Punkt 3: „Merkel hat einen katastrophalen Fehler gemacht“

Auch, wenn das Flüchtlings-Argument höchstens Ausdruck einer irrationalen Angst ist, zielt Trump damit auch gleich auf Bundeskanzlerin Merkel: Zwar habe er große Achtung vor ihr und liebe Deutschland, weil sein Vater von dort stammt. Eine ähnliche Situation wie Deutschland wolle er in Bezug auf die Flüchtlinge aber in seinem Land nicht erleben. „Ich finde, sie hat einen äußerst katastrophalen Fehler gemacht, und zwar, all diese Illegalen ins Land zu lassen“, so Trump. Der designierte US-Präsident gibt Merkel auch eine indirekte Schuld am LKW-Attentat vom Berliner Breitscheidplatz. Von den Folgen der Politik der offenen Grenzen habe Deutschland jüngst „einen deutlichen Eindruck bekommen“, erklärte Trump. Diese Aussagen dürften kaum verwundern. Schließlich wird Trump nicht müde, die Pläne für einen Mauerbau entlang der Grenze zu Mexiko zu preisen.

Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien aufzunehmen, kommt für ihn nicht in Frage, sein Land habe bereits genug Probleme. Es gebe keine Möglichkeit für die USA, diese Leute zu überprüfen. Deshalb spricht er sich für eine Behandlung der Flüchtlinge in den Krisengebieten aus. „Ich finde, wir hätten Sicherheitszonen in Syrien einrichten sollen, das wäre wesentlich billiger gewesen“, sagt Trump.

Die Kosten für die Maßnahmen wolle er den Golfstaaten in Rechnung stellen. „Die haben doch schließlich Geld wie kaum ein anderer.“ Diese Lösung wäre wesentlich billiger gewesen, als das „Trauma, das Deutschland jetzt durchmacht“.

Die Gründe für die Flüchtlingskrise sind für Trump klar. Vor allem das Handeln seiner Vorgänger im Weißen Haus hält er für ursächlich. „Schauen Sie, diese ganze Geschichte hätte nie passieren dürfen. Der Irak hätte gar nicht erst angegriffen werden dürfen, stimmt’s? Das war eine der schlechtesten Entscheidungen, möglicherweise die schlechteste Entscheidung, die in der Geschichte unseres Landes je getroffen wurde. Wir haben da etwas entfesselt – das war, wie Steine in ein Bienennest zu schmeißen. Und nun ist es einer der größten Schlamassel aller Zeiten.“

Er hat aber auch gut Reden. Mit dem Atlantik als unüberwindbares Hindernis zwischen den Krisengebieten des Nahen Ostens und den Vereinigten Staaten, sind die Auswirkungen der Flüchtlingskrise dort nur wenig zu spüren.


Punkt 4: „Es werden weitere Länder aus der EU austreten.“


Trumps Aussagen zur Europäischen Union haben viele verstört. Es sind auch in diesem Thema vor allem wirtschaftliche Argumente, die Trump anführt. „Schauen Sie, zum Teil wurde die Union gegründet, um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr?“ Dass die Union zur Sicherung des Friedens gegründet wurde, ficht den gewählten Präsidenten nicht an.

Er glaubt an einen baldigen Zerfall der Union, Großbritannien sei nur der Anfang. „Wenn Sie mich fragen: Es werden weitere Länder austreten.“ Hatte sein Vorgänger Barack Obama Europa noch als historisches Projekt bezeichnet, redet Trump ein Auseinanderbrechen der EU geradezu herbei. Jean-Claude Juncker, den Präsidenten der EU-Kommission, bezeichnet der gewählte Präsident als „angenehm“, ohne seinen Namen zu nennen.

Trumps Kalkül ist auch in diesem Punkt einfach: Wir gegen die, ihr gegen uns. Je schwächer Europa, desto stärker die USA. Dass ein intaktes Europa als Partner in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht Vorteile für sein Land bringen kann, scheint Trump nicht zu glauben.

Punkt 5: „Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.“

Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist die Industrie, vor allem alles Rund um den Autobau. Deshalb sorgen vor allem in Deutschland Trumps Aussagen zur Autoindustrie für Aufregung. Nachdem er in den vergangenen Wochen bereits Ford und Toyota in seine Schusslinie gerieten, feuert der nächste Präsident nun Drohungen in Richtung BMW: „Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.“ Damit reagiert er vermutlich auf Pläne BMWs, ein Werk in Mexiko zu bauen. Dort sollen nach dem Willen der Münchner in Zukunft Wagen für Nordamerika produziert werden.

Diese Androhung von protektionistischen Maßnahmen kommt nicht zum ersten Mal. Strafzöllen auf Importe in die USA bringt Trump immer wieder ins Spiel. America first. Sowohl im Vorwahlkampf als auch in den Wochen nach seiner Wahl gab es derartige Ankündigungen.


Unfaire Autobauer?

US-Autobauer Ford hat in Folge der Drohungen bereits angekündigt, auf eine Milliardeninvestition in Mexiko für den Bau einer Fabrik zu verzichten. Stattdessen will Ford nun tausende neuer Arbeitsplätze in den USA schaffen und eine Fabrik im Bundesstaat Michigan bauen.

Dabei verschweigt Donald Trump in diesem Zusammenhang, dass BMW bereits seit Jahren seine SUVs in den USA fertigt. Die Modelle X3, X4, X5 und X6 laufen seit Jahren von den Bändern des Werks in South Carolina. Mehr als 8.000 Angestellte fertigen dort rund 1400 Fahrzeuge am Tag – auch für den deutschen Markt.

Auch Daimler fertigt seit Jahren in den Vereinigten Staaten, im Bundesstaat Alabama, seine SUVs. Seit 2014 wird auch die C-Klasse für den nordamerikanischen Markt dort gebaut. Nach Angaben des Unternehmens hängen über 10.000 Arbeitsplätze in der Region direkt oder indirekt von dem Werk ab. Mit einem Exportvolumen von jährlich 1 Milliarde US-Dollar ist das Unternehmen der größte Exporteur in Alabama.

VW hat sein 2011 eröffnetes Werk in Chattanooga/Tennessee zuletzt 2015 vergrößert. Die Fabrik mit ihren rund 3200 Beschäftigten hat eine Produktionskapazität von etwa 150.000 Stück. Neben dem Passat soll dort in diesem Jahr der neue SUV für den US-Markt namens Atlas vom Band rollen.

Gänzlich daneben liegt Trump aber mit seiner Analyse, dass das Geschäft mit den Autos nur in eine Richtung laufe. „Wenn man durch die 5th Avenue geht, hat jeder einen Mercedes-Benz vor seinem Haus stehen. Tatsache ist, dass ihr den USA gegenüber unfair wart. Es besteht keine Gegenseitigkeit. Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland? Nicht allzu viele, vielleicht gar keine, man sieht dort drüben gar nichts, es ist eine Einbahnstraße“, schimpft der gewählte Präsident.

Richtig ist: Im Jahr 2015 zog Mutterkonzern General Motors die Marke Chevrolet vom deutschen Markt zurück, um anderen Marken der Gruppe den Vortritt zu lassen. Seitdem ist Opel die einzige verbliebene Volumenmarke von General Motors in Deutschland. Opel und die britische Schwester Vauxhall kommen auf dem deutschen Automarkt auf sechs Prozent Marktanteil.

BMW trotzte derweil Trumps Drohung und stellte klar, an seinen Plänen für ein Werk in Mexiko festzuhalten. „Die BMW Group ist in den USA zuhause“, erklärte das Unternehmen am Montag in München. In dem Werk in San Luis Potosí in Mexiko werde von 2019 an die BMW 3er Limousine gebaut. „Die Produktion ist für den Weltmarkt bestimmt. Somit wird das Werk in Mexiko die bisherigen 3er-Prouktionsstätten in Deutschland und China ergänzen“, so das Unternehmen.

Die Androhung von Strafzöllen wird am Ende wohl nichts weiter als heiße Luft bleiben. Ohne Zustimmung des Kongresses ist eine solche Maßnahme nicht durchzusetzen und es wird schwer werden, genügend Republikaner davon zu überzeugen, einen Handelskrieg mit dem Rest der Welt vom Zaun zu brechen. Strafzölle würden nämlich am Ende zu Lasten der amerikanischen Kunden gehen, weil sie zu höheren Preisen führen.

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