Der verbissene Kampf des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gegen die Eltern des gefallenen US-Soldaten Humayun Khan geht in ihren sechsten Tag und es ist keine Entspannung in Sicht. Khizr und Ghazala Khan, die Eltern des 2004 im Irak gefallenen Captains, sind sogenannte „Gold-Star-Eltern“. So werden in den USA respektvoll Eltern genannt, die ein Kind in einem der Kriege der USA verloren haben. Die muslimischen Einwanderer aus Pakistan hatten vergangenen Donnerstag auf dem demokratischen Parteitag in einer emotionsgeladenen Rede die Politik Trumps demontiert.
Der habe selbst noch nie etwas geopfert und wohl auch noch nie die Verfassung der USA gelesen. Sie würden ihm gerne ihre Kopie davon ausleihen. Trump hatte beleidigt geantwortet, er habe auch viel geopfert, er habe Arbeitsplätze geschaffen, und er suggerierte, dass die Mutter nur stumm neben dem sprechenden Mann gestanden habe, weil sie vielleicht ihre Religion dazu zwinge. Der Gegenwind, der Trump danach aus allen Parteien und in der Öffentlichkeit entgegenblies, ist völlig unerwartet heftig und ausdauernd.
Von Präsident Barack Obama, der erklärte, er könne sich den „Blödsinn“ nicht mehr länger anhören, die manche über US-Soldaten verzapften, bis zum republikanischen Senator John McCain, der in einer unverblümt harschen Replik klarstellte, dass Trump zwar der Kandidat der Partei sei, ihm das jedoch keinen Freifahrschein ausstelle, um „die Besten unter uns“ zu diffamieren. McCain weiter: „Ich hoffe, dass die amerikanischen Bürger verstehen, dass diese Aussagen nicht die Meinung der Partei, ihrer Führer und Kandidaten“ darstelle. McCain war selbst in Vietnam abgeschossen und in Gefangenschaft gefoltert worden. Trump hatte über ihn gesagt, er sei kein Kriegsheld. Er möge niemanden, der sich gefangen nehmen lasse.
Die Marke Donald Trump
Als Baulöwe, Casinobetreiber, Golfclubbesitzer und Ausrichter von Schönheitswettbewerben hat der New Yorker ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar angehäuft – nach eigenen Angaben.
Trumps Satz „You’re fired“, mit dem er in der Show „The Apprentice“ ehrgeizige Jungunternehmer feuerte, wurde zum geflügelten Wort.
Trump spendete auch an Demokraten wie die Clintons, tritt nun aber für die Republikaner an.
Doch McCains klare Ansage ist mehr als eine persönliche Revanche. Er denkt an die Partei. Denn Trump ist nicht der einzige Kandidat, der am 8. November zur Wahl steht. Es stehen auch 34 von 100 Senatssitzen zur Disposition. Viele republikanische Senats-Kandidaten verzichten längst auf Wahlkampfauftritte von Trump. Viele von ihnen blieben sogar dem Parteikongress vor zwei Wochen fern, um nicht in das Fahrwasser des exzentrischen Polit-Populisten zu gelangen. Die Angst: Um einem möglichen Präsidenten Trump vorzubauen und um ihn in Schach zu halten, könnten viele Wähler sozusagen „zur Vorsicht“ einen demokratischen Senator wählen und die republikanische Mehrheit kippen. Dann hätte man wieder eine Machtbalance im Kongress.
Trump hat15 Konkurrenten weggebissen, vom Sprössling aus dem texanischen Politadel bis zum Quereinsteiger aus der Medizinbranche. Manche hatten nicht die Spur einer Chance. Andere verbrannten in wenigen Monaten über 100 Millionen Dollar, nur um sang- und klanglos unterzugehen. Wer immer sich mit ihm anlegt hat, wurde lächerlich gemacht, mit Spottnamen belegt, vom „Lying“ Ted, dem Lügner Ted, bis zur „Crooked“, korrupten, Hillary. Trump hampelte auf der Bühne rum, um einen Kritiker mit einer körperlichen Behinderung zu demütigen.
Bei Themen, die sich auf Frauen beziehen, erntete er johlende Zustimmung, sobald er über das Aussehen herzog oder „Frauenbeschwerden” als Erklärungsversuche für angeblich „unfaires“ Verhalten heranzog. Nichts schien dem Teflon-Kandidaten etwas anhaben zu können, der von sich sagt, er könnte auch jemanden auf der Straße erschießen, und würde trotzdem noch gewählt.
Bis Donnerstag. Khan demontierte die Person Trump in wenigen Minuten, ohne dass sich das Sturmgewehr der Niveaulosigkeit wie gewohnt per Twitter wehren konnte. Erst spät konterte und ritt sich dabei immer tiefer in den politischen Schlamm.
Trump hat ein Tabu gebrochen - und zeigt sich unerbittlich
„Es gibt bestimmte sakrosankte Grenzen, die auch mit noch so vielen Worthülsen nicht wieder repariert werden können, wenn sie einmal überschritten wurden“, heißt es in einem offenen Brief der größten Veteranenorganisation der USA, der Veterans of Forign Wars. Sie hat 1,7 Millionen Mitglieder. „Wer den Schmerz einer Mutter in Frage stellt, indem er impliziert, dass ihre Religion sie verstummen lässt und nicht ihr Schmerz, der greift auch uns an“.
Trump jedoch zeigte sich am Montag unerbittlich. Zwar erkannte er an, dass der gefallene Sohn ein Kriegsheld sei, jedoch nicht ohne nachzusetzen, der Vater habe ihn angegriffen und er müsse sich wehren dürfen. Gleichzeitig kritisierte sich der Immobilienmilliardär die dauernde TV-Präsenz von Khan.
Letztendlich versuchte er vom Thema abzulenken: „Es geht hier nicht um Khan, es geht um radikalen islamistischen Terror und die USA“, tweetete er, „Wacht auf!“.
Das brachte ihm nur wieder neue Verärgerung ein von Online-Kommentatoren, die ihn fragten, ob er den Toten jetzt in Verbindung zu Terroristen bringen wolle.
Mittlerweile ist auch Mike Pence im Strudel angekommen, der Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Als ihn die Mutter eines Sohns, der in der Luftwaffe dient, am Montag auf einer Wahlkampfveranstaltung fragte, wie er Donald Trump noch unterstützen könne, begann die Masse der Trump-Fans die Frau lautstark auszubuhen, wie der „Indystar“ berichtet. Pence musste den Saal zur Ordnung aufrufen und die Frau verteidigen: „So sieht Freiheit aus“, rief er aus, aber das wollten nicht alle hören.
Auch an anderer Stelle bekommt Trump weiter Gegenwind: Die Koch-Brüder, Multimilliardäre und langjährige Großspender der Republikanischen Partei, wollen Trumps Wahlkampf nicht unterstützten. Warren Buffett, einer der zehn reichsten Menschen der Welt, forderte Trump auf, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Dann werde er es auch machen. Trump hat seinen gesamten Wahlkampf bislang darauf aufgebaut, ein extrem erfolgreicher Geschäftsmann zu sein und für Bedürftige und Kriegsveteranen gespendet zu haben. Harte Belege dafür hat er aber noch nicht vorgelegt.
Und Buffett, dem man wirklich keine Erfolglosigkeit nachsagen kann, kartete auch in Sachen Khan nach: „Wie in aller Welt kann man sich gegen Eltern stellen, die einen Sohn verloren haben und über „Opfer bringen“ reden, nur weil man ein paar Häuser gebaut hat.“ Er habe auch viel Geld verdient, so Buffett. Aber „Opfer habe ich dafür nicht gebracht.”
Die Zeit läuft Trump davon. Seit Beginn der unseligen Diskussion hat sich auch die öffentliche Stimmung gegen Trump gewandt. In der jüngsten Umfrage von CBS führt Hillary Clinton in der Wählergunst wieder deutlich mit 46 zu 39 Prozent. Und es bleiben nur noch 100 Tage.