Der künftige US-Präsident Donald Trump greift nach Boeing das nächste Rüstungsunternehmen wegen angeblich hoher Kosten an. Diesmal traf es Lockheed Martin, das den Kampfflieger F-35 produziert. "Das F-35-Programm und die Kosten sind außer Kontrolle", kritisierte Trump am Montag per Twitter-Mitteilung. Er kündigte zugleich an, nach seiner Amtsübernahme am 20. Januar würden im Rüstungsbereich und anderen Feldern Milliarden Dollar gespart. Die Lockheed-Aktien fielen an der Wall Street bis zum frühen Nachmittag in New York mehr als fünf Prozent.
The F-35 program and cost is out of control. Billions of dollars can and will be saved on military (and other) purchases after January 20th.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 12. Dezember 2016
Wiederholt hat der Trump seit der Wahl bewiesen, dass er Twitter weiterhin nutzt, um seine Meinung lautstark kund zu tun - und dass mal launig, mal populistisch, mal angriffslustig. Damit schreckt er noch vor seinem Einzug ins Weiße Haus auch die Wirtschaft auf. Für die US-Unternehmen stellen die Tweets eine Herausforderung dar, das mussten Konzerne wie Boeing und Ford bereits erfahren.
Am Dienstagmorgen um 8.52 Uhr twittert Trump: „Boeing baut eine brandneue 747 Air Force One für künftige Präsidenten, aber die Kosten sind außer Kontrolle, mehr als vier Milliarden Dollar. Abbestellen!“ Beim US-Luftfahrtkonzern ist man perplex, erst Stunden später kommt ein dürres Statement. Was Trumps Aktion soll, bleibt nebulös - keiner weiß, wie er auf den Preis kommt. Zudem ist der Milliarden-Auftrag für die beiden neuen Präsidentenmaschinen laut Boeings Stellungnahme noch gar nicht erteilt worden.
Aber der Tweet zeigt Wirkung, die Boeing-Aktie gerät zwischenzeitlich spürbar unter Druck, und die Medien überbieten sich mit Schlagzeilen. Trump profiliert sich als Hüter von Steuergeldern, der verhindern will, dass der Konzern sich auf Staatskosten bereichert. Doch warum geht er damit noch vor Amtsantritt völlig unvermittelt an die Öffentlichkeit? „Ich glaube, es ist ein Schuss vor den Bug“, sagt Finanzanalyst D.R. Barton dem Sender CNBC. Es gehe Trump wohl einfach darum, sich vor den großen Rüstungslieferanten zu positionieren.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Nicht zuletzt Boeing ist auf Trumps Handelspolitik angewiesen. Sein Hang zum Protektionismus könnte dem Flugzeugbauer Probleme bringen. Denn das Unternehmen ist auf Exporte angewiesen und hat starke Geschäftsinteressen in China - und Trump droht dem Land wegen angeblichem Währungsdumping mit Strafzöllen.
Die Twitter-Querschüsse stellen einen für US-Unternehmen bislang unbekannten Risikofaktor dar. Bevor Trump Boeing ins Visier nahm, hatte er bereits den Autohersteller Ford in Verlegenheit gebracht. Er brüstete sich damit, Ford vom Verbleib eines Werks in den USA überzeugt zu haben - beim Unternehmen war allerdings nie von einer geplanten Verlagerung die Rede gewesen.
Trump kommunizierte den angeblichen Erfolg prompt über Twitter, was angesichts der Zeichenbeschränkung nicht gerade zu Detailreichtum und Transparenz führte. Mitunter bleiben so wichtige Informationen auf der Strecke. Das zeigte sich zuletzt etwa an einer angeblichen Großinvestition aus Japan, die Trump an Land gezogen haben wollte.
„Masa (SoftBank) aus Japan hat zugestimmt, 50 Milliarden Dollar in Firmen in den USA zu investieren“, twitterte Trump am Dienstagnachmittag. „Masa“, das ist Masayoshi Son, Multimilliardär und Vorstandschef des japanischen Telekom- und Technologie-Konglomerats Softbank. Trump verkündete in einem zweiten Tweet, Son investiere nur in den USA, weil Trump die Wahl gewonnen habe. Durch das Investment sollen 50 000 neue Jobs entstehen. Mit dem reichen Geschäftsfreund aus Japan im Arm triumphiert Trump später noch vor Reportern in seinem New Yorker Wolkenkratzer Trump Tower.
Die Szene hatte nur einen Makel: Die Investitionsoffensive stammt laut Son aus einem bis zu 100 Milliarden Dollar schweren Fonds, der bereits im Oktober - also vor der Wahl - angekündigt worden war. Pikant: Softbank selbst will sich nur mit 25 Milliarden Dollar beteiligen, ein deutlich größerer Anteil von 45 Milliarden Dollar soll von einem Staatsfonds Saudi-Arabiens beigesteuert werden. Den Scheichs hatte Trump im Wahlkampf noch vorgeworfen, durch Spenden an seine Rivalin Hillary Clinton Einfluss in den USA kaufen zu wollen.