Ein Berufungsgericht hat am Sonntag einen Eilantrag der US-Regierung abgelehnt, die Einreiseverbote wieder in Kraft zu setzen. Das Urteil des Richters James Robart aus dem Bundesstaat Washington, der das entsprechende Dekret von US-Präsident Donald Trump ausgesetzt hatte, bleibt damit zunächst rechtskräftig. Eine Entscheidung in der Sache steht noch aus - zunächst ging es nur um eine sofortige Umsetzung des Einreisestopps.
Es könnte mindestens eine Woche dauern, bis das in San Francisco ansässige Berufungsgericht entscheidet. Zunächst sind beide Seiten aufgefordert, ihre Argumente schriftlich einzureichen. Danach steht eine mündliche Anhörung an. Experten rechnen damit, dass der Rechtsstreit am Ende vor dem höchsten US-Gericht, dem Supreme Court, landet - und damit eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung bevorsteht.
Trump hatte sich kurz vor der Entscheidung von San Francisco noch optimistisch gezeigt: „Wir werden gewinnen. Für die Sicherheit des Landes werden wir gewinnen“, rief er Reportern am Rande einer Rot-Kreuz-Gala in seiner Ferienanlage in Florida zu. Vor dem Gelände protestierten Trump-Gegner ebenso wie in anderen US-Städten. Auch in London, Jakarta und Maila gingen Menschen gegen die US-Einreisebeschränkungen auf die Straße.
Trumps Amerika: Die Pläne des neuen US-Präsidenten
Trump will sich ganz von amerikanischen Interessen, vor allem den Sicherheitsinteressen leiten lassen. Höchste Priorität soll der Kampf gegen islamistische Terrororganisationen wie den Islamischen Staat (IS) haben. Russland wird in den Eckpunkten nicht direkt erwähnt, es gibt aber einen Satz, der als Botschaft an Russland verstanden werden kann. „Die Welt muss wissen, dass wir keine Feinde suchen, dass wir immer froh sind, wenn alte Feinde zu Freunde werden, und wenn alte Freunde zu Verbündeten werden.“ Internationale Bündnisse und Organisationen wie die Nato, die Europäische Union und die Vereinten Nationen kommen in den Eckpunkten nicht vor.
Trump setzt auf „harte und faire“ Handelsabkommen, die vorrangig der US-Wirtschaft nutzen sollen. Darauf will er seine „härtesten und klügsten“ Leute ansetzen. Erstes Ziel: „Rückzug aus der transpazifischen Partnerschaft.“ Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta der USA mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln und aufkündigen, wenn es keinen „fairen Deal“ gibt. Verstöße anderer Länder gegen Handelsabkommen will er „mit allen Mitteln“ bekämpfen.
Die Kürzungen bei den US-Streitkräften will Trump rückgängig machen. „Unsere militärische Dominanz darf nicht infrage gestellt werden.“ Kein Land dürfe die USA militärisch überholen. Trump kündigt ein Raketenabwehrsystem zum Schutz vor Angriffen des Iran und Nordkoreas an. Dem Cyber-Krieg soll Priorität eingeräumt werden. Dabei sollen sowohl die defensiven als auch die offensiven Fähigkeiten der Streitkräfte gestärkt werden.
„Die Trump-Regierung wird eine Law-and-Order-Regierung (Recht und Ordnung) sein“, heißt es in den Eckpunkten. Vor allem die Gewaltkriminalität will der neue US-Präsident durch effektivere Polizeiarbeit, konsequentere Anwendung von Strafgesetzen und mehr bürgerliches Engagement bekämpfen. Das Recht auf Waffenbesitz soll nicht angetastet werden, um es jedem US-Bürger zu ermöglichen, sich selbst zu verteidigen.
Ein Grenzwall nach Mexiko soll illegale Einwanderung stoppen. Außerdem will Trump Migranten, die straffällig geworden sind, abschieben.
In zehn Jahren will Trump 25 Millionen Arbeitsplätze schaffen und vier Prozent Wachstum pro Jahr erreichen. Er will die Steuern für Bürger und Unternehmen senken sowie das gesamte Steuersystem vereinfachen. Staatliche Regulierung will die neue US-Regierung so weit wie möglich zurückfahren.
Trump will Energie für die Bürger möglichst billig machen und unabhängig sein von ausländischem Öl. Dafür will er Gesetze zum Klima- und Wasserschutz zurücknehmen, die Obama durchgesetzt hat. Stattdessen setzt er auf Fracking, also die Förderung von Erdgas aus Gesteinsschichten. Die US-Kohleindustrie will er „wiederbeleben“. Die Umweltbehörde EPA soll sich auf den Luft- und Wasserschutz konzentrieren. Trump hat früher abgestritten, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt.
Am 27. Januar hatte der Präsident mit seinem Dekret unter anderem einen befristeten Einreisestopp für Flüchtlinge sowie Menschen aus sieben mehrheitlich islamischen Ländern verfügt. Durch neue gründliche Überprüfungsmechanismen solle sichergestellt werden, dass keine Landesfeinde in die USA gelangten, sagte Trump zur Begründung. Der Erlass wurde vor mehreren Gerichten angefochten.
Die Regierung argumentierte in ihrem Eilantrag gegen die vorläufige Blockade der Visa-Sperre, Trumps Autorität als Präsident werde in Frage gestellt. In der Begründung für die Berufung schrieb das Justizministerium, die Entscheidung von Richter Robart gefährde die Öffentlichkeit und zweifle die Urteilsfähigkeit des Präsidenten in Sachen nationale Sicherheit an. Insgesamt stelle das Urteil die Gewaltenteilung zwischen dem Präsidenten und den Gerichten in Frage.
Trump selbst hatte mit zornigen Tweets auf die Entscheidung von Robart reagiert und ihn direkt angegriffen. „Die Meinung dieses sogenannten Richters, die praktisch unserem Land die Durchsetzung von Gesetzen wegnimmt, ist irrwitzig und wird überstimmt werden!“, schrieb Trump am Samstag auf Twitter.
Rechtsexperten nannten es einen äußerst ungewöhnlichen Vorgang, dass ein amtierender Präsident die Legitimität und Kompetenz eines Richters offen in Frage stellt. Robart war im Jahr 2004 vom damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush nominiert und ohne Gegenstimmen vom Senat bestätigt worden.
Vize-Präsident Mike Pence verteidigte Trump in einem TV-Interview. Auf die Frage, ob die Bezeichnung von Robart als „sogenannten Richter“ möglicherweise die verfassungsmäßige Gewaltenteilung in Frage stelle, sagte Pence: „Das glaube ich nicht. Ich denke, die Amerikaner sind sehr daran gewöhnt, dass dieser Präsident seine Meinung deutlich ausspricht.“ Die Regierung werde „alle juristischen Maßnahmen nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um die richterliche Verfügung anzufechten“, sagte Pence im Sender ABC.
Das Außenministerium war nach dem Richterspruch aus Seattle gezwungen, die Annullierung von Visa für 60.000 bis 100.000 bereits von der Sperre betroffene Ausländer rückgängig zu machen. Das Heimatschutzministerium ordnete seinerseits an, „alle Aktionen zur Umsetzung“ des Trump-Dekrets auszusetzen, wie es in einer amtlichen Mitteilung hieß. Reisenden würden nun wieder so überprüft wie vor der Anweisung Trumps.