Dubiose Methoden China fahndet nach einem Milliardär mit heiklem Wissen

Als Immobilien-Tycoon soll Guo Wengui etliche krumme Geschäfte gemacht haben. Wichtige chinesische Politiker sollen auch beteiligt gewesen sein. Diese wollen den Unternehmer offenbar am „Auspacken“ hindern.

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Abbruch eines Live-Interviews: Guo Wengui wollte schwere Korruptionsvorwürfe erheben. Quelle: AP

Peking Gerade als es spannend wurde, brach die Übertragung ab. In einem Live-Interview mit dem US-Auslandssender Voice of America wollte Guo Wengui schwere Korruptionsvorwürfe gegen Mitglieder der kommunistischen Partei in Peking erheben. Doch dazu kam es nicht. Wenige Stunden vor der Sendung hatte China den Fernsehgast per Interpol zur Fahndung ausschreiben lassen. Kritiker sehen nicht nur eine politische Einmischung in die Programmplanung, sondern auch einen klaren Missbrauch der internationalen Polizeiagentur.

Der US-Sender begründet die kurzfristige Programmänderung vom Mittwochabend mit rein redaktionellen Erwägungen. Doch das, was Guo in dem Interview sagen wollte, ist so brisant, dass es schon fast erstaunlich wäre, wenn Peking nicht seine Finger im Spiel gehabt haben sollte. Wegen welcher Verbrechen der Immobilien-Unternehmer gesucht wird, wollten weder Interpol noch das chinesische Außenministerium auf Anfrage bekannt geben. Nach einem Bericht der Zeitung „South China Morning Post“ geht es um mutmaßliche Bestechung.

Guo hat in China durchaus einen Ruf als Geschäftsmann, der schon mal zu unsauberen Methoden greift. Wie die „South China Morning Post“ nun unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, soll er 2006, im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking, dem damals hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter Ma Jian 8,8 Millionen Dollar (heute 8,2 Millionen Euro) dafür gegeben haben, ein kompromittierendes Sex-Video vom Bürgermeister der Stadt zu beschaffen - weil dieser eines seiner Bauprojekte blockierte. Gegen Ma wurde im Februar Anklage erhoben.

Im Rahmen seiner zum Teil dubiosen Geschäfte hat der chinesische Milliardär aber offenbar auch weitere Einblicke in das politische System erhalten, die nicht zur Propaganda des Regimes passen. Als das Interview auf Voice of America abgebrochen wurde, hatte er gerade zu einem Bericht über Korruption und Intrigen angesetzt, in dem zahlreiche Schlüsselfiguren der kommunistischen Partei eine Rolle spielen sollen, einschließlich Präsident Xi Jinping und einige seiner engsten Vertrauten.

Zu den Vorwürfen im Hinblick auf den inzwischen in Ungnade gefallenen Geheimdienstmitarbeiter Ma wollte sich Guo auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP nicht äußern. Die Ausschreibung über Interpol bezeichnete er aber als Versuch, ihn unter Druck zu setzen. „Das sind alles Lügen, alles nur Drohungen“, sagte er. „Es zeigt, dass sie große Angst haben, dass ich explosive Informationen an die Öffentlichkeit bringen könnte.“

Nach Einschätzung des China-Experten Bill Bishop, der den Newsletter „Sinocism“ herausgibt, könnte an der Theorie etwas dran sein. Es wird erwartet, dass auf dem großen Parteitag im Herbst die neue Führungsriege des Landes in Position gebracht werden soll. „Eine 'Bombe', mit der die personellen Planungen durcheinander gebracht werden, ist genau das, was Peking überhaupt nicht gebrauchen kann“, sagte Bishop. Nach seinen Informationen ist von den Vorwürfen Guos sogar der Leiter der Antikorruptionsbehörde betroffen.

Der Fall hat aber noch eine weitere Dimension, die ebenfalls sehr heikel ist: Interpol wird seit dem vergangenen Jahr von einem Chinesen geleitet, der zuvor Karriere in der kommunistischen Partei gemacht hatte. Aktivisten hatten bereits davor gewarnt, dass der Mangel an Transparenz im chinesischen Justizsystem dazu führen könnte, dass die in Lyon ansässige internationale Organisation nun von Peking dazu genutzt werden könnte, politische Gegner zu verfolgen.

Nicholas Bequelin, der bei Amnesty International für Ostasien zuständig ist, sieht sich angesichts des Falles Guo bestätigt. „Unsere Warnungen in Bezug auf die Gefahr der politischen Instrumentalisierung von Interpol durch die Platzierung eines hochrangigen Funktionärs an dessen Spitze waren nicht übertrieben“, schrieb der Menschenrechtler am Mittwoch auf Twitter.

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